Suppenhühner in Stahlgewittern

Der Theaterdirektor und das Virus: Frank Castorf wünschte sich zwar immer den Einbruch des Elementaren, aber unbequem darf es dabei nicht werden.

Wenn es zuviel Sicherheit und Routine gibt, dann wünschen sich manche Dichter und Intellektuelle, dass irgendetwas einbricht, was die Welt aus ihren Gleisen hebt. Sie sitzen in ihren gewärmten Stuben und träumen von einer Revolution, einer Katastrophe, was auch immer. Dass sich irgendetwas tut, das sie aus ihrem Ennui reißen könnte. Frank Castorf, der langjährige Chef der Berliner Volksbühne, hat deswegen immer gerne Ernst Jünger gelesen, dessen Erlebnisse aus den Schützengräben, und vor 25 Jahren hat er in einem Interview kundgetan, ihn fasziniere die „Sehnsucht nach Vitalität, nach Mut, nach Kraft, nach all den Sachen, die wahrscheinlich heute im rechtsradikalen Fundus zu finden sind“. Wir hingegen, so klagte der Theatermann, lebten bloß in der öden „Welt der Schmerztablette“ – die Schmerztablette als Metapher für den sedierten, sicheren Alltag, in dem wir jedes Wehwehchen gleich weg medikamentieren, Synonym einer Wattebausch-Realität, in der jeder seine Lebensversicherung hat und der Einbruch des Wüsten, des Ungeplanten nicht mehr vorgesehen ist. Er wünsche sich, sagte er, ein neues „Stahlgewitter“, oder eine „Apokalypse“, „dass viele Hunnen zu uns kommen oder der Amazonas über uns hereinbricht“.

Alles nur, um die Langeweile zu vertreiben. Natürlich war das nie mehr als wohlstandsverwahrloste Sehnsucht nach dem Elementaren. Kommt das Elementare dann einmal in die Nähe, ist es natürlich auch wieder nicht recht. Wie etwa in Gestalt eines Virus. Wahrscheinlich ist dieses Virus das, was dem Einbruch von Naturgewalten und der Apokalypse am Nächsten kommt, was diese Generation je erlebet haben wird. Erstmals wird der Alltag durcheinander gebracht, gibt es etwas, vor dem man ein bisschen Angst haben muss und in der die routinierten Checks-and-Balances nicht mehr funktionieren. Regierungen erlassen Kontaktbeschränkungen, das soziale Leben folgt neuen Regeln, Individuen adaptieren sich daran. Gewohnheiten und auch Usancen werden durcheinander gewirbelt, mit allen unschönen Begleiterscheinungen. Die einen sind rücksichtslos, die anderen werden panisch, wieder andere wollen das Verhalten ihrer Mitbürger kontrollieren, die einen sind hilfsbereit, die anderen werden egozentrisch.

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Man könnte das, aus der Perspektive des mit eisigen, zynischen, mikroskopischen Verstand beobachtenden Dichters auch als großes Gesellschaftsexperiment ansehen, bei dem man zwar um seine Bequemlichkeit gebracht ist, bei dem man aber auch studieren kann, wie Menschen reagieren, wenn mal ein bisschen das Elementare einbricht. Als etwas, das „interessant“ ist.

Aber jetzt jammert Castorf in einem „Spiegel“-Interview, dass die Maßnahmen zur Virusbekämpfung eine falsche, „gesellschaftliche Pflicht zur Rettung vor den Tod“ propagieren. Zugegeben, das passt noch in die Logik der Sehnsucht nach Menschenopfern, damit sich mal ein bisschen etwas tut und zu jüngerschem Antihumanismus mit „kaltem Herz“. Aber dann: Nichts als wohlfühlbürgerliches Lamento. Er erzählt, dass er sich „noch nie so beengt gefühlt habe“ in seinem Leben. Im Verkaufsladen werde er angehalten, den Mindestabstand einzuhalten wenn er gustiert, ob „ein Suppenhuhn oder ein Brathuhn“ auf den Teller komme. Auch wolle er sich nicht von staatlicher Seite empfehlen lassen, sich die Hände zu waschen.

Wenn uns einmal wirklich der Amazonas überschwemmt, will ich Frank Castorf nicht in meiner Nähe haben, der dann gleich zu heulen anfängt, dass das Leben ohne Suppenhuhn einfach keinen Spaß mehr macht.

Wenn Castorf die Nervosität von Kunden beim Biometzger schon den Tag verdrießt und wenn ihm eine Prise obrigkeitlicher Hygienepolitik derart auf die Nerven gehen, dann fragt man sich freilich, wie sich Castorf seine „Stahlgewitter“ und die elementaren Erlebnisse im Schützengraben einst ausgemalt hat. Als Schule der Freundlichkeit, des Altruismus und der sprichwörtlichen Prenzlauer Berger Lässigkeit? Beim Ansturm der Hunnen wäre es bei sanftpfötigen Kontaktregeln wohl nicht geblieben. Da wäre man für ein Brathuhn wohl erschossen oder geköpft, und nicht nur von einem überängstlichen Maskenträger angekeppelt worden.

Ehrlich, wenn uns einmal wirklich der Amazonas überschwemmt, will ich Frank Castorf nicht in meiner Nähe haben, der dann wahrscheinlich gleich zu heulen anfängt, dass das Leben ohne Suppenhuhn einfach keinen Spaß mehr macht.

4 Gedanken zu „Suppenhühner in Stahlgewittern“

  1. Gut gegeben, lieber Robert. Das habe ich gerne gelesen – übrigens finde ich auch Dein aktuelles Buch „Die falschen Freunde der einfachen Leute“ sehr gelungen. Ich habe eine Rezension für die Neue Gesellschaft/Frankfurter Hefte geschrieben, sobald sie erscheint, schicke ich sie Dir.

    Ich hoffe, Du hast die Tage auf Gut Siggen mit Frank Nullmeier und mir nicht in schlechter Erinnerung.

    Bleibe gesund und munter ….

  2. Ja lieber Robert Misik,

    halten Sie dann von dem Aufbruch der 68er, von den Revoluzzern wie Thomas Bernhard, Peter Handke, dem Grazer Forum Stadtpark gar nicht mehr? Waren und sind Sie nicht ein Kind dieser Generation?

    Ich höre immer gerne Ihre o24 Fellner Live Gespräche mit Herrn Mölzer an.
    Seit einigen Monaten fällt mir jedoch eher ungut auf, dass Sie die Anti-Corona-Politik von Kurz sehr unkritisch gut heißen.
    Ist dies auch nach den unten stehenden ORF Neuigkeiten immer noch so?

    Und wie geht das mit Ihrem Buch „Herrschaft der Niedertracht: Warum wir so nicht regiert werden wollen!“ zusammen???

    Von: Edi Tusch [mailto:geri99@inode.at]
    Gesendet: Montag, 27. April 2020 21:31
    An: ‚werner.kogler@bmkoes.gv.at‘; ‚rudolf.anschober@sozialministerium.at‘; ’sebastian.kurz@bka.gv.at‘; ‚heinz.fassmann@bmbwf.gv.at‘; ‚ministerbuero@bmi.gv.at‘; ‚Peter.KAISER@ktn.gv.at‘; ‚beate.prettner@spoe.at‘
    Betreff: Ö1 Morgenjournal heute: Regierungsprotokoll: Angst vor Infektion offenbar erwünscht; Focus.de: Internes Papier aus Innenministerium empfahl, den Deutschen Corona-Angst zu machen

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    ich dachte heute, ich höre in Ö1 nicht richtig, Sebastian Kurz befördert und betreibt laut diesem Bericht scheinbar bewusst Angstmache vor Corona! (jeder werde bald jemanden kennen, der am Coronavirus verstorben sei.)

    Ich frage mich, ob das „nur“ gut gemeinte paternalistische Gängelung des offenbar dumm und unreif eingestuften Volkes mittels alter schwarzer Pädagogik ist, oder andere Ziele dahinter stecken.

    Für mich ist jedenfalls gezielte Angstmache seitens der Regierung ein ungeheurer verantwortungsloser Missbrauch der Demokratie!

    Hier die aktuellen ORF-Artikel dazu:

    https://orf.at/stories/3163480/

    https://orf.at/stories/3163435/

    Regierungsprotokoll: Angst vor Infektion offenbar erwünscht
    Online seit heute, 9.48 Uhr
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    Ein Sitzungsprotokoll legt nahe, dass die Regierung die Angst der Bevölkerung vor einer Infektion mit dem Coronavirus bewusst bestärkt haben könnte. Laut dem vom Ö1-Morgenjournal heute veröffentlichten Papier sprach Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) davon, die Bevölkerung sollte Angst vor einer Infektion bzw. dem Tod von Angehörigen haben. Das Kanzleramt relativierte die Aussagen.
    Audio dazu in oe1.ORF.at
    Regierungsspitze nahm an Sitzung teil
    An der Sitzung der Taskforce „Corona“ des Gesundheitsministeriums am 12. März im Kanzleramt nahmen neben Kanzler, Vizekanzler, Gesundheits- und Innenminister auch Beamte und Gesundheitsexperten teil. Kurz hatte dem Protokoll zufolge Bedenken, dass er noch keine wirkliche Sorge der Bevölkerung verspüre.
    Darauf meinte der Tropenmediziner Herwig Kollaritsch, man müsse der Bevölkerung klarmachen, dass es sich um eine potenziell tödliche Krankheit handle und nicht um eine einfache Grippe.
    Masernepidemie in Großbritannien als Vorbild
    Als Beispiel nannte Kollaritsch dem Protokoll zufolge die Kommunikation zur britischen Masernepidemie der 1990er Jahre. Dort habe man mit der Angst der Bevölkerung gespielt. Und weiter heißt es im Protokoll: „Kurz verdeutlicht, dass die Menschen vor einer Ansteckung Angst haben sollen bzw. Angst davor, dass Eltern/Großeltern sterben. Hingegen sei die Angst vor der Lebensmittelknappheit, Stromausfälle etc. der Bevölkerung zu nehmen.“
    Ein Sprecher des Bundeskanzlers sagte dazu, Kurz habe lediglich Verständnis für die Angst um Familienmitglieder gezeigt. In weiterer Folge hatte sich der Kanzler jedenfalls mit drastischen Aussagen zu Wort gemeldet – etwa mit der noch Ende März ausgesprochenen Warnung, jeder werde bald jemanden kennen, der am Coronavirus verstorben sei.
    Kollaritsch selbst hielt laut Ö1 fest, nicht von einem Spiel mit der Angst in Österreich gesprochen zu haben. Ohne drastische Wortwahl hätte die Bevölkerung die Maßnahmen der Regierung aber nicht angenommen, meinte er.
    red, ORF.at/Agenturen
    Die Vorgangsweise deckt sich zudem auffällig mit jener der deutschen Bundesregierung:

    https://www.focus.de/politik/deutschland/aus-dem-innenministerium-wie-sag-ichs-den-leuten-internes-papier-empfiehlt-den-deutschen-angst-zu-machen_id_11851227.html

    Nachdem Kurz permanent die „Neue Normalität“ beschwört, und als einzige Lösung die generelle Impfung (in vielleicht 18 Monaten) gegen Covid-19 in den Raum stellt (WHO Bill Gates), ist man auch sehr an
    die Inszenierung der Schweinegrippe H1N1 im Jahr 2009/2010 als Pandemie erinnert.
    Siehe die 2009 ausgestrahlte Doku von NDR/arte „Profiteure der Angst – Das Geschäft mit der Schweinegrippe.“ (Gibt es noch immer in Youtube).

    Nur ein Schelm, wer dabei an die Allianzen WHO, Bill Gates Stiftung, Pharmaindustrie denkt, und daran dass Sebastian Kurz mit Bill Gates in Kontakt war (ist?).

    https://www.deraktionaer.de/artikel/aktien/bill-gates-ueber-corona-so-retten-wir-die-welt-20200338.html
    https://www.krone.at/1791096
    https://kontrast.at/bill-gates-coronavirus-spenden/
    https://www.miss.at/coronavirus-reisefreiheit-impfung/

    Bitte gehen Sie in sich, Sie alle tragen Regierungsverantwortung für unseren Staat, der möglichst bald wieder funktionieren sollte, sonst gibt es ohne Einnahmen auch keine medizinische Versorgung mehr, weder für Covid-19-Erkrankte noch für alle anderen, das wäre die totale Themenverfehlung!

    Zudem:

    Die Dramatik und Komplexität war auch schon 2009 gegeben, mit schauerlichen exponentialen Hochrechnungen, die dann nicht eingetroffen sind:
    Können Sie sich noch an die Inszenierung der Schweinegrippe H1N1 im Jahr 2009/2010 als Pandemie erinnern? Siehe die 2009 ausgestrahlte Doku von NDR/arte „Profiteure der Angst – Das Geschäft mit der Schweinegrippe.“ (Gibt es noch immer in Youtube).
    Mir fehlt auch jetzt schmerzlich die Breite der wissenschaftlichen Betrachtung, es setzen sich mehr die Alpha-Tiere durch, ob zum Guten ist mehr als fraglich für mich:

    Völlig vernachlässigt werden meiner Meinung nach heute:

    Fragen zur Rolle des Immunsystems bei Corona-Abwehr, anstatt dass man Tipps zu Stärkung gibt, wird es durch #bleibzuhause, keine Bewegung in frischer Luft, keine Sonne, es wird nachhaltig geschwächt!

    Forschungen nach dem Grund regionaler Häufungen (Lombardei weit vor allen anderen Regionen Italiens),
    http://www.salute.gov.it/imgs/C_17_notizie_4386_0_file.pdf
    Smog und Luftverschmutzung (New York, Madrid, Wuhan), Infektionen durch Aerosole, Missbrauch von Antibiotika (in Italien im Supermarkt erhältlich),
    entsetzlich unhygienische engste Sammelunterkünfte mit Ausbeutung (Wanderarbeiter Wuhan, Lombardei, „Pronta Moda“)

    Verbot des riskanten Verzehrs von Wildtieren (Wuhan)

    Weg von der Fettleibigkeit durch falsche Ernährung und falschen Lebensstil (USA, fast food, keine Bewegung, als Kranker geht man trotzdem arbeiten, um den Job nicht zu verlieren)

    Mundnasenschutzmasken ist sogar unhygienisch, erhöhtes Infektionsrisiko durch Atemfeuchtigkeit:
    https://www.kleinezeitung.at/international/corona/5793162/CoronaStreitfrage_WHO-gegen-allgemeines-Mundschutztragen

    Wie viele Patienten auf den Intensivstationen und in stationärer Behandlung und der Verstorbenen haben/hatten Vorerkrankungen? Das ist nicht zu entnehmen.
    Wenn Lungenerkrankungen, Asthma, COPD Hochrisiko für Covid-19 darstellen, warum hat die Regierung in ihrem harten shutdown nicht sofort Trafiken gesperrt, Zigarettenautomaten geleert?
    Wie aussagekräftig sind Zahlen, wenn bisher nur Menschen mit gravierenden Symptomen überhaupt getestet werden?

    So erfahren wir nie, wie viele positiv und
    a) ohne Symptome sind, also Quarantäne zu Hause
    b) mit milden Symptomen sind, also Genesung zu Hause
    c) stationäre Aufnahme nötig haben (Vorerkrankung ja/nein?)
    d) Auf der Intensivstation sind (Vorerkrankung ja/nein?)

    Zudem kommt noch die Unfassbarkeit, dass das Robert Koch Institut bei Verstorbenen mit positivem Coronatest eine Obduktion zur Bestimmung der wahren Todesursache (sehr häufig Vorerkrankungen) NICHT will, die Zahl fließt aber in die Statistik der Coronatoten ein!
    https://www.tagesschau.de/faktenfinder/inland/corona-obduktionen-101.html
    Wir wissen also nach wie vor nicht, ob der Tod wegen Corona eingetreten ist, oder aber wegen anderer Organversagen.
    Auch die Antikörpertests sind erst im Werden, noch zu unzuverlässig in Richtung false positive.
    So können wir die Dunkelziffer nur erraten. Ist etwa der Großteil der Bevölkerung schon immun, ohne je Symptome gehabt zu haben?
    Man liest ja über den zumeist milden Verlauf.

    Falls wir noch nicht immun sind: Wie kommen wir je zur erwünschten Durchseuchung, bei extrem langsamen Hochfahren der Wirtschaft?

    Es gibt jährlich weltweit 4.500.000 vorzeitige Todesfälle durch Luftverschmutzung Quelle https://science.orf.at/v2/stories/2998598/ – durch Covid-19 sind es heute 175.000.

    Alles Faktoren, die wir jetzt schon ändern könnten und müssten, mit Turboeffekt gegen viele andere Erkrankungen anstatt auf die Impfung zu warten.

    Meint Herr Kurz mit der „Neuen Normalität“ seine gouvernantenhaften Slimfit-Befehlsausgaben mit Message-Control-Sprechpuppen und etlichen Hoppalas?

    Wir erleben hinter Kurz eine intransparente, ihm gewogene Expertokratie, die nicht MIT Betroffenen spricht, sondern über sie entscheidet. Wer bei den Experten dem Mainstream (z. B. Maskenpflicht) widerspricht, fliegt raus.

    Sicher ist die Schulmedizin mit ihren Immunologen und Virologen derzeit äußerst wichtig, mir erscheint jedoch ihre Zielrichtung sehr eindimensional:

    Als einziger Heilsbringer wird eine Massenimpfung durch einen Impfstoff, den die WHO mit Bill Gates Stiftung und Pharmakonzernen mit aller Macht in 18 Monaten durchpushen will, ohne die sonst übliche und nötige Sorgfalt bei Testserien anzuwenden (wegen des Zeitdrucks)

    Wie so oft, werden Symptome bekämpft, es wird kaum nach den Ursachen gefragt. Diese Vorgangsweise ist für mich unwissenschaftlich.

    Anstatt dass in einem Miteinander sämtliche medizinischen Disziplinen ihre Stärken im Kampf gegen Covid-19 einbringen, agieren Schulmedizin und Medien teilweise mehr als sonst ignorant und intrigant gegenüber anderen medizinischen Disziplinen.
    Obwohl man ja selbst noch ratlos ist und kein Heilmittel hat, werden die anderen madig gemacht (z. B. Homöopathie).

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