Gierbanker und Abzocker – eine „Neiddebatte“?


Spitzenmanger und Bonibanker werden zu „Feindbildern“ erklärt, schüttelt es die oberen Dreihundert. Nichts als Neid schlage ihnen entgegen. Aber irgendwie scheinen die etwas durcheinander gebracht zu haben. Wenn die Winner in einer The-Winner-Takes-It-All-Ökonomie die Loser verlachen und ihnen nicht einmal Krümel gönnen, sie anherrschen, sie müssten den Gürtel enger schnallen, sich einfach anstrengen (auch wenn sie den Gürtel längst aufgegessen haben), das würde man doch normalerweise eher unter „Neid“ verstehen. Oder nicht? Jahrelang hat die westlichen Gesellschaften dieser „Kralle-Dir-was-Du-kannst-und-wer-nichts-hat-ist-selber-schuld“-Geist durchweht. Und der verzieht sich nicht so leicht. Das, was die Neidigen „Neiddebatte“ nennen, ist wahrscheinlich die nützlichste Sache der Welt.

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Happy Birthday, Finanzkrise!


Vor einem Jahr kollabierte die Investmentbank Lehman-Brothers – und beinahe wäre der gesamte Kapitalismus mit untergegangen. Ganz so dramatisch kam es glücklicherweise nicht. Und da soll man auch einmal daran erinnern, was uns gerettet hat: Entschlossenes wirtschaftspolitisches Handeln der Regierungen und massive Staatsintervention. Gott sei Dank haben sich nicht einmal die Sonntagsprediger des Neoliberalismus in dieser Situation auf die unsichtbare Hand der Märkte verlassen wollen. Aber die Krise ist nicht vorbei. Die größten Entlassungswellen rollen noch auf uns zu und es drohen tiefe weitere Nachfrageeinbrüche, wenn die Regierungen ihre massiven Konjunkturstützungprogramme zurückfahren sollten. Die gute Nachricht lautet aber immerhin: Auf die unmittelbaren Herausforderungen der Krise hat die Politik rasch und klug reagiert. Freilich, es gibt auch eine schlechte Nachricht: Ob es gelingt, langfristig die Spielregeln des globalen Kapitalismus zu verändern, ist fraglicher. In der Finanzindustrie herrscht schon wieder Business as Usual, es wird weiter gezockt – nicht einmal das fatal falsche Anreizsystem der Banker-Bonuszahlungen für kurzfristige spekulative Gewinne ist verboten worden.

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Vorarlberger FPÖler sind bei uns nicht heimisch


Der antisemitische Ausfall von Vorarlbergs FPÖ-Chef Dieter Egger sorgt für öffentliche Erregung. Worüber weniger geredet wird: Eggers Verdikt gegen Hanno Loewy, ein „Exil-Jude aus Amerika“ möge sich nicht in die Innenpolitik einmischen, ging eine Kontroverse voraus, was denn eigentlich das Wort „heimisch“ bedeutet, und wer, im Umkehrschluss bei „uns“ nicht heimisch sei. Der Hintergrund der Kontroverse ist also die ideologische Konstruktion des „Heimischen“ versus des „Fremden“, dieses künstliche aggressive Auseinanderdividieren und dieses Markieren von Bevölkerungsteilen, die nicht dazu gehören, wie es generell für die FPÖ typisch ist, das aber in einem kleinen Bundesland wie Vorarlberg noch eine zusätzliche Komik erhält. Denn man bedenke: In Vorarlberg leben gerade mal knapp 390.000 Leute, wovon sicher einige zehntausend unter die FPÖ-Kategorie des „nicht-heimischen“ fallen. Bleiben, sagen wir, schätzungsweise 250.000 „Heimische“, die, legen wir die strenge FPÖ-Dichotomie von „heimisch“ – „nicht-heimisch“ – zugrunde, logischerweise in Vorarlberg heimisch und überall anders „nicht-heimisch“ sind. Robert Misik fragt: Gehören Vorarlberger FPÖler, die nicht einmal richtig deutsch können, eigentlich zu „uns“?

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Herr Jeannée und seine Neger (FS Misik Folge 91)


Täglich eine Spalte gesundes Volksempfinden – das liest man in der Kolumne von Krone-Autor Michael Jeannée. Zuletzt sorgte er mit dem Satz für Furore, „wer alt genug zum Einbrechen ist, ist auch alt genug zum Sterben“, und vergangene Woche pinkelte er Falter-Aufdecker Florian Klenk ans Bein, weil der die zwei Säcke Akten über fragwürdige Justizentscheidungen veröffentlichte. Immer geht es bei Jeannée gegen Frauen, gegen die „Gutmenschen-Bagage“ und gegen Ausländer. Wobei er im Ausland auch gute Erfahrungen mit Ausländern machte. Seine Stärke sei gewesen, erzählte er einmal, „den Neger zu finden, der ein Telefon hat“ – und der ließ ihn dann seine Storys nach Wien durchtelefonieren. Kurzum: Jeannée – Branchenname „Promillée“ – ist genau so, wie sich der kleine liberale Maxi einen abstoßenden Reaktionär vorstellt. Was muss einem im Leben widerfahren sein, damit man so wird?

