Der rechte Linke

Ein wandelnder Widerspruch: Vor 30 Jahren ist Bruno Kreisky gestorben, der glänzendste Staatsmann, den Österreich im 20. Jahrhundert hatte.

30 Jahre ist es jetzt her, dass Bruno Kreisky gestorben ist. Nicht einmal 79 Jahre war er damals alt, aber schon schwer krank, eingetrübt vom Pessimismus und Gereiztheit. Überraschend kam der Tod des wahrscheinlich glänzendsten Staatsmannes, den Österreich im zwanzigsten Jahrhundert hervorgebracht hat, nicht. 13 Jahre hatte Kreisky als Bundeskanzler amtiert, er war nicht nur der erste, der die SPÖ – die damals noch „Sozialistische Partei“ hieß – zur stärksten Partei machte, er eroberte auch bei drei Wahlen ab 1971 hintereinander eine absolute Mehrheit. Das alleine ist heute unvorstellbar, aber Kreisky war auch eine außergewöhnliche Figur.

Er verkörperte so viele Identitäten. Da ist zunächst einmal der Sohn aus wohlhabendem, bürgerlichem Elternhaus, der schon früh zu den sozialistischen Mittelschülern ging und sich in der Arbeiterbewegung engagierte. Der Mann mit großbürgerlichem Habitus, der einer Arbeiterpartei vorstand. Da ist der Jude Kreisky, der es schaffte, in einem Land mit antisemitischer Tiefenprägung von mehr als der Hälfte aller Wählerinnen und Wählern die Stimme zu erhalten. Da war der Intellektuelle Kreisky, aber auch dieser typische Wiener, der das „Wienerische“, den Witz, den Sprachwitz, die Kaffeehauskultur, den Geistreichtum, ausstrahlte, jene Mentalität, die in die Literatur- und Geistesgeschichte einging und heute das Image unseres Landes in aller Welt prägt. Und da war natürlich auch Kreisky, dieser Geistesmensch, der nichts Abgehobenes an sich hatte, so dass ihm die einfachen Leute vertrauten, obwohl er sich nicht mit populistischen Sprüchen anbiederte. Es ist schon ein bemerkenswertes Facettenreichtum, das Kreisky verkörperte. Eines seiner Lieblingszitate war „der Mensch in seinem Widerspruch“ und Kreisky selbst war ein wandelnder Widerspruch.

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Als politischer Aktivist wurzelte er in den zwanziger und dreißiger Jahren, im Roten Wien. In der legendären Arbeiterkultur. Am Aufstand gegen die Dollfuss-Diktatur war er am Rande beteiligt, im Widerstand danach war er schon eine Zentralfigur. Die Austrofaschisten warfen ihn ins Gefängnis, eine große Rede beim Prozess gegen die „Revolutionären Sozialisten“ machte ihn schon als 25jährigen berühmt. Das Nazi-Regime zwang ihn dann ins schwedische Exil, wo er danach auch als Diplomat bis 1950 blieb. Und trotz dieser Verwurzelung in Geschichte war er Ende der Sechziger Jahre der große Modernisierer der Sozialdemokratie. Er schüttelte Staub und Ballast ab, nur so konnte er seine Partei mehrheitsfähig machen. Er war schon selbst nicht mehr jung, hatte auch schon fast zwanzig Jahre in der Regierung und der Spitzenpolitik hinter sich und wurde doch Verbündeter des Zeitgeistes der sechziger Jahre. Hört man sich Kreiskys erste Regierungserklärung an, ist das noch immer fast unfassbar: Im Stakkato entwirft er einen Wirbelwind der Erneuerung, die ÖVP-Abgeordneten, die nicht fassen wollten, dass jetzt ein Roter regiert, tobten wie Rotzbuben. „Wir schaffen das moderne Österreich“, war seine Botschaft und er traf damit den Nerv der Zeit.

Kreisky war ein Linker, der wusste, dass er die Menschen nicht überfordern dürfe. „Solange ich regiere, wird in Österreich rechts regiert“, sagte er einmal mit seiner typischen Ironie, bei der klar war, dass das einerseits nicht ganz ernst gemeint sei, aber doch einen wahren Kern hatte. Kreisky war auch ein Taktiker, der wusste, dass man sich zu viele Konflikte nicht leisten konnte, wenn man Mehrheiten gewinnen will. Er umgarnte auch alte Nazis und vertraute auf deren Fähigkeit zur Läuterung. Schließlich waren das ja auch Wählerstimmen.

„Man muss die Menschen gern haben“, das war eine seiner Leitlinien, die er noch vom legendären Victor Adler übernahm und sein Lehrer Otto Bauer gab ihm den Rat: „Sprechen sie immer schön langsam und auch sonst so, dass sie die Leute auch verstehen.“ Als Rhetoriker war er ein Künstler, der nicht mit Erfolgen prahlte, sondern ruhig über Gelungenes sprach, genauso über Misslungenes und die Bürger damit in ein Gespräch darüber verwickelte, was man noch besser machen könnte. Am Ende seines Lebens sah er viele Errungenschaften von Demokratisierung und Sozialstaat gefährdet. „Mich hat eine gewisse Unruhe erfasst“, sagte er bei einem Gespräch in seinen letzten Lebensjahren.

Insider, Juli 2020

Ein Gedanke zu „Der rechte Linke“

  1. Ich machte im konzerthauskeller für das Volkstheater einen Brecht Abend mit Liedern u Gedichten . Kreisky kam in eine Vorstellung , in der Pause wünschte er mich zu treffen. Er erzählte, dass er mit Brecht in Stockholm im gleichen Hotel logierte.
    Nach einer Woche bekam ich von ihm einen Scheck für die Eintrittskarte.

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