Lasst frische Luft herein!

Warum unsere Regierungsverhandler aufhören müssen, wie „gelernte Österreicher“ zu ticken.

Es gibt diese sarkastische Redewendung vom „gelernten Österreicher“, ich denke, die meisten haben sie schon dann und wann gehört. Der „gelernte Österreicher“, so der Beiklang dieser Redewendung, der wisse, dass frohgemuten Absichtserklärungen zu misstrauen sei, aus guten Vorsätzen sowieso nie etwas wird, Ambitionen sowieso versumpfen und alle Anstrengungen, gut zu regieren, am Ende im landesüblichen Sumpertum verenden. Der „gelernte Österreicher“ erwartet meist das Schlimmste und ist in einem stoischen und freudlosen Gemütszustand. Er ist aus Erfahrung erwartungsarm.

Diese wurschtige Gestimmtheit und der Hang zum Herumgekepple ist natürlich auch eine nette Sache, sie macht den Charme des Österreichischen aus.

Dieser vorsorglich deprimierte Wirklichkeitssinn hat gute Gründe auf seiner Seite, nämlich das Wissen um die hiesigen Gepflogenheiten, ist aber andererseits selbst Teil des Problems, das er so gerne beklagt. Jede gute Absicht zerschellt an der Antriebslosigkeit dieses gelernten Österreichertums, an der Bequemlichkeit des Eh-Schon-Wissens, an der mangelnden Bereitschaft, etwaige Ambitioniertheiten zu bestärken, kurzum, er zieht selbst die Begeisterten und Motivierten runter. Womöglich sollten wir ja ein wenig versuchen, „verlernte Österreicher“ zu werden. Der große Victor Adler hat einmal den schönen Satz geschrieben, „wir wollen nicht gemütlich sein“, und damit hat er gerade das gemeint, diese landestypische Antriebslosigkeit.

Jetzt verhandeln also Nehammer und Babler, Volkspartei und Sozialdemokraten über eine Koalition und sie werden wohl auch die Neos dazu ziehen. Und ich kenne meine Pappenheimer, also Sie, liebe Mitbürger, aber auch die politischen Führungskräfte, die sich jetzt zusammenraufen müssen.

Das Publikum, also die Bürgerschaft und Wählerschaft, ist skeptisch, dass bei den drei Parteien wirklich etwas Gutes herauskommen könnte. Koalitionspartner verhaken sich schon bei den Verhandlungen, sie ziehen in unterschiedliche Richtungen, zudem gönnen sie sich gegenseitig keine Erfolge, den Wählern, also Ihnen, wagen sie nichts zuzumuten, und im Regierungsalltag werden sie ihre Hauptenergie darauf verwenden, sich gegenseitig zu behindern – so in etwa die Erwartung. Bei den Parteien wiederum ist das so: Die Konservativen misstrauen den Sozialdemokraten, die Sozialdemokraten den Konservativen, die Neos gleich beiden. Man geht mit Erwartungshaltungen in die Gespräche, die man hierzulande einen „gesunden Realismus“ nennt, was heißt, die Erwartung ist irgendwo im Minusbereich.

Eine Regierungsbildung, wie wir alle sie uns wünschen sollten, muss zuallererst mit diesem „gelernten Österreichertum“ aufräumen. Auch unterschiedliche Partner können etwas voranbringen: Eine Wirtschaftspolitik, die Wachstum schafft, eine Energiepolitik, die die Strompreise senkt und die Kosten für die Unternehmen, eine Verteilungspolitik, die für Gerechtigkeit sorgt, eine Bildungspolitik, die die Chancen aller hebt, und damit gleich eine gute Integrationspolitik ist, dazu „die Fenster auf und frische Luft rein lassen“… usw. Warum sollten das Politiker, die wie vernünftige Erwachsene handeln, nicht hinbekommen? Zumal sie, wie zu hoffen ist, ja endlich den Schuss gehört haben. Ich glaube, da könnte etwas Gutes rauskommen. Wir sollten die Erwartungen nicht nach unten, sondern nach oben schrauben – nicht zuletzt als Ansporn und Stimulanz für die Verhandler.

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