Nicht alle christlich-konservativen Moslemhasser sind Terroristen, aber…

Einzeltäter kommen nicht aus dem Nichts. Werden seine geistigen Mittäter daraus Konsequenzen ziehen?
Der Attentäter, der den Bombenanschlag von Oslo und das Massaker auf der Ferieninsel Utoya angerichtet hat, ist also ein christlich-konservativer Extremist und Moslemhasser. Er findet, dass das Abendland bedroht ist, vom Islam überrannt zu werden, er ist gegen Multikulturalität und für „Monokulti“ und sieht sich in einem Kampf gegen den „globalen Dschihad“. Und er findet weiter, die liberalen politischen Eliten sind so etwas wie nützliche Idioten des Islam. Deshalb hat er sich ja auch das Jugendcamp der norwegischen Sozialdemokraten für seinen Massenmord ausgesucht. 
Kurzum: Der Massenmörder, von dem es bisher heißt, er ist ein Einzeltäter, er steht mit seinen Meinungen nicht alleine. Auch wenn er ein Einzeltäter sein mag, was wir noch nicht so genau wissen: Solche Einzeltäter kommen nicht aus dem Nichts. Solcherart Einzeltäter gedeihen in einem politischen Diskursfeld. 
Dieser „Einzeltäter“ vertritt Posititionen, wie sie von Autoren wie Andreas Unterberger, Udo Ulfkotte verbreitet werden, von Politikern wie Wilders oder HC Strache, von politischen Blogs wie „Politically Incorrect“. Zugegeben, noch eine Prise wirrer, aber nicht sehr viel wirrer. 
Werden sich diejenigen, die das diskursive Klima schaffen, das solche Täter möglich macht, jetzt distanzieren, entschuldigen, zerknirscht in sich gehen? Ich bin neugierig darauf. Schließlich sind sie es doch, beispielsweise, die den vielen Millionen normalen Muslimen auch eine Verantwortung für die Taten der Islamisten andichten, die fordern, normale Muslime müssen sich immer von irren Dschihadisten distanzieren. Obwohl die normalen Muslime sicherlich objektiv viel weniger mit den Dschihadisten zu tun haben als unsere Schreibtisch-Abendlandverteidiger mit ihrem Gesinnungsfreund, der sich jetzt mit Autobomben und einem automatischen Gewehr auf den Weg gemacht hat, das in die Tat umzusetzen, was sie politisch propagieren. Eines wissen wir: Hätte ein Linker ein Attentat dieser Art begangen, wäre sie schnell bei der Hand mit ihrer These von der „geistigen Mittäterschaft“.  
Nicht alle Terroristen sind ultrakonservative christliche Moslemhasser, aber der schlimmste Terrorakt im Westen in diesem Jahrzehnt geht auf das Konto konservativer christlicher Moslemhasser. 

Ich kann das Wort „Integration“ nicht mehr hören!

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Das „Multikulturelle Zentrum“ aus Trier hat mich eingeladen, die Festrede zu seinem 20. Geburtstag zu halten. Es war ein wunderbarer Abend mit tollen Leuten und ein schönes Fest, mit Band und Tanz bis in den Morgen. Die Rede können Sie hier lesen. 

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Kein Döner für Sarrazin

Ich habe mich bei der Vorbereitung auf meine Ansprache, die ich übermorgen in Trier halten soll, ein bisschen im Internet kundig gemacht, was der Herr Sarrazin heute eigentlich so macht. Man hört ja gar nicht mehr so viel von dem, Gott sei Dank. Und da hab ich also Google zu Rate gezogen und die Leute von Google haben mir folgendes verraten. Der Herr Sarrazin ist vor ein paar Tagen in ein türkisches Lokal in Kreuzberg gegangen, im Tross hatte er ein ZDF-Team. Ist ja lobenswert, wollte herausfinden, wie das wirklich ist mit denen, über die er ein ganzes Buch geschrieben hat. Hat also Feldforschung betrieben, gewissermaßen in freier Wildbahn. Und da ist er dann aus diesem Restaurant rausgeworfen worden. Kein Döner für Sarrazin! „Eigentlich sind Türken sehr gastfreundlich, aber ich glaube, ich kann sie nicht bedienen“, hat der Lokalmanager gesagt. Daraufhin musste Herr Sarrazin raustraben und die Gäste haben gejubelt und gegröhlt. Und Sarrazin war echt erschüttert, dass ein, ja, so hat er das selbst formuliert, „verdienter ehemaliger Senator, der sich nichts hat zuschulden kommen lassen“, dass der einfach aus einem Lokal in Deutschland so rausgeworfen wird, als wäre er ein Betrunkener mit Lokalverbot. 
Und da hab ich mich schon gefragt, ja, klar, natürlich war das als gezielte Provokation angelegt, aber vielleicht war der Herr Sarrazin wirklich ein klein wenig überrascht, denn ich unterstelle bei solchen Leuten ja neben Böswilligkeit auch immer ein hohes Maß an Realitätsverlust. Und das muss man sich mal metaphorisch vorstellen: Sie pinkeln Ihrem Nachbarn an die Tür. Sie schreiben ein Buch, in dem steht, ihr Nachbar ist dumm, völlig nutzlos, und es ist eine Tragödie, dass ihr Nachbar so viele Kinder kriegt, weil da werden nur viele kleine dumme nutzlose Nachbarn draus, „Kopftuchmädchen“, und dann klopfen sie bei ihrem Nachbarn an und sagen, hallo, ich wollt mal vorbeischauen und mit ihnen Abendbrot essen, was gibt’s denn Gutes? Und dann wirft sie ihr Nachbar raus und sie wundern sich, warum der so ein gemeiner Kerl ist. 
Ich mein, da würde man doch bei jedem normalen Menschen sagen: Geht’s noch? Brauchen Sie ärztliche Hilfe?

