Genug der Taktiererei: ÖVP, SPÖ und NEOS sollten jetzt zügig eine Koalition der Erwachsenen zustande bringen.
Herbert Kickl hat ja vor einiger Zeit in seiner unnachahmlichen Höflichkeit angekündigt, er werde dem Bundespräsidenten „den Schädel gerade richten“. Er hat ihn auch eine „senil“ und eine „Mumie“ in der Hofburg genannt. Nun, die Mumie scheint in ihrem Kopf noch recht wach zu sein. Und der Schädel sitzt auch ganz fest.
Herbert Kickl denkt sich wahrscheinlich, er hätte sich besser zeitgerecht mit dem Horrormovie „Der Fluch der Mumie“ auseinandergesetzt.
Der schlaue Alexander van der Bellen hat den Parteichefs jedenfalls die Zeit für endloses Taktieren elegant abgeschnitten, indem er einerseits auf die öffentlichen Beteuerungen hingewiesen hat, die wir alle vor und nach der Wahl gehört haben, aber etwas ironisch auch in Frage gestellt hat, ob sie das wirklich ernst meinen. Jedenfalls sollen sie das bis Freitag dieser Woche klären. Es ist aber nicht wahrscheinlich, dass die ÖVP bis Freitag von ihrem Nein zur Kickl-FPÖ abgeht oder Karl Nehammer ins Ausgedinge schickt. Ebenso wenig ist zu erwarten, dass Kickl eine überraschende Karte aus dem Ärmel zieht und einen anderen Kanzlerkandidaten vorschlägt. Außerdem käme die Volkspartei sowieso in ordentliche Kalamitäten, wenn Kickl seinen Kanzleranspruch zurückziehen würde. Denn die FPÖ bliebe ja auch dann eine Kickl-FPÖ. Verrückte, Verschwörungstheoretiker, Tempelritter-Anhänger, Identitären-Fans und sonstige Rechtsradikale dominieren den Parlamentsklub der Freiheitlichen in einem Ausmaß, wie es das nicht einmal in der Vergangenheit gegeben hat.
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Die Spinnertruppe FPÖ ist nicht regierungsfähig. Selbst die meisten Rechtsaußen-Fans in der ÖVP sehen das ein, außer Leute mit Skurrilitätshintergrund wie Laura Sachslehner.
Es ist übrigens auch notwendig, jetzt glasklar zu erklären, warum man eine Regierungsübernahme von Identitären und Spinnern – Abkürzung IS – unbedingt verhindern muss. Karl Nehammer hat das diese Woche zumindest im Ansatz gemacht. Gut so. Denn nichts wäre fataler, als Kickl das Narrativ zu überlassen, der täglich trommelt: „Koalition der Verlierer“… „nur weil Nehammer mich nicht mag…“
Auch SPÖ-Chef Andreas Babler sollte sich langsam einmal öffentlich äußern. Seit dem Wahltag hat man praktisch nichts mehr von ihm gehört, und das, obwohl das Land in der heikelsten politischen Situation seit 1945 ist. Es gilt, die Machtergreifung der extremen Rechten zu verhindern. Es sind aber auch viele Menschen verängstigt und emotional angegriffen ob des Wahlergebnisses. Da sollte der Anführer der Sozialdemokratie schon einmal seine Führungsrolle auch annehmen.
Es ist auch langsam Zeit, dass das Koalitionsmikado zu Ende geht. Klar, man versteht, dass alle herumtaktieren und keiner als erster zucken möchte, um Umfälle zu vermeiden. Aber wir leben in ernsten Zeiten.
Österreich braucht keine Experimente mit einer Radikalinski-Regierung von Verschwörungstheoretikern, Corona- und Klimawandelleugnern und Gegen-Alles-Fanatikern. Für infantile Spielereien haben wir ein paar Probleme zu viel.
Volkspartei, Sozialdemokraten und Neos sollten ein kluges Regierungsprogramm ausverhandeln, und zwar schnell. Man muss das Budget sanieren, ohne die Wirtschaft abzuwürgen. Dabei muss es aber endlich einmal gerecht zugehen. Außerdem braucht es zusätzliches Geld, um in den Schulen etwas voran zu bringen, eine ordentliche Integrationspolitik ist überfällig, und außerdem drängt die Zeit im Kampf gegen die Klimakatastrophe. Zugleich ächzt die Wirtschaft unter einer Wettbewerbsposition, die sich in den letzten Jahren verschlechtert hat – und, wie viele Bürger auch, unter den Kosten der Teuerung.
Da ist eine bloße „Kickl-Verhindern-Koalition“ viel zu wenig. Ein bloßes „Weiter so“ oder gar das übliche Gegeneinander in Regierungen – das würde nur zu noch mehr Fiasko führen, zu Wirtschaftskrise und zur Demokratiekrise. Volkspartei, Sozialdemokratie und Neos werden eine ganz neue Art des Regierens brauchen, einen wirklichen „neuen Spirit“. Es braucht eine „Koalition der Erwachsenen“.
Die Bürger müssen das Gefühl bekommen, dass hier jetzt eine Allianz der Vernunft wirklich etwas weiter bringt. Das ist aber auch gar nicht so schwer. Das Land braucht Innovation, Gerechtigkeit und Liberalität. Warum sollten die Koalitionäre das nicht hinbekommen? Wenn sie sich nicht selbst im Weg stehen, dann sollte das keine Raketenwissenschaft sein.