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Die Gier nach dem Adrenalin-Kick (FS Misik 90)


Weshalb Florian P. in den Kremser Merkur-Markt einstieg „Er hat den Adrenalinschub gebraucht“, sagte der Bruder von Florian P., dem erschossenen 14jährigen Supermarkt-Einbrecher. Verstörend, aber wahr: Jugendlichen Einbrechern geht es selten primär um die materielle Seite der Beute, sondern um den Kick, den Thrill, die Action. Die Menschen suchen oft das Riskante, Illegale, Verbotene oder sonstwie Gefährliche, um der Langeweile zu entgehen. Und wie beim Drogenkonsum gibt es beim Adrenalinkick das Steigerungskalkül. Man will das Gefühl immer wieder und immer öfter haben. Bei Jugendlichen in unterprivilegierten Wohngegenden kommt noch hinzu: Man hängt ab im Viertel, aber im Viertel ist nichts los. Im Überfluss ist nur eines vorhanden: Zeit. Die Intensitätsgier und der Lebensappetit, der sich dadurch ausdrückt, ist gar nicht schlecht – allemal besser als Phlegma. Schlecht ist nur, wenn die Umstände danach sind, dass der Erlebnishunger in destruktive und selbstzerstörerische Bahnen geraten

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Nachts im Merkur (FS Misik 89)


Der eine ist des Einbruchs verdächtig, hat zwei Oberschenkeldurchschüsse, wird sofort vernommen und über ihn die U-Haft verhängt. Zwei Polizisten sind der fahrlässigen Tötung verdächtig, müssen zwei Tage nicht aussagen und sind auf freiem Fuß – obwohl es, wenn schon, doch eher für sie einen Haftgrund gäbe, den U-Haftgrund der Verabredungsgefahr. Schiefe Optik ist ein Hilfsausdruck. Gespannt wäre man auch auf eine Stellungnahme von Landeshauptmann Erwin Pröll. Beim letzten Mal, als Polizisten in seinem Bundesland einen Flüchtenden erschossen – was dort übrigens nicht unüblich ist-, meinte er noch, dies sei ein Signal, dass, wer in Niederösterreich etwas anstellt, mit dem Schlimmsten zu rechnen habe. Wahrscheinlich hätte er sich wieder so geäußert, wäre der Erschossene kein 14-jähriger österreichischer Bub gewesen, sondern ein 21-jähriger Rumäne. Aber so zieht der Herr Landeshauptmann, der ansonsten keine Feierstunde und keine Ortsumfahrungseröffnung auslässt, um seine markigen Sätze los zu werden, vor, kein Sterbenswörtchen zu verlieren. Während ganz Österreich im Bann des schrecklichen Unglücks von Krems steht, könnte man den Eindruck gewinnen, der Landeshauptmann sei verschollen. Auch eine Lehre aus dem Fall Krems: Einmal passiert etwas wirklich Heikles in seinem Bundesland, da taucht Erwin Pröll schon ab. So jemanden haben wir als Bundespräsidentschaftskandidat gebraucht.

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Wie Konservative denken (wenn Sie denken). Eine Uraltfolge von FS Misik


Ich werde hier in loser Regelmäßigkeit ältere Folgen von FS Misik online stellen. Diesmal Folge 32 zur Frage: Wie denken Konservative? Und warum fällt Ihnen nicht einmal auf, wie wirr ihr Weltbild ist?
Die älteren Folgen sind technisch noch ziemlich trashig.

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Der Spießbürger als Provokateur


Daniel Kehlmanns antimodernes Kunst-Ideal
Ausgerechnet die Eröffnung der Salzburger Festspiele nutzte der Schrifsteller Daniel Kehlmann zu einer großen Philippika gegen das „Regietheater“. Regietheater, das ist ja so ein Kampfbegriff, gerne als Chiffre gebraucht für alle modernistischen Tendenzen, die der betuliche Kleinbürger nicht mehr versteht. Seitdem sich nicht mehr so leicht gegen die abstrakte Malerei oder die Fäkalkunst schimpfen läßt und auch die Klassifizierung von Popmusik als „Lärm“ nicht mehr so gut kommt, sind Injurien gegen das Regietheater das letzte, worauf sich behäbige Bildungsbürger allgemein zu einigen vermögen. Hamlet im Business-Anzug! Dialoge im Chor gesprochen! Igitt! Aber ohne das Innovative, Experimentelle und Provokante, das stets von den Kehlmanns ihrer jeweiligen Zeit bekämpft wurde, hätte es nie einen Fortschritt in der Kunst gegeben.

