Auch eine Art Jugendsubkultur

Manche junge Austrotürken sind rechts und nationalistisch. Manche rebellieren aber einfach nur. Fatal ist, wenn sich das vermischt.

Nachdem es in Favoriten zu einigen gespannten Tagen kam, sprachen viele davon, dass hier Auseinandersetzungen aus den Heimatländern von Migranten „bei uns auf die Straße getragen“ werden. Behauptungen wie diese haben die seltsame Eigenart, dass sie nicht völlig falsch sind, aber so versimpelt, dass sie natürlich „falsch“ sind.

Da wird ja unterstellt, dass alle Austrotürken und alle Austrokurden in diesem Konflikt involviert sind oder zumindest ähnlich empfinden. Aber das ist natürlich völliger Unfug. Nehmen wir nur die austrotürkische Seite: viele sind völlig integriert und leben nicht nur ihr normales Leben, sondern leben auch politisch-emotional in der hiesigen Welt. Genausoviele interessieren sich eigentlich überhaupt nicht für Politik, sondern wollen nur ihre Ruhe haben. Gerade die vielen Migranten in Favoriten, die seit Jahrzehnten hier leben, finden Scharmützel auf der Straße völlig verblödet.

Natürlich gibt es nicht wenige Austrotürken, die sich so halb als Wiener, halb noch als Türken fühlen, so ähnlich wie das die Burgenländer in Chicago noch jahrzehntelang taten – bekanntlich die größte burgenländische Stadt der Welt. Und dann gibt es natürlich auch unter den Austrotürken jene, die besonders an ihrer türkischen Identität hängen, aber auch unter denen gibt es Unterschiede. Da gibt es die aus der alten Gastarbeitergeneration, die sich in türkischen Vereinen engagieren. Aber auch diese halten meistens eher wenig von gewalttätigen Auseinandersetzungen auf der Straße, einfach weil sie, wie die meisten älteren Herrschaften aller Kulturen, vor allem konservativ sind und keine Freunde des Bahös. Dennoch ist diese rechte, nationalistische Subkultur natürlich ein Problem.

Die jungen Austrotürken, die sich mit jungen Austrokurden ein paar Scharmützel geliefert haben, sind aber dennoch etwas anderes. Sie sind hier aufgewachsen, zur Schule gegangen, sprechen hervorragend deutsch, und dennoch fühlen sie sich oft diskriminiert und herabgesetzt, und einige von denen entwickeln dann so einen Gegenstolz, von der Art: „Wenn man mich hier nicht mag, dann bin ich stolz auf mein türkischsein, darauf, dass ich Moslem bin.“ Radikale Ideologen haben leichtes Spiel, wenn sie diesen Kids sagen: „Ihr werdet sowieso nie hier dazu gehören. Man gibt Euch hier keine Chance.“ Zum Teil ist das auch nichts anderes als halbstarke Buben-Jugendkultur, wie wir sie aus allen Gesellschaften kennen, nur eben mit anderen Symbolen.

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Das rechtfertigt keinen nationalistischen Hetzer und faschistischen Grauen Wolf, aber dennoch ist es wichtig, zu verstehen, warum sich ein 14jähriger in nationalistische Großmannsgesten flüchten kann und an den Lippen jener hängt, die ihm erklären, Türkentum ist Quelle des Stolzes. Da waren auch viele Graue Wölfchen auf der Straße, Graue Welpen.

Also: Die Austrotürken sind bei weitem nicht alle gleich, sondern jeder ist anders. Nationalistische Krawallmacher sind eine kleine Minderheit. Dass es bei kurzen Scharmützeln blieb, ist sowieso ein gutes Zeichen. Denn das waren schon explosive paar Tage. Dass sich das so schnell beruhigt hat, daran haben wohl viele Menschen mitgewirkt, auf allen Seiten. Und darauf können wir in Wien auch ein bisschen stolz sein.

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