Die Wut der Vernünftigen

Alle reden von der kleinen Gruppe der Corona-Spinner. Aber es gibt auch den Zorn der Vernünftigen – und er ist ein stiller Zorn.

Es gibt die kleine Gruppe an Egozentrikern und auch total Verrückten, die meinen, dass es die Corona-Seuche gar nicht gibt, dass das Virus eine Erfindung von düsteren Strippenziehern sei, dass die Impfung fürchterliche Nebenwirkungen habe, die viel schlimmer wären als das „kleine Gripperl“ und dass wir in einer Diktatur leben würden, die böswillige Herrschende über uns errichten. Es sind im Endeffekt moralisch verkommene Egoisten oder weltfremde Spinner, die glauben, etwas Unangenehmes würde weggehen, wenn man es nur ignoriert, so wie die Kinder, die sich die Augen zuhalten und meinen, das Ungeheuer könne sie dann nicht sehen.

Diese Gruppe ist laut.

Es gibt aber auch die stille Wut in unserer Gesellschaft, sie bekommt überhaupt keine Aufmerksamkeit und wird daher stark unterschätzt. Der deutsche Autor und „Spiegel“-Kolumnist Sascha Lobo hat sie den „Zorn der Vernünftigen“ genannt.

Es ist der Zorn über Regierende, die in der Pandemie nicht einfach ihre Arbeit tun, sondern eine Show nach der anderen abziehen. Die nur an Umfragen denken und in elf Monaten Pandemie mal „alles wieder gut“ verkünden und wenn sich dann herausstellt, dass das keineswegs der Fall ist, Zuwanderern die Schuld geben, das Virus „eingeschleppt“ zu haben. Es ist der Zorn über Politiker in Bundesregierung und in den Ländern, die keine Vorbereitungen treffen.

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Seit einem halben Jahr wissen wir, dass eine Impfung die einzige Chance ist, unser normales Leben wieder zurück zu bekommen. Es wäre die Aufgabe von Regierenden gewesen, hier mit aufgekrempelten Ärmeln und riesigen Stäben Tag und Nacht eine Kommandostruktur aufzubauen, damit die Impfaktion sofort mit Elan los gehen kann.

Man würde sich Politiker wünschen, die sagen: „Ich tue alles, dass im Sommer die Mehrheit der Menschen geimpft sein kann. Ich kann nicht versprechen, ob wir das schaffen. Aber ich werde alles dafür tun.“ Stattdessen haben wir welche, die es mit Gemütlichkeit versuchen.

Man wünscht sich Politiker, die nicht dauern Bullshit von sich geben. Niemand will mehr hören, dass wir den Lockdown „am 24. Jänner beenden“. Wir alle wissen: Wie es weiter geht, hängt von Infektionszahlen ab und nicht vom Terminkalender.

Dieser Zorn der Vernünftigen entzündet sich an der skurrilen Unlogik der Anti-Seuchen-Maßnahmen. Unternehmen dürfen ihre Beschäftigten in Büros pferchen, aber Kinder dürfen nicht einmal zwei Freunde zum Spielen einladen. Künstler müssen seit einem Jahr von der Hand in den Mund leben, aber die Big Spender von Sebastian Kurz träumen noch immer von den Schiferien im Februar. Eine Gaga-Regierung führt uns durch die schwerste Krise seit Menschengedenken.

Dieser Zorn wird aber kaum wahrgenommen und kann sich auch nicht gut in Meinungsumfragen niederschlagen. Es gibt eine regelrechte Demokratiekrise, denn der unfähigen Regierung steht eine Opposition gegenüber, die einem genauso oft die Haare raufen lässt. Klar, eine Opposition hat es in so einer Krise schwer, da sie kaum beweisen kann, dass sie es besser machen würde. Aber die SPÖ sagt mal dieses, mal das Gegenteil. Einmal sagt die Vorsitzende kluge Dinge, dann sagt wieder jemand Unfug. Ist ein Lockdown unvermeidlich, stimmt sie im Parlament dennoch dagegen. Klare Linie: Nicht erkennbar. Bei den Neos ist es noch schlimmer, von denen ist nur zu hören, dass sie sofort die Schulen total öffnen würden, völlig egal, wie die internationalen Daten über die Infektion von Kindern und Jugendlichen sind. Und von der FPÖ wollen wir gar nicht reden, die sich zum Sprachrohr der Realitäts-Leugner macht und sowohl gegen Tests, gegen Lockdown und gegen das Impfen wettert. Was wollen die eigentlich? Dass wir ewig eine Seuche haben, bis zigtausend Menschen gestorben sind? Viele Menschen halten sich da dennoch zähneknirschend an eine Regierung, die dauernd schlampt, als an eine Opposition, der man auch nichts zutraut.

2 Gedanken zu „Die Wut der Vernünftigen“

  1. Hallo Herr Misik. Ich bin ein großer Fan von Ihnen. Bitte beraten Sie unsere Pamela intensiver. Meiner Meinung nach dürfen wir nicht für Zwangsmaßnahmen (Freitesten oder sonstigen Schwachsinn) mitstimmen. Ich habe schon vor 5 Monaten zu Christian Deutsch gesagt sie sollen sich darum kümmern, den Menschen die Angst zu nehmen. Weiters glaube ich das in der SPÖ auch Impf Gegner ihre Bedenken äußern dürfen ohne gleich als Verschwörungstheoretiker abgestempelt zu werden. Warum lassen wir nicht zu dass Virologen, Ärzte und Wissenschaftler mit unterschiedlichen Anschauungen miteinander diskutieren.
    Freue mich über jeden Artikel von Ihnen
    Bgm Schabetsberger Franz Riedau

    1. Weil Meinungen oder Glauben nicht gleichberechtigt neben Fakten stehen können.
      „Menschen die Angst nehmen“ ist zweitrangig, bitte erst mal die Pandemie bekämpfen.
      „Impfgegner“, was auch immer das sein soll, ist unwissenschaftlicher Quatsch und hat in einer Debatte nichts verloren.

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