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Die ÖVP ist nicht der Gegner! (FS Misik Folge 87)


Die Koalitionsparteien klopfen sich wieder gegenseitig. Das haben wir gebraucht.
Seit Wochen schon stichelt die ÖVP gegen die SPÖ. Und jetzt hat die SPÖ endlich eine Gelegenheit für eine Retourkutsche: Steuergeld verzockt! Unter ÖVP-Finanzministern! Das wird weidlich ausgenützt. Die Verlockung kann ich ja verstehen. Nur: Gemeinsam regieren, und dann täglich nach Gelegenheiten suchen, den Partner eins auszuwischen… Na, ich weiß nicht, ob das so ein gutes Konzept ist. Ich bin ja kein Fan der Großen Koalition, aber wenn es die schon einmal gibt, sollen die auch zusammen arbeiten. Zumal für die SPÖ ja eigentlich gelten sollte: Die ÖVP ist nicht der Gegner. Der Gegner ist der Rechtspopulismus. Denen wieder die Wähler abjagen, sollte Priorität haben. Aber ich fürchte, man gewinnt keinen einzigen Strache-Wähler, wenn man mit der ÖVP streitet. Das traditionelle Hickhack ist freilich auch ein bißchen systemisch in Koalitionen gleich großer Partner angelegt. Da ist man versucht, den Partner schlecht zu machen, damit man bei der nächsten Wahl eine Nasenlänge vorne liegt. Bei Koalitionen deutlich ungleicher Partner ist das kein Problem. Da ist klar: Der ist der Große, der der Kleine. Deshalb sind solche Koalitionen meist harmonischer. Österreichs Problem ist nur, dass sich eine solche Koalition heute nur unter Beteiligung sehr unappetitlicher Parteien ausgeht. Leider wird sich daran auch nichts ändern, wenn sich SPÖ und ÖVP wechselseitig tagein, tagaus versuchen, ein Bein zu stellen.

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Gegen Gott (FS Misik Folge 18)


Auch in Österreich gibt es eine heftige Debatte über die Rolle von Kirchen und Religion im öffentlichen Raum, seitdem die zweitgrößte „Glaubensgemeinschaft“ des Landes – also die der Bürger ohne religiöses Bekenntnis – ein wenig auf sich aufmerksam macht. Öffentliche Verkehrsmittel haben abgelehnt, Werbeanzeigen mit dem Spruch „Es gibt keinen Gott“ zu affichieren, jetzt sind sie an drei Stellen auf den „City-Lights“ zu sehen. Als kleinen Beitrag zu der Debatte schalte ich hier eine ältere Folge von FS-Misik, die den Titel „Gegen Gott“ trägt.
Links: Buskampagne

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Ich bin der total coole Winner-Typ! (FS Misik Folge 86)


Die Finanzkrise und der Absturz in die tiefe Rezession liqudierten nicht nur Vermögen, sie stürzen auch die gesellschaftliche Leitfigur der letzten Jahre in eine Existenzkrise: den smarten Manager, den Finanzjongleur, die Mr. Cash und Mr. Wichtig. Die hatten ja Erfolg, weil man ihnen den Erfolg schon ansah. Sie erhielten gesellschaftliche Bedeutung zugeschrieben, und wer nach Erfolg strebte – und sei es auch in einem ganz anderen Metier – der tat gut daran, sich den personalen Habitus anzueignen, den dieser Typus geprägt hat; alle charakterlichen Deformationen inklusive. Diesen Habitus der lässigen Arroganz, den Zynismus des robusten Selbstbewußtseins. Eindruckskonkurrenz prägte alle Lebenssphären. Wenn die Darstellung von Erfolg aber zur Quelle des Statusgewinns wird – statt Leistung, dann zieht natürlich auch eine gewisse Frivolität ein. Hat es damit jetzt ein Ende? Robert Misik, selbst ein extrem smarter Winnertyp, gibt Auskunft! Ihr persönlicher Wegweiser zum Erfolg!
Links:
Sighard Neckel
„Das Desaster der Erfolgskultur“ (NZZ)

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Verdruss, Passivität, Ressentiment. Wie gefährdet ist unsere Demokratie? (FS Misik Folge 85)?


Es gibt ein Parlament, es gibt Wahlen, es gibt eine Regierung, die sich auf eine Mehrheit im Nationalrat stützen kann und sie verwaltet das Land – meist nicht einmal schlecht. Also, die Demokratie funktioniert ja prima. Aber sie funktioniert auch nicht: Immer mehr Leute haben das Gefühl, dass sie das eigentlich nichts angeht und dass sie „denen“ bei jeder Gelegenheit einen Denkzettel verpassen müssen. 36 Prozent derer, die bei der jüngsten EU-Wahl zu den Urnen gingen, haben für populistische oder rechtsradikale Parteien gestimmt. Und legt man die Zahl der Wahlberechtigten zugrunde, hat die „siegreiche“ ÖVP gerade mal 15 Prozent der Stimmen erhalten, die einst mächtige SPÖ hat nur mehr jede/r Zehnte gewählt. Es gibt also eine massive Krise des Parteiensystems. Die Parteien umzirzen die Wähler mit blöden PR-Slogans, die quttieren’s mit Verdruss. Das ist kein österreichisches Spezifikum, aber in Österreich noch mal spezieller, soll heißen: ärger. Woran liegt’s? Und kann man gar nichts dagegen tun? Darüber wird im Laufe der Sommermonate bei FS Misik in loser Folge nachgedacht.

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