Kolonisiert von der Kultur

Fredric Jameson, der große Theoretiker der Postmoderne, ist gestorben.

taz, September 2024

Mehr als fünfzig Jahre ist Fredric Jameson der vielleicht einflussreichste marxistische Kritiker und Literaturtheoretiker gewesen – und womöglich dennoch nur Eingeweihten ein Begriff. Jameson ist dieser Typus des Theoretikers, dessen Gedankenreichtum von weniger hermetisch schreibenden Autoren popularisiert wird. Am Wochenende ist Jameson neunzigjährig verstorben.

Seine Arbeiten beschäftigten sich mit Adorno und Wagner, mit Sartre und Benjamin, mit Architektur und Landschaft, mit Rem Koolhaas, Moderne und Modernismus. Er war ein packender Lehrer, zuletzt an der Duke University in Durham. Sein einflussreichstes Opus Magnum war wohl „Postmodernism. Or, The Cultural Logic of Late Capitalism“ aus 1991.

Beklagt die übliche linke Theorie bisweilen, dass die Kultur ökonomisiert wird, zeigte Jameson schon vor bald 35 Jahren, dass das Gegenteil genauso wahr ist: dass die Ökonomie vollständig kulturalisiert wird. „Das Kulturelle und das Ökonomische kollabieren gleichsam ineinander und bedeuten das selbe.“ Wirklich alles – wirtschaftliche Werte, die Natur, unsere Gefühle – verwandeln sich in Bilder, Images, und werden „kulturell in einem noch recht untheoretischen Sinn.“ Jameson: „Das Kulturelle wirkt heute auf die Realität in einem Maße zurück“, dass eine reine, nicht vom Kulturellen geprägte Realität gar nicht mehr vorgestellt werden kann. Architektur wird etwa zur Signal-Architektur, die Menschen selbst werden nur mehr zur „Umwelt“ der Bedeutungsproduktion, was etwa zu einem „Quantensprung der Entfremdung des täglichen Lebens in der Stadt wird.“ Und wie wir sehen, ist voraussetzungsreich.

Insofern war die Postmoderne für Jameson nicht bloß ein Stil unter möglichen anderen, schon gar keine Weltanschauung, die mit anderen in Konkurrenz stünde, „sondern die kulturelle Logik des späten Kapitalismus“. Alles wird kolonisiert von Werbung, von der Natur bis zum Bewusstsein. Jedes Ding hat seine „Sprache“, der Strukturalismus war demnach für Jameson der Versuch „alles unter linguistischen Gesichtspunkten noch einmal neu durchzudenken“.

Wenn Stil und Ausdrucksweise eine „Sprache“ ist, jede Aussage einen doppelten Boden hat, dann auch Theorieproduktion: „Was gesellschaftlich so kränkend an ‚theoretischen‘ Texten wie den meinen ist“, bemerkte Jameson, „ist nicht allein deren Kompliziertheit, sondern dass sie Signale der höheren Bildung mitsenden, also des Klassenprivilegs“.

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