Grüne zwangsverheiratet

Türkis-Grün, oder wie man auch sagt: Orban Gardening. Kurz, Kogler und Co. werden wohl eher gegeneinander, als miteinander regieren.

Die Grünen haben beim Koalitionspakt viel zu schlucken. Aber nach menschlichem Ermessen wird der Grüne Bundeskongress am Samstag dem Vertrag zustimmen. Mindestens ebenso klar: Es wird nicht einmal der Anschein erweckt werden können, als wäre diese Verpartnerung eine aus Zuneigung. Um in der Sprache der romantischen Verirrungen zu bleiben: Das wird keine Liebesheirat, sondern eher eine Art Zwangsehe.

Die ÖVP hat überhaupt nicht erwogen, von weit rechts wieder zurück in die Mitte zu wandern. Am liebsten hätte sie das Programm der Grauslichkeiten ihrer Ibiza-Koalition weiter geführt, nur eben ohne Hofers und Kickls Chaostruppe. Die Grünen mussten der Kurz-Partie jeden Millimeter retour Richtung Mitte mühsam abverhandeln. Umgekehrt wiederum haben die Grünen alles detailliert festschreiben wollen, aus Angst, Sebastian Kurz und seine Leute könnten sie sonst im Regierungsalltag „legen“ und über den Tisch ziehen. Aus den vorhergehenden Koalitionen hat der ÖVP-Chef ja einen Ruf als „falscher Fuffziger“.

Beim Koalitionsvertrag selbst werden die Anhänger und Funktionäre beider Parteien genug zum Schlucken haben. Das ist auch ganz selbstverständlich. Verhandlungen zwischen zwei sehr unterschiedlichen Parteien mit klaren Programmen und Werthaltungen können nur dann erfolgreich sein, wenn viele Kompromisse eingegangen werden. Und solche Kompromisse kann man immer auf zwei Arten interpretieren: dass sie gerade noch gangbar sind; oder dass man dabei sehr weit von der eigenen Ideallinie abweichen hat müssen. Anders gesagt: dass man dem Gegenüber einiges abgerungen hat; dass man dem Gegenüber nicht genug abringen hat können. Geschmackssache, was dann überwiegt.

Sebastian Kurz wird die Kompromisse, denen er zustimmen musste, mit Rhetorik und seiner wesentlichen Stärke, nämlich seinem Verkaufsgeschick, überspielen. Wir werden die abgespielte Schallplatte vom „Kampf gegen illegale Migration“ hören und er wird so weit als möglich so tun, als habe sich sowieso nichts verändert.

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Das macht die Sache für die Grünen wiederum schwieriger. Sie werden ihren Funktionären diese Koalition schmackhaft machen müssen. Dass dieser Koalitionsvertrag toll ist, wird sich aber schwer behaupten lassen. Sie werden erklären müssen, wo sie der Rechtspartei ÖVP die Zähne gezogen haben. Die Botschaft der Grünen wird sein: Sebastian Kurz will das Land auf autoritären Orban-Kurs führen und am liebsten hätte er das mit der FPÖ weiter gemacht. Den Grünen ist es immerhin gelungen, das Schlimmste zu verhindern und sogar ein paar positive Akzente zu setzen.

Die Frage ist freilich, wofür diese Koalition dann stehen kann. Hat sie eine Botschaft zu erzählen, eine Story, die sie verbinden könnte? Die ist nicht in Sicht. Wenn die Grünen sich Kurz und seiner Rhetorik zu sehr unterordnen, werden sie sehr bald viele ihrer Anhänger gegen sich aufbringen. Die Grünen werden sich vom ersten Tag an von ihrem Koalitionspartner absetzen müssen. Wie man das hinbekommt, ohne dass man sofort als streitende Regierung dasteht, ist das große Rätsel. Das ist der wirkliche Stolperstein der Regierung, und er kommt erst nach dem Ende der Verhandlungen.

Ein Gedanke zu „Grüne zwangsverheiratet“

  1. Das zeichnet die neoliberale bürgerliche Mitte aus: In Ihrem Text kommt nicht ein einziges Mal das Wort „sozial“ vor. Klar, interessiert nicht: Die vermeintlich linken Grünen nicht und einen sich selbst als linksliberalen einschätzenden Autor nicht.
    Arbeitnehmer, Arbeitslose – die bildungsferne Unterschicht ist doch rechts. Und wer sich für diesen Pöbel einsetzt ist selbst rechts.
    So funktioniert die neoliberale Logik.

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