Kommerzialisierung, garniert mit Zensur (und vice versa) – zur Lage der Pressefreiheit

sandbichler.jpg

Folgende Rede hielt ich vergangene Woche in der tollen Ausstellung „Wahrheit ist die Erfindung eines Lügners“ von Peter Sandbichler in der Innsbrucker „Galerie im Taxispalais“: 
Wenn ich mir die Arbeiten, die Peter Sandbichler hier präsentiert ansehe, und wenn ich mir über den Titel Gedanken mache, den er für diese Ausstellung gewählt hat: „Wahrheit ist die Erfinder eines Lügners“, dann steht natürlich sofort die Frage im Raum, ja, buchstäblich steht sie im Raum, der Künstler hat sie hineingestellt, als Installationen oder Skulpturen, also sie steht da im Raum, die Frage: Ob es Wahrheit überhaupt geben könne. Nein, eigentlich steht nicht die Frage im Raum, die Antwort steht im Raum: Wahrheit gibt es nicht. Oder besser: Wirklichkeit. Wirklichkeit, jedenfalls die über unseren engsten Rahmen des sinnlich Wahrnehmbaren hinaus. Meinetwegen, wenn ich in den Fluss falle und der ist kalt, dann ist für mich die Aussage: dieser Fluss ist kalt und er ist nass, schon wahr. Aber selbst in diesem Fall ist die Wirklichkeit, so wie wir sie wahrnehmen, eingefärbt von Gewohnheiten. Denn da fällt mir dieser kluge Satz ein, den ich einmal in einem Buch gelesen habe: 
„Wenn man die Fische fragt, wie es am Meeresgrund aussieht, vergessen sie wahrscheinlich zu erwähnen, dass es dort nass ist.“ Also, nur für den, der in den Fluss fällt, ist er nass und kalt, natürlich aber nicht für den, der dort immer lebt. 

Kommerzialisierung, garniert mit Zensur (und vice versa) – zur Lage der Pressefreiheit weiterlesen

If you can’t stand the heat, go out of the kitchen

Wie ich die Meinungsfreiheit einschränke…

Wenn ich dieser Tage meinen Google-Alert aufmache, finde ich täglich ein kleines Präsent. Irgendwo beklagt immer irgendwer, dass ich seine Meinungsfreiheit bedrohe. Meist sind das Islamhasser, die unter Meinungsfreiheit verstehen, dass man sie nicht mehr kritisieren darf. Der Herr Broder von der Achse des Guten schreibt sich seit Wochen die Finger wund, weil ich das Offensichtliche erwähnt habe: Dass es nämlich

Politiker, Blogger, Publizisten (sind), die das Klima angeheizt haben, in dem einer wie Anders Behring Breivik erst möglich wurde, in dem er erst auf die Idee kommen konnte, dass der „bloße“ politische oder publizistische Kampf gegen die als elementar bedrohlich imaginierte Moslemgefahr nicht mehr ausreicht.
Und weil ich folgende Voraussage getroffen habe, die sich prompt als punktgenau erwiesen hat: 
Nach dem Massaker werden die geistigen Brandstifter jetzt versuchen, den Kopf ein bisschen einzuziehen, sie werden wortreich bekunden, dass sie mit der Tat eines solchen „Irren“ doch nichts zu tun haben, sie werden versuchen, sich davonzustehlen. Man sollte sie nicht einfach so damit durchkommen lassen.

If you can’t stand the heat, go out of the kitchen weiterlesen

Wenn ein Konservativer einsieht, dass die Linken recht haben…

Einem heftig im Internet herumgeposteten Essay verdanke ich den Hinweis auf einen ziemlich sensationellen Kommentar von Charles Moore, einer der großen Zentralfiguren der britischen Konservativen. Moore, Reagan-Anhänger der ersten Stunde und der offizielle Biograph von Margaret Thatcher, gesteht hier, dass er beginne, zu denken, „dass die Linke vielleicht doch Recht hat“. 
Jene Linke, die er – wie seine Mitstreiter und politischen Anführer – seit vierzig Jahren bekämpft hat. 
Moore schreibt: 
„Ich habe mehr als 30 Jahre gebraucht, um mir diese Frage zu stellen. Aber heute muss ich es tun: Hat die Linke doch Recht? … Die Reichen werden reicher, aber die Löhne sinken. Die Freiheit, die dadurch entsteht, ist allein ihre Freiheit. Fast alle arbeiten heute härter, leben unsicherer, damit wenige im Reichtum schwimmen. Die Demokratie, die den Leuten dienen sollte, füllt die Taschen von Bankern, Zeitungsbaronen und anderen Milliardären. … Die Kreditkrise hat gezeigt, wie diese Freiheit gekidnappt wird. Die Banken sind ein Spielfeld für Abenteurer, die reich werden, auch wenn sie Milliarden verfeuern. Die Rolle aller anderen ist, ihre Rechnung zu zahlen. …  Das alles ist eine schreckliche Enttäuschung für uns, die wir an freie Märkte glaubten, weil sie freie Menschen hervorbringen würden…“

