Wie ich vor fünfzehn Jahren nach Rostock fuhr und seitdem den Popdiskurs präge

Eigentlich sind Poptheorie und -diskurs ja nicht meine großen Stärken. Dennoch präge ich dieses Genre seit 15 Jahren, was ich erst jetzt richtig bemerke. Das kam so: Vor 15 Jahren fand in Rostock ein ausländerfeindliches Pogrom statt. Da sich das angekündigt hatte, war ich aus Berlin rechtzeitig angereist – was mich, nebenbei gesagt, von der Polizei unterschied. Die hatte nur ein paar Mecklemburger Regimenter vor Ort und war deshalb restlos überfordert.

Jedenfalls sahen die Jugendlichen in Rostock, die dort ein Ausländerwohnheim abfackelten, nicht alle nach Nazi aus. Ich schrieb damals in meinem Report für "profil":

Der 16jährige Alex fand die Randale einfach "bullig". Eigentlich lebt er gerne in Lichtenhagen, erzählt er. "Wenn die alle erst einmal weg sind, ist das das beste Viertel hier." Außerdem hätte er Spaß daran, daß hier endlich einmal etwas los ist. Von einem Skinhead hat Alex nichts an sich. Ein schickes rotes Stirnkäppchen trägt er am Kopf. "Malcolm X" steht auf der Stirnseite, der Name des militanten schwarzen Bürgerrechtlers aus den USA.

Wie ich vor fünfzehn Jahren nach Rostock fuhr und seitdem den Popdiskurs präge weiterlesen

Lost in Transplantation

 

„Bin reich, krank und suche Niere“. Das globale Geschäft mit Körperteielen boomt. Besonders bizarr: In China werden Hingerichtete förmlich ausgeweidet. Jetzt nimmt UN-Sonderermittler Manfred Nowak die makabre Praxis auf’s Korn.  profil, 12. März 2007

 

 

Mabel Wu kümmerte sich nicht um die Bedenken ihres Facharztes. Gegen seinen Rat reiste die 69jährge aus Northridge, einer ruhigen Vorstadt von Los Angeles, im vergangenen Juli in die südchinesische Boomcity Dongguan in der Provinz Guangzhou. Dort wollte sie sich für 40.000 Dollar eine neue Niere beschaffen. Man teilt ihr bald nach ihrer Ankunft mit, dass diese von einem 30-jährigen Mann stamme. In dem Krankenhaus in Dongguan befanden sich noch vier weitere Patienten, alle aus Taiwan, die Nierentransplantationen hinter sich hatten. Nach ihrer Operation flog Wu zurück nach Kalifornien, „sehr glücklich“ mit der neuen Niere.

Lost in Transplantation weiterlesen

„Hoher Organisationsgrad“

Manfred Nowak, Menschenrechtsjurist und UN-Sonderberichterstatter, über seine Untersuchungen gegen die chinesische Regierung. profil, 12. März 2007

 

Sie haben sich auf Basis des kanadischen Reports zur Untersuchung der Vorwürfe entschlossen. Wie dicht ist das dokumentierte Material?

 

Nowak: Die beiden Kanadier kommen zu klaren Schlussfolgerungen. Die Indizienkette, die sie dokumentieren, gibt ein stimmiges Bild, das sehr zur Besorgnis Anlass gibt.

 

Welche Indizien genau?

 

Nowak: Dass Falun Gong seit 1999 sehr unterdrückt wird, ist ein Faktum. Ebenso unbestreitbar ist, dass ab dem Beginn der Repression gegen Falun Gong die Anzahl an Organtransplantationen massiv zugenommen hat. Auch die offizielle chinesische Medizinerorganisation weist in ihren Statistiken aus, dass es zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2005 60.000 Organtransplantationen gegeben hat.

„Hoher Organisationsgrad“ weiterlesen

Kaufen und die Welt retten

Konsumismus und Klimawandel. „Deutsche, macht in Deutschland Urlaub!“, lautet die neue Parole. Sie fügt sich in ein Stakkato ähnlicher Appelle: Mit vernünftigem Konsum soll repariert werden, was der Konsumismus angerichtet hat. taz vom 5.3. und – in etwas anderer Fassung – Falter vom 7.3. Und eine Radioversion für den Hessischen Rundfunkt kann man hier hören.

Kaufen und die Welt retten weiterlesen

Das Prinzip Celebrity oder: Was ist „Laissez-Faire-Aestetics“?

theorie & technik, die taz-kolumne. 6. März 2006

Früher hießen sie Stars, noch früher Berühmtheiten, doch das Wort der Stunde ist „Celebrities“. Celebrities, dass sind die, die jeder kennt, und weil sie jeder kennt, machen wir täglich auf’s Neue ihre Bekanntschaft. Weil ihr Grad an Bekanntheit so groß ist, dass offenbar eine ausreichende Menge an Menschen das Bekannte immer wieder lesen wollen, gibt es Zeitschriften wie „Vanity Fair“: Hochglanzpostillen, die einerseits Celebrities zu Celebrities machen, andererseits deren Celebritytum sekundär ausbeuten. Die Stars leben vom Medium, das ihr Star-Sein verbürgt, das Medium lebt von den Stars. Beide leben ganz gut voneinander.

