„Natürlich“ ist der frühe Tod

Vor 150 Jahren waren die Kickls ihrer Tage gegen Eisenbahnen, weil die „unnatürlich hohen Geschwindigkeiten“ gefährlich seien.

Unlängst fragte mich ein Handwerker und Gewerbebetreibender. „Herr Misik, warum ist unsere Politik so verrückt?“ – Da ich nicht wusste, worauf er hinaus wollte, fragte ich nach. „Na, wieso ist bei uns die Opposition so deppert?“ Das fragen sich viele Menschen. Wir haben zwar eine Regierung, die haarsträubende Fehler macht, aber eben auch eine Opposition, die haarsträubend blöde Forderungen aufstellt. Den Vogel schießt hier immer die FPÖ ab. Die ist gegen Tests, sie ist gegen Lockdowns und schürt jetzt auch die Impfskepsis. „Die Österreicher sollen Versuchskaninchen sein“, wettert Herbert Kickl, der Horrorclown des Parlaments. Man fragt sich, was der eigentlich will. Pandemie für ewig? Durchseuchung, bis halt 100.000 Leute tot sind?

Dass diese skurrilen Phrasen auf fruchtbaren Boden fallen, hat aber auch mit der Wissenschaftsskepsis zu tun, die wir uns – teilweise aus guten Gründen – antrainiert haben. Wissenschaftler haben schließlich nicht nur für phantastische Fortschritte gesorgt, sondern auch die Atombombe entwickelt, die Medizin hat fürchterliche Krankheiten besiegt, aber wir wissen auch, dass die Pharmaindustrie primär auf ihre Profite schaut.

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Das Gekeppel, dass der Fortschritt vor allem negative Effekte habe, gibt es seit Jahrhunderten. Schon als vor 150 Jahren die Pferdefuhrwerke durch die Eisenbahn ersetzt wurden, warnten die Kickls dieser Tage, diese „unnatürliche Geschwindigkeit“ würden die Menschen nicht überleben.

Die billigen Anti-Fortschritts-Phrasen sind einfach absurd. Als noch die Kinderlähmung und die Pocken und die Tuberkulose wüteten und die Lebenserwartung 60 Jahre war, da war sicher alles besser, ganz bestimmt.

Sicherlich: Die Spitzenmedizin ist nicht „natürlich“. „Natürlich“ ist der frühe Tod.

Ginge es nach Schlaumeiern wie Kickl und anderen, würden wir noch auf den Bäumen sitzen.

Ein Gedanke zu „„Natürlich“ ist der frühe Tod“

  1. Journalisten fragen viel zu wenig nach den Beweggründen für die heute weit verbreitete Symbolpolitik. Dem Machterhalt wird alles untergeordnet. Probleme anzugehen und zu lösen, vielleicht sogar mit parteiübergreifender Kooperation und tragfähigen, nachhaltigen Kompromissen ist für erfolgs- und umfrageorientierte Politiker viel zu mühselig. Mit einer Politik von Schuldzuweisungen, Brot und Spiele, Klientelpolitik, Verteilung von Pfünden, Ablenkung und Fakenews und brutalem Macchiavellismus wird auch die Demokratie und der Rechtsstaat ausgehöhlt. Und die Opposition und die Medien, mit sich selbst beschäftigt, untereinander Zerstritten und in eine Abhängigkeit der Mächtigen gedrängt, versagen auf allen Linien. Gute Nacht Demokratie, gute Nacht Europa und Gute Nacht Österreich.

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