Michael Häupl: „Jeder Mensch hat das Recht auf ein gutes Leben“

So wie es zwei Päpste gibt, gibt es in Wien „zwei Bürgermeister“. Den amtierenden Bürgermeister Michael Ludwig, und den unverändert ebenso populären Ex-Bürgermeister Michael Häupl. Häupl, der 24 Jahre der Stadt vorgestanden war, hat sich – nach einer überstandenen schweren Krankheit, die ihn sogar drei Wochen auf die Intensivstation brachte – eine neue große Aufgabe gefunden: Als Präsident der Volkshilfe in Wien widmet er sich der ureigenen Aufgabe der Sozialdemokratie, nämlich Armut und bittere Not und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. „Am Ende geht es um den Einzelnen“, sagt er. In einem umfassenden, launigen Gespräch von beinahe eineinhalb Stunden durfte ich mit Michael Häupl in Bruno Kreiskys Wohnzimmer über die Fehler der Bundesregierung bei der Pandemiebekämpfung sprechen, den türkisen Dauerpopulismus und das Unvermögen des grünen Regierungspartners, hier wirklich dagegen zu halten. Aber auch über Probleme der Sozialdemokratie spricht Häupl offen: Die Sozialdemokratie wird immer viele verschiedene Haltungen vereinigen und unterschiedliche Milieus umfassen, das ist ihre Stärke. Aber: „Sie spricht nicht wie die Leute.“ Es ist nicht das Problem, dass die Sozialdemokratie eine Allianz aus neuen urbanen Mittelschichten und den arbeitenden Klassen ist – das war sie immer schon, das ist das Geheimnis ihres Erfolges –, sondern dass sie in ihrer Rhetorik dem politisch-technokratischen Slang angenommen hat. „Wirklich schwierig wird es, wenn Menschen aus einer Lebenswirklichkeit kommen und diese absolutieren. Wenn man nicht begreift und annimmt, dass es auch andere Lebenswirklichkeiten gibt und man die verstehen muss.“ Sozialdemokratische Funktionäre müssen diese Lebenswirklichkeiten verstehen und auch die Instinkte und Werte der Menschen, vom Fabrikarbeiter bis zur Verkäuferin bis zum Beschäftigten bei der Müllabfuhr in einer kleinen Gemeinde am Land. Es gibt schon Funktionäre, so Häupl, „die relativ selten solchen Leuten begegnen“.

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