Die bizarre Unterwürfigkeit hiesiger Pseudoliberaler gegenüber Elon Musk zeigt eine Untertanenmentalität.
taz, Schlagloch, Jänner 2025
Christian Lindner, der gerne ein Rechtspopulist für Villenbewohner wäre, war merklich betrübt, dass der bewunderte Multimilliardär Elon Musk auf seiner Fake-News-Plattform die Werbetrommel für die AfD rührte, statt seine – nämlich Lindners – Qualitäten ausreichend zu würdigen. „Elon“, schrieb er ranschmeißerisch, „ich habe eine Politikdebatte angestoßen, die von Ihren und Mileis Ideen inspiriert ist. Während die Migrationskontrolle für Deutschland von entscheidender Bedeutung ist, stellt sich die AfD gegen die Freiheit, die Wirtschaft – und sie ist eine rechtsextreme Partei. Ziehen Sie keine voreiligen Schlüsse aus der Ferne. Lassen Sie uns treffen, und ich zeige Ihnen, wofür die FDP steht.“
In dem Augenblick, als man diese Bettelei las, war man froh, dass der Begriff des „Fremdschämens“ schon erfunden war.
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Elon Musk freilich dürfte unterwürfige Briefchen der deutschen Stützen der Gesellschaft gewohnt sein. „Warum kaufst du nicht Twitter“, schrieb ihm „Springer“-Boss Mathias Döpfner seinerzeit und bot gleich an: „Wir managen es für dich“. Musk antwortete nur knapp „Interessante Idee“. Musk hatte die offenbar schon vorher, nur ohne für Döpfner in ihr eine Rolle vorzusehen. Einige Tage später, der Deal war da schon über die Bühne, fasste der „Springer“-Chef nach und pries seine Dienste an: „Klar, lass uns gerne reden“, gab Musk nach ein paar Stunden zurück. Dann wieder eine schnörkelvolle Nachricht Döpfners, und abermals ein maximal kurzes „Klar“ zurück. Döpfner schreibt wieder, bekommt nichts mehr zurück, legte dann ein paar Tage später noch einmal nach, säuselt und schleimt und insistiert, „ich würde sehr gerne Twitters Zukunft diskutieren, wenn du bereit bist. So aufregend.“ Eine halbe Stunde später kommt dann laut „Spiegel“ die letzte Nachricht des Tesla-Chefs: „Interessant“.
Jeder Digital Native weiß natürlich, wenn man jemanden elaborierte Liebes-, Bewunderungs- und Anbiederungstexte schreibt, und darauf mal ein schmallippiges „klar“ oder ein kaum begeistertes „interessant“ zurück bekommt, dass man die Nachrichten nicht buchstäblich lesen darf, sondern im Kontext interpretieren muss. Die Botschaft ist: „Gib Ruhe, Du Nervensäge“. Früher hätte man das genannt, „zwischen den Zeilen lesen“. Was natürlich in diesem Zusammenhang eine unangebrachte Formulierung wäre. Musk gönnte Döpfner ja nicht mal einen Plural an Zeilen, zwischen denen man lesen könnte.
Die Lektüre dieser Textkommunikationen setzte bei mir sofort Überlegungen über den Typus des deutschen Kriechers in Gang. Immerhin haben wir es bei Lindner und Döpfner nicht mit Untergebenen zu tun, die von den Launen eines Dienstherrn oder Hochwohlgeboren abhängen, und wegen eines Abhängigkeitsverhältnisses in eine zwar unschön anzusehende, aber irgendwie nachvollziehbare Bücklingshaltung gezwungen werden. Vielmehr sehen sie sich als die Mover und Shaker, wissen wohl in ihren Kreisen als die Stützen der Gesellschaft zu renommieren, und fallen ohne erkennbare Not in eine Tonalität der Servilität.
Heinrich Mann hat in seinem Roman mit dem kanonischen Titel „Der Untertan“ den Mechanismen ein Denkmal gesetzt, wie alle sozialen Beziehungen durch Macht durchzogen sind und diese Machteffekte auf nahezu jeder Stufe der sozialen Hierarchie einerseits Selbstrespekt untergraben, das Empfinden von Entehrung sich zugleich aber in Gemeinheit und Herablassung gegenüber Niedriggestellten verwandelt. Die Macht wandert in die Subjekte ein und versehrt sie, sogar die Mächtigen, die immer noch einen anderen Mächtigen finden, vor dem sie ihre Schleimspuren ziehen. Noch bei den scheinbar selbstbewusstesten Typen zeigen sich die Narben auf offensichtlich verwundeten Seelen.
Bemerkenswert: Die Macht und das scheinbare Imponiergehabe sind selbst bei den Gewinnertypen offenbar ein dünner Firnis, unter dem die Bereitschaft zur Unterwürfigkeit schlummert. Ein kleiner Dienstbote und Untertan steckt am Ende in ihnen und ist nicht rauszukriegen.
Das ist insofern interessant, als unsere Protagonisten Individualismus und Autonomie hochhalten, diese sogar in den schrägen, autoritären „Libertarismus“ eskalieren lassen, also die Idee, dass dem Starken – „Leistungsträger“ genannt – jedes Recht gebührt und den anderen nur die Pflicht zur Huldigung zusteht. Mit diesem Pathos des Individualismus sind nicht nur die Freiheitsrechte und die Souveränität des eigenverantwortlichen Subjektes verbunden, sondern meist ist das ja auch von der Vorstellung einer Würde dieses Subjektes grundiert. Der linke Philosoph Ernst Bloch sprach einst von den „Tagträumen vom aufrechten Gang“, und auch wenn radikale Libertäre bei Gott keine Linken sind, hätte man doch vermutet, dass sie den Imperativ des aufrechten Ganges, nämlich den Kopf erhoben zu tragen, mit den Linken teilen.
Die Vorstellung vom autonomen Menschen ist von einem Menschenbild gespeist und verbunden mit Würde und Menschenwürde, sowie einem Freiheitspathos, das diesen autonomen Menschen, wie Thomas Mann meinte, „ungeeignet zum Fürstenknecht“ macht. Anders gesagt: Sie verträgt sich schlecht mit Kriechertum und Würdelosigkeit.
„Würde“ ist ein altmodisches Wort, das auch Beiklänge von „Ehre“ hat, genauso wie von Selbstrespekt. Faktisch alle Revolten der Geschichte waren und sind bis heute in irgendeinem Sinne auch „Revolten der Würde“, man muss da nur an die Arbeiterbewegung denken, die darauf bestand, dass einem Respekt für harte Arbeit zusteht und dass es entehrend ist, wie eine Nummer oder ein Bückling behandelt zu werden. Ähnliches gilt für Erhebungen gegen die Sklaverei oder deren Nachwirkungen oder für antikoloniale Auflehnungen. „Eine erniedrigte Gruppe, die ihre Würde wiederherstellen will, verfügt über weit mehr emotionales Gewicht als eine, die nur ihren wirtschaftlichen Vorteil verfolgt“, formuliert der liberale Politiktheoretiker Francis Fukuyama. „Letztlich ist es das innere Gefühl der Würde, das nach Anerkennung drängt.“ Subalterne, also untergeordnete und erniedrigte Gruppen kämpfen stets nicht nur um formale Rechte oder materielle Besserstellung, sondern auch um ihren Selbstwert.
Gerade angesichts dessen ist es so erstaunlich, wenn man ausgerechnet die Wohlsituierten und die Hautevolee beim peinlichen und spießigen Ranschleimen und faktisch bei der Selbsterniedrigung ertappt.
Danke sehr guter, ja amüsanter Text. Ich wohne in Italien und kann sagen dass das Schleimertum international ist.
Es enttäuscht natürlich am meisten bei den Linken wo auch immer das ist, Österreicht, Schweiz, Deutschland und eben Italien, wo die Linken es verpasst haben die G. Meloni zu verhindern.
Ich lese gerne Ihre Artikel.
danke für Ihr Engagement
Francesca Carbone