Wenn ein Konservativer einsieht, dass die Linken recht haben… weiterlesen

Gerhard Dörfler bringt uns wieder einmal zum Lachen

Zwei Mal Gerhard Dörfler: Heute im Morgenjournal sagte der Kärntner Landeshauptmann,  das Urteil gegen den Kärntner FP-Chef Uwe Scheuch (er ist in erster Instanz zu 18 Monaten Haft verurteilt worden, davon 6 Monate unbedingt), sei „nach meinem Rechtsverständnis ein Fehlurteil“. Das ist schon aus einem Grund eine pikante Aussage: Ist Dörfler ja der einzige Spitzenpolitiker Österreichs, dem ein amtliches Deppenzertifikat in juristischen Dingen ausgestellt wurde. Schon vergessen? Seinerzeit wurde eine Amtsmissbrauch-Anklage gegen Dörfler von der Staatsanwaltschaft mit dem Hinweis eingestellt, dieser

„verfügt über keine juristische Ausbildung, war vormals in einer Bank beschäftigt und kam als Quereinsteiger in die Politik.“ 
Deshalb sei zweifelhaft, 
„ob Dörfler die strafrechtliche Tragweite seiner Handlungen einzuschätzen vermochte“. 
Nun gut, das war schon eine sehr bemerkenswerte Begründung, gilt doch im allgemeinen: Dummheit schützt vor Strafe nicht. Aber wenn einer schon mal ein solches Deppenzertifikat in Händen hält, dann sind wir doch an seinem „Rechtsverständnis“ nicht gar so interessiert, oder? 

Was ist Religionskritik und was ist es nicht?

Eigentlich sollte es ja für einen jeden vernünftigen Menschen möglich sein, aufklärerische Religionskritik von antimuslimischer Hetze zu unterscheiden. Ist aber nicht immer so, deshalb hab ich hier auf diesem Blog offenbar eine Bildungsaufgabe. 99 Prozent der sogenannten „Islamkritik“ ist heute antimuslimische Hetze, die sich gelegentlich mit dem Mäntelchen der Aufklärung schmückt und dieses damit besudelt. Darin sind die Straches, Sarrazins und Broders so geschickt, dass ihnen selbst einige Linke auf den Leim gehen. Deshalb habe ich schon vor Jahren im „profil“ einen Text geschrieben, der sich mit dieser Frage systematisch auseinandersetzt. Darin heißt es etwa: 

„Nicht jeder Spott ist Aufklärung. Wenn die Nazis die jüdische Religion verächtlich machten, dann war das keine Religionskritik, sondern ein Aspekt der mörderischen Judenhetze. Wenn in Indien ein Hindu den Islam oder ein Muslim die Hindus beschimpft, dann würde das kein vernünftiger Mensch „Religionskritik“ nennen, sondern als Teil eines latenten Religionskrieges ansehen, der sich regelmäßig in Pogromen entlädt.“
Eigentlich ist unerklärlich, was daran für einen denkenden Menschen unverständlich sein soll. 