Mehr Schwung!

Berliner Republik.JPGSozialdemokratie – War’s das schon, oder kommt noch was? – diese Frage stellt das Magazin „Berliner Republik“ in seiner jüngsten Ausgabe. Das übrigens ausgesprochen kluge Blatt, das im Umfeld der deutschen SPD herausgegeben wird (aber ostentativ unabhängig ist) stellt genau genommen drei Fragen: Wo liegen die tieferen Ursachen der sozialdemokratischen Misere? Wie kann die Sozialdemokratie wieder auf die Beine kommen? Welches Szenario ist für die Zukunft am wahrscheinlichsten? 


Antworten haben sie von Juli Zeh, Sigmar Gabriel, Joachim Radkau, Patrick Diamond, Andrea Nahles, Tissy Bruns, Wanfried Dettling, Matthias Machnig, Susanne Gaschke und vielen anderen eingeholt, darunter auch von mir. Meine kleine Glosse finden Sie unten. 

Empfehlenswert ist übrigens auch der tolle Essay von Will Hutton im selben Heft. Zur „Berliner Republik“ geht’s hier

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Der letzte Optimist der europäischen Sozialdemokratie

Nachdem mich Freimut Duve vor fast zwanzig Jahren den „jüngsten Altachtundsechziger Deutschlands“ genannt hat, stellte mich SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel vorgestern bei der Sommeruniversität der Friedrich-Ebert-Stiftung als „letzter Optimist der europäischen Sozialdemokratie“ vor. Naja, ein bisserl Ironie war da in beiden Fällen schon dabei, glücklicherweise, denn beides sind ja doch Komplimente, über die man sich nicht rundweg freuen kann. 


Anyway, die Ebert-Stiftung hatte mich ja auch eingeladen, ihre Sommeruniversität mit einem Vortrag zum Thema: „Nur Optimisten können die Welt verbessern“, zu eröffnen. Nachlesen kann man ihn hier:

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Mit diesen Widersprüchen muss man… sterben

Folgenden Kommentar zu den deutschen Panzerlieferungen an Saudi-Arabien habe ich für die Sendung „Resonanzen“ von WDR-3 geschrieben. Hören kann man ihn hier. (Unter dem Intro auf den „Beitrag hören“-Button drücken)
Si vis pacem para bellum, Wer den Frieden will, der rüste sich für den Krieg, die alte römische Formel lernen die Gymnasiasten noch heute im Lateinunterricht. Und für die Politik heißt das unter anderem: Weil es Kriege geben könnte, braucht man eine Rüstungsindustrie, auch wenn man selbst natürlich nie einen Krieg führen wolle, bestimmt nicht, versprochen, großes Kanzlerinnen- und Ministerehrenwort. Und weil man, um für die theoretische Möglichkeit eines Krieges gewappnet zu sein, eine Rüstungsindustrie braucht, braucht man dann aber, schließlich leben wir ja in einer Wirtschaft, wo sich das Angebot eine Nachfrage sucht, gefälligst Abnehmer. Wer also den Frieden will, braucht eine Rüstungsindustrie, und wer eine Rüstungsindustrie hat, der braucht dann irgendwann irgendwo Kriege, weil sonst wird das ja nichts mit dem Geschäft. 
Für die Rüstungsindustrie sind Friedenszeiten, schlimme Zeiten, wie das die „Süddeutsche“ heute formulierte. 
Mit einem Wort, in der kapitalistischen Marktwirtschaft ist das so: Wer den Frieden will, der braucht am Ende