Das Prinzip Celebrity oder: Was ist „Laissez-Faire-Aestetics“? weiterlesen

Eskalierende Predigten

Neuerdings mischen sich auch in Europa die Kleriker wieder mit Lust ins politische Geschehen ein. Die Kirchengranden nehmen sich an Ayatollahs und an Amerikas politisierenden Christen ein Vorbild. profil, 5. März 2007

Am Anfang war das Wort. Aber das ist lange her. Heute zählt der Soundbite, die scharfe Ansage, die Schlagzeilen garantiert. Das haben mittlerweile auch die Kleriker gelernt. Die neue Familienpolitik der deutschen Christdemokraten, verkündete vorvergangene Woche der Bischof von Augsburg, Walter Mixa, degradiere Frauen zu „Gebärmaschinen“.

Eskalierende Predigten weiterlesen

Wie krank muss man sein…?

Die Tageszeitung "Österreich" hat bei der jüngsten Geiselnahme in der BAWAG-Filiale in der Wiener Mariahilferstraße nicht nur mit dem Geiselnehmer telefoniert, sondern daraus offenbar auch noch ein kleines Filmchen gemacht, das auf Youtube gelangte. Kollege Arpad Hagyo, vor gefühlten Jahrhunderten mit mir gemeinsam bei der verblichenen "AZ", am Höhepunkt des journalistischen Schaffens. "Danke, Wolfgang Fellner", sagt dazu Florian Klenk. Mehr fällt mir auch nicht ein.

Doch das Gespräch zwischer dem Kidnapper in der BAWAG und dem "Märchenprinzen" aus der "Österreich"-Redaktion war nicht die einzige Groteske dieser Geiselnahme. Anrainer beschallten die Straße mit den Song "Ba-Ba-Ba-Banküberall", der Geiselnehmer wiederum hatte, weil in der Filiale alle WCs verschlossen waren, einen etwas feuchten Schritt, als er sich ergab… (wobei unerklärlich ist, warum jemand, der gerade eine Bank überfällt, was ja ein nicht ganz legaler Akt ist, noch soweit auf Formen Wert legt, dass er nicht einfach in ein Eck der Filiale pinkelt, oder in eine der Zimmerpflanzen, die dort doch in der Regel rumstehen…). Geiselnehmer (und Chronikreporter) sind doch ziemlich eigenartige Typen.

Call for Infos!

Ich recherchiere gerade an einer umfangreichen Story über den internationalen Organhandel. Was es damit grundsätzlich auf sich hat, habe ich hier schon mal beschrieben. Meine Bitte wäre nun: Wenn jemand jemanden kennt, der sich ein Organ auf den Philippinen, aus Indien oder gar aus China (oder sonstwo) geholt hat – wär schön, wenn man mir darüber nähere Informationen zukommen lassen könnte. Logischerweise werden die vertraulich behandelt. Am besten unter E-Mail an misik.robert@profil.at.

Hohle Flächen

Ein hippes Stilbrevier für coole Erfolgsmenschen und flotte Bobos hätte Vanity Fair werden sollen. Nach drei Nummern ist die Zielgruppe enttäuscht. Die ist freilich die unmöglichste Zielgruppe, die es gibt. Falter, 28. Februar 07

Man kann natürlich sagen, die deutschsprachige Vanity Fair ist bloß ein neues buntes Blatt aus der Vogue- oder Park-Avanue-Klasse. Mit dem Neunziger-Jahr-Deutschstar Til Schweiger, mit Gisele Bündchen (Grasser gab’s nur als Österreich-Mutation), mit der Hurley am Cover, mit Party-Talk und altbacken freigestellten Bilderchen von Halbprominenten. Möglicherweise ein Geschäftserfolg, aber sonst nicht der Rede wert.

Hohle Flächen weiterlesen

The Old Man and the Blog

Wie nicht anders zu erwarten, lässt Henryk Broder meine kleine Reportage von seiner Rangelei mit Friedman nicht auf sich sitzen. Er "antwortet" heute auf seiner Homepage. Ist aber, leider, nicht mal lustig geworden. Früher hatte Broder ja noch Witz. Ohnehin hege ich schon seit längerem den Verdacht, dass Broders zunehmende Durchgeknalltheit etwas mit der Unfähigkeit mancher alter Männer zu tun hat, in Würde durch ihre fortgeschrittenen Lebensjahrzehnte zu gehen.

Übrigens: Broders neuen Freund, Bischof Andreas Laun, den er gegen den Vorwurf "Christenayatollah" in Schutz nimmt, kann man hier erleben.