Von Moslems umzingelt

Zum paranoiden Stil der Abendlandverteidiger. Die rechten Moslemhasser sind in Abwehrstellung: Es soll versucht werden, echauffieren sie sich, jede Kritik am Islam zu verbieten. Und ein paar nützliche Idioten von links bis linksliberal springen ihnen auch noch bei und sagen, die These von der „geistigen Mittäterschaft“ sei Unsinn. Aber niemand will die „Islamkritik“ verbieten. Ein der Aufklärung verpflichteter Kritiker jeder Religion – und damit auch des Islam – wird sich nicht einmal angesprochen fühlen, wenn die Verbindungen zwischen Antimuslimismus, FPÖ und anderen Rechtspopulisten und dem Attentäter von Norwegen thematisiert werden. Denn er hat mit denen nichts zu tun, wenn er ein Religionskritiker ist, der der Aufklärung verpflichtet ist (einen tollen Artikel zu diesem Komplex gibt es hier). Im übrigen will ich überhaupt nichts verbieten. Nicht einmal die Hetze der Moslemhasser. Ich will nur, dass man diese politische Position in etwa so respektabel ansieht wie die Ansichten eines Maoisten nordkoreanischer Spielart: Als Ansicht, die schon geäußert werden darf, aber von der jeder weiß, es ist die Ansicht eines Spinners. Und niemand würde sie ernst nehmen. 

Um die Diskussion ein bisschen intellektuell zu grundieren hier ein Kapitel meines Buches „Politik der Paranoia“ aus dem Jahre 2009.  

Von Moslems umzingelt weiterlesen

Abrüstung der Worte?

Auf eine der eigentümlichen Eigentümlichkeiten des öffentlichen politischen Diskurses hat Paul Krugman dieser Tage im Zusammenhang mit den republikanischen Fanatikern hingewiesen, die einen Staatsbankrott und einen katastrophalen Zusammenbruch der Weltwirtschaft in Kauf nehmen, nur um Barack Obama eines auswischen zu können. 

Diese Eigentümlichkeit besteht in der Obsession vieler Kommentatoren, eine irgendwie geartete Mittelposition einzunehmen, ausgewogen zu sein, beide Seiten zu Kompromissen aufzufordern. Um ja nicht „parteiisch“ zu erscheinen. Wenn auf der einen Seite die Vernunft steht und auf der anderen der Irrsinn, würden sie noch zu „Kompromissen“ und zu „Mäßigung“ aufrufen. 
Würde eine Seite von der bekannten Tatsache ausgehen, dass die Erde eine Kugel ist, die andere Seite aber behaupten, die Erde sei eine Scheibe, würden sie noch schreiben, „A meint, dass die Erde eine Kugel ist, B meint, sie sei flach. Die Frage ist umstritten, und keine Seite ist bereit, von den eingefahrenen Positionen abzurücken“
Eine bizarre Objektivität, von der ich, wie unschwer zu erraten ist, nichts halte. 
Aus dem selben Grund halte ich auch die allgemeinen Aufrufe zu einer „Abrüstung der Worte“ nach den Anschlägen von Oslo für grotesk. Es gibt eine Strömung, die hat jahrelang Hetze betrieben, und einer aus dieser Strömung hat einen Massenmord begangen. Was soll da ein Appell an die Opfer dieses Massenmordes zur allgemeinen „Abrüstung der Worte“? 
Es sind immer die Rechten, die „Ausgewogenheit“ anmahnen, aber damit nichts anderes meinen, als dass man ihrem Irrsinn irgendwelchen Respekt entgegen zu bringen habe. 

Strache, einfach mal die Klappe halten!

Unter den Reaktionen auf das rechtsradikale Massaker an norwegischen Jungsozialisten sticht heute einmal mehr die von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hervor. „Pietätslos“ sei der Versuch, voreilig „politische Strömungen oder gar gesamte Parteien zu vereinnahmen“, formulierte Strache in seinem bekannt verbesserungswürdigen deutsch. Gemeint hat er wohl: Es sei pietätlos, die Taten des Mörders mit den politischen Strömungen zu verbinden, denen er entstammt. 

Das ist schon etwas ulkig: Dass er es beispielsweise pietätlos findet, Dschihadisten-Anschläge mit dem Islamismus zu verbinden, hat man von Strache bisher nie gehört.  

Weniger ulkig: Da hat einer, der dem geistig-ideologischen Lager angehört, zu dem auch die FPÖ zählt, politische Gegner zu Dutzenden abgeknallt. Und Herr Strache faselt über Pietät. 
Um das grob genug zu sagen, so dass es auch Strache versteht: 
Einer von Euren Gesinnungsfreunden hat beinahe hundert von unseren Gesinnungsfreunden abgeknallt und Sie glauben, uns erklären zu müssen, was Pietät ist? 

Wie wär’s, wenn Sie einfach einmal die Klappe halten? 

Hatten es die Jusos verdient, abgeknallt zu werden?

Was geht eigentlich in den wirren Köpfen von Islamkritikern vor?

Alle Welt ist geschockt über das Attentat von Oslo und das Massaker an norwegischen Jungsozialisten, darüber, wie einer, infiziert von krudem Islamhass, einfach zum Mörder wird. Da herrscht tiefe Betroffenheit – außer bei den Islamhassern selbst.

Henryk M. Broder, Wortführer der deutschen Islamkritiker, auf den sich der Attentäter in seinem Manifest an mehreren Stellen positiv bezog, läßt sich vom deutschen „Tagesspiegel“ mit der Erklärung zitieren, dass ihm das gar nicht peinlich sei, in solchen Zusammenhang nun weltweit bekannt zu werden:

„Das einzige, worüber ich mir Sorgen mache, ist, woher ich Ersatzteile für meinen Morris Traveller aus dem Jahre 1971 bekomme. Sogar in England werden die Teile knapp.“

Man kann das noch als Geschmacklosigkeit abtun – einer glaubt seine zynischen Witzchen machen zu müssen, angesichts von dutzenden Toten. Es fehlen einem einfach die Worte.

Richtig skandalös wird es dann aber auf der Site „Achse des Guten“, dem von Broder und anderen betriebenen Webportal. Auf dieser streng antiislamischen Site (was in diesen Kreisen auch heißt: bedingungslos israelfreundlich) hat ein Ulrich Sahm folgendes rausgefunden, was er uns natürlich gleich atemlos mitteilen muss:

Einen Tag vor dem Massaker auf der Insel Utøya bei Oslo wurde in dem sozialistischen Jugendlager im Beisein von Norwegens Außenminister Jonas Gahr Støre eine Anerkennung des „Staates Palästina“ und ein Boykott Israels thematisiert. Wie die israelische Zeitung Jedijot Achronot und norwegische Zeitungen berichten, hielten Teilnehmer des Jugendcamps ein Spruchband mit der Aufschrift „Boikott Israel“ hoch, als der Außenminister auf der Insel ankam. Støre beteiligte sich an einer Podiumsdiskussion mit einer norwegischen Journalistin und der Leiterin eines christlichen Hilfsfonds. Beide seien bekannt für ihre anti-israelischen Positionen. Støre stimmte zu, dass den Palästinensern ein Staat zustehe, wollte sich aber nicht zu einem Boykott Israels äußern.

Was er uns genau damit sagen will, bleibt leider offen. Normale Menschen würden sagen: Aha, einige dieser Jugendlichen, die ermordet wurden, waren also dafür, Israel zu boykottieren. Eine Meinung, die man nicht teilen muss. Was aber hat diese Meinung mit dem Massenmord zu tun? Welcher Zusammenhang mag da im Kopf des Herrn Sahm hergestellt worden sein? Vielleicht gar, dass die das irgendwie verdient haben, abgeknallt zu werden? Oder wenn schon nicht verdient, dass man da jetzt auch nicht traurig sein soll darüber, da die ja eh eigentlich Böse waren?

Was auch immer, eines sollte jetzt den Letzten klar werden: Diese sogenannten „Islamkritiker“ sind für anständige Menschen kein Umgang. Diese Leute brauchen einfach schleunigst ärztliche Hilfe.

Isoliert die geistigen Brandstifter!

Rechtspopulistische Politiker, Blogger, Publizisten haben in ganz Europa ein Klima angeheizt, in dem ein Irrer wie Anders Behring Breivik auf die Idee kommen konnte, man müsse mit spektakulären Taten der „Moslemgefahr“ begegnen.

In Essay für das Portal quantara.de der „Deutschen Welle“

Eine reichlich bizarre Wortmeldung zu dem norwegischen Massaker kam von den österreichischen Rechtspopulisten von der FPÖ. Er hoffe, sagte deren Generalsekretär, „dass die genauen Motive und Hintergründe der abstoßenden Taten aufgearbeitet werden“. Nun, da kann die FPÖ am besten gleich bei sich beginnen. Denn „die Motive“ der Taten, so wissen wir derweil, das sind genau jene Ideologieversatzstücke, die die Freiheitlichen, aber auch andere Rechtspopulisten wie Gert Wilders, Pro-Köln, die norwegische „Fortschrittspartei“ oder die „Schwedendemokraten“, Blogs wie „Politically Incorrect“ und andere Tag für Tag in die Welt hinausposaunen.

Isoliert die geistigen Brandstifter! weiterlesen