Der Mann mit dem Koks ist da

Der U-Ausschuss zeigt jetzt schon ein Sittenbild: Windige Typen in der Politik.

„Österreich“, Juni 2020

Stellen wir uns für einen Augenblick vor, ein Mann steht vor Gericht, weil er einen anderen Mann erschlagen, zerstückelt und in die Hausmauer einbetoniert hat. Und stellen wir uns weiter vor, die Tante von der geschiedenen Gattin des Opfers sagt, der Getötete war ein bisschen arrogant und unsympathisch. Dann wird der Staatsanwalt den Mord wortreich anklagen, der Anwalt des Mörders wird wohl pathetisch darauf hinweisen, dass das Opfer seine unsympathischen Seiten gehabt hat.

Würden wir dann sagen: bei der Aufklärung der Tat gibt es ein juristisches „Hickhack“, und es zeige sich, dass ja alle Dreck am Stecken haben?

Nein. Niemand käme auf die Idee, diese Kriminalgeschichte mit der zugrundeliegenden Botschaft „alle Menschen sind schlecht“ zu erzählen und Mord und Arroganz gleichzusetzen.

Aber bei der Berichterstattung über den U-Ausschuss zu Ibiza und der Korruption der ÖVP-FPÖ-Regierung haben viele Menschen den Eindruck, dass da nun die einen anklagen, die anderen sich verteidigen, dass das alles nur passiert, um kleinliche politische Vorteile zu erlangen: Hickhack eben. Alles zu tun, dass dieser Eindruck entsteht, ist in der Politik ein beliebtes und daher auch routinemäßig verwendetes Mittel: statt aufzuklären, in den Gegenangriff über gehen. Erwischte Täter entschuldigen sich eher selten für ihre Handlungen, stattdessen versuchen sie den Eindruck zu erwecken, alle anderen wären ja nun auch nicht sauber. Die Ertappten haben ein unmittelbares Interesse daran, soviel Mist wie möglich aufzuwirbeln, dass die Wähler möglichst verwirrt sind. „Wenn du im Dreck sitzt, dann schalte den Ventilator an“, ist das Politberater-Sprichwort. Botschaft: damit der Ventilator den Schmutz ordentlich auf alle verteilt. Im Extremfall stellst du dich als Opfer dar, das gemein kritisiert wird.

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Deswegen sollten wir ein paar Dinge auch klar auseinander halten: beim U-Ausschuss geht es nicht darum, dass Regierungsparteien ihnen wohlgesonnene Personen in Leitungspositionen gebracht haben – sondern dass sie das auf illegale Weise getan haben, dass sie Gesetze gegen Geldzuwendungen verkauft haben, dass völlig inkompetente Figuren an Schlüsselpositionen gespült wurden, dass bei Bestellungsvorgängen Rechtsbeugung betrieben wurde. Es geht dabei um die unverschämte Art, wie die FPÖ-Granden, Strache, Gudenus und andere, das betrieben haben und um die unfassbar Blödheit, all das auch noch per SMS zu dokumentieren. Es geht aber auch um die Machtnetzwerke der ÖVP, die diese über das Land legt, da sie seit 1986 unnunterbrochen regiert und in vielen Bundesländern seit Ewigkeiten alle Institutionen im Griff hat. Demnächst wird auch der Bundeskanzler aussagen. Wir wissen jetzt schon was er sagen wird: alles normal, natürlich unterhält man sich über Personalentscheidungen, und wenn etwas kriminell lief, dann heißt er Hase und weiß von nichts.

Was der U-Ausschuss aber auch jetzt schon zeigt, ist ein Sittenbild. Halb illegal, halb legal wird hier agiert, nie im Interesse des Landes, stets im Interesse der eigenen Leute und der reichen Gönner und betrieben wird das alles von halbseidenen Figuren, die mittels verschiedenster Substanzen recht häufig bei ihrer Arbeit umnebelt sind. Koks ist die Droge derer, die glauben, sie leben ein Leben aus Schnelligkeit und Gewitztheit und sie seien grandiose Leute, da Koks dieses Gefühl, ganz gigantisch und der tollste Hecht im Karpfenteich zu sein, bekanntlich noch verstärkt.

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