Abgedreht

Zu wenig, zu undurchdacht, zu bürokratisch. Die Regierungsmaßnahmen führen zu mehr Insolvenzen und zu mehr Arbeitslosigkeit, als nötig gewesen wäre.

Arbeit & Wirtschaft Online

Noch ist die Pandemie nicht besiegt, aber mit der fragilen Entspannung bei der Zahl der Neuinfektionen gerät immer mehr die Wirtschaftskrise in den Fokus. Seit beinahe zwei Monaten sind weite Teile des Wirtschaftslebens gleichsam „abgeschaltet“. Mehr als eine Million Menschen in Kurzarbeit, knapp 580.000 sind arbeitslos, dazu kommen noch einmal eine unbestimmte Zahl an Ein-Personen- und Kleinunternehmern, die kaum Einnahmen haben. Summiert man das zusammen, sind beinahe zwei Millionen der österreichischen „Workforce“ stillgestellt und oft auch am Rande der Existenzbedrohung.

Es ist naheliegend, das als unabwendbare, tragische Folge der Anti-Pandemiemaßnahmen zu sehen. Aber das ist nur halb wahr und lässt die Regierenden zu schnell aus der Verantwortung. Was hatte man nicht wortreich versprochen: einen „Rettungsschirm“ für die österreichische Wirtschaft, schön klingende Phrasen: „Koste es was es wolle“.

Herausgekommen sind teilweise richtige, aber zu wenig durchdachte Programme, oft auch Dilettantismus und Chaos, und fast immer bürokratische Monster. Es begann damit, dass man Quarantänemaßnahmen verhänge, ohne parallel schon an Rettungsschirmen für Firmen und Jobs gearbeitet zu haben. Das Ergebnis war eine zunächst völlig unbrauchbare Kurzarbeits-Regelung – was sofort zu 200.000 Arbeitslosen mehr binnen weniger Tage führte. Erst als auf Drängen von ÖGB und AK hier massiv nachgebessert wurde, funktionierte das Programm. Aber auch das nur holpernd: Institutionen wie das AMS mussten mit dem Papierkram überfordert sein, das ging ja gar nicht anders.

Dieser Dilettantismus der ersten Tage hat markant messbare Auswirkungen. In Österreich schlitterten 200.000 Beschäftigte in die Arbeitslosigkeit, im zehn mal größeren Deutschland nur 300.000.

Wirklich schlimm aber waren die bürokratischen Monster, die die Klein- und Mittelbetriebe und die EPUs über Wasser halten sollten. Die Bedingungen sind einerseits restriktiv, die formalen Prozesse so amtsschimmelig, dass sie für viele Betroffene nicht funktionieren – und dann gibt es auch nur tausend oder zweitausend Euro monatlich aus den Töpfen, mit denen sich kaum ein Unternehmen über Wasser halten kann. Ein unübersichtlicher Wildwuchs an Geldtöpfen und Fonds, der da aus den Boden sprießt. Hunderttausende österreichische Firmen und deren Beschäftigte werden von der Regierung einfach hängen gelassen.

Und dann noch: Staatliche Kreditgarantien, um die „Liquidität“ der Unternehmen zu sichern. Das klingt natürlich wunderschön. Aber was heißt das in der Realität? Unternehmen können bei Banken Kredite beantragen, für die der Staat bürgt (zuletzt bis zu 100 Prozent), damit die Unternehmen ihre Rechnungen zahlen können, obwohl sie keine Umsätze haben. Dennoch stehen die Banken auf der Bremse. Teils, weil sie das Kreditgeschäft mit der Realwirtschaft nicht mehr interessiert (auf Finanzmärkten kann man mehr Geld verdienen), teils, weil komplizierte internationale Finanzmarktregulierungen ihnen Grenzen setzen. Vor allem aber: Was bringt einem Unternehmen, das sich in normalen Zeiten einigermaßen gut über Wasser halten konnte, aber keine Goldgrube ist (und das trifft für viele Unternehmen zu), ein erleichterter Zugang zu Krediten, wenn das Geschäft für drei, vier oder mehr Monate weg bricht? Die Kredite wird es kaum zurückzahlen können – oder wenn, dann nur, wenn es Kosten reduziert, also etwas Arbeitsplätze streicht. Und selbst für stabile Unternehmen gilt: Wer bisher gut dastand, ist danach hoch verschuldet. Geld für Investitionen wird in den nächsten Jahren fehlen, und damit auch für Innovation und die Schaffung neuer Arbeitsplätze.

All diese Programme der Regierung werden dazu führen, dass wir eine riesige Insolvenzwelle haben, dass Unternehmen und Arbeitsplätze verschwunden sind (und die kommen dann nie wieder zurück), und dass viele verbliebene Unternehmen noch lange mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen haben werden.

Das war – und ist – nicht alternativlos. Es gäbe andere Möglichkeiten: Etwa, den Unternehmen unbürokratisch ihren Umsatzeinbruch zu ersetzen. In einem ersten Schritt hätten die Unternehmen diesen Einbruch schätzen können. Klar, die können dann auch flunkern und lügen – oder sich einfach verschätzen. Das wäre aber keine große Sache gewesen: Spätestens bei der nächsten Steuererklärung hätte man gesehen, ob sie zu viel abgerufen haben – und hätte das überschüssige Geld einfach wieder einkassiert. Das hätte zwei Vorteile gehabt: Erstens wären die Unternehmen nicht in Schulden gestürzt worden. Und zweitens wäre viel Zeit gespart worden. Der jetzige Papierkram gigantischen Ausmaßes führt ja dazu, dass die Firmen das Geld, das sie brauchen, nicht so schnell bekommen. Und bei solchen Notsituationen geht es immer auch um Zeit.

Es hätte sicherlich noch andere Instrumente gegeben als dieses, und jedes wäre besser gewesen als die praktizierten aus dem Werkzeugkasten österreichischer Amtsschimmeligkeit.

Hätte man so agiert, was wäre dann geschehen? Die Volkswirtschaft wäre gewissermaßen „eingefroren“ gewesen, und wenn man sie dann nach der Pandemie wieder „auftaut“, wäre jedes Wirtschaftssubjekt (Unternehmer, Beschäftigte, Soloselbstständige…) genauso dagestanden wie vor der Krise. Einzig der Staat wäre hoch verschuldet gewesen – und wohl etwas höher als mit den gegenwärtigen Programmen.

Aber das ist jetzt eine Situation, in der es eben nicht so sehr darauf ankommt, ob man noch irgendwo 10 Milliarden sparen kann – sondern in der es viel wichtiger ist, dass es nach der Krise schnell wieder bergauf gehen kann.

Jede Existenz muss daher jetzt gerettet werden: die jeder kleinen Firma und ihrer Beschäftigten, der Wirt ums Eck, der Installateurbetrieb, und alle Arbeitsplätze die damit verbunden sind. Insolvenzen müssen verhindert werden, und wo sie drohen, muss der Staat statt Krediten Eigenkapital zuschießen. Und dafür sorgen, dass das Geld schnell fließt.

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Denn es macht für jeden Einzelnen in einer Volkswirtschaft einen riesengroßen Unterschied, ob zehntausend Unternehmen und hunderttausende Arbeitsplätze verschwunden sind – verglichen damit hat es relativ wenig Einfluss auf unsere wirtschaftlichen Aussichten, ob der Staatsschuldenstand bei 85 oder 95 Prozent des Bruttoinlandsproduktes liegt.

Masseninsolvenzen, wie sie jetzt provoziert werden, haben langfristige Folgen. Unternehmen sind verschwunden, die dann ja nicht einfach schnell „ersetzt“ werden. Wenn ein Hotelier pleite ist, zieht nicht nächsten Monat schon der nächste Hotelier ein und führt das Unternehmen fort. Das selbe gilt für den Gastwirt, die Gärtnerei und das lokale Privattheater. Oft verfallen die Fabriken, Geschäftszeilen oder Häuser jahrelang vor sich hin. Dann gibt es also zigtausend Unternehmen weniger, die nicht mehr zurückkommen. Das gleiche gilt für die Arbeitsplätze. Wenn es statt 400.000 Arbeitslose 600.000 Arbeitslose gibt, macht das auch einen immensen Unterschied. Erstens für die 200.000, die unnötig in Arbeitslosigkeit sind. Aber auch für alle anderen: je angespannter die Arbeitsmärkte, desto schwieriger wird es für alle, einen neuen, womöglich sogar besseren Job zu finden. Ja, selbst die wirtschaftlichen Aussichten vieler Millionen Beschäftigter leiden: Wenn es hohe Arbeitslosigkeit gibt, steigen die Reallöhne nur selten. Und hohe Arbeitslosigkeit bedeutet auch weniger Konsum, also auch weniger Einnahmen für alle Unternehmen – Einnahmen, aus denen sie die Löhne ihrer Beschäftigten bezahlen. Dann setzt sich eine Abwärtsspirale im Gang und die Krise wird immer schwieriger zu bekämpfen. Kurzum: All diese Fehler, die die Regierung in dieser Phase der Pandemiebekämpfung gemacht hat und fortgesetzt macht, führen dazu, dass wir langsamer und schwieriger aus der Wirtschaftskrise kommen, wenn die Pandemie einmal besiegt ist.

Und das wird alles sehr viel mehr Geld kosten als die paar Milliarden, die man sich jetzt mit restriktiven Programmen vielleicht erspart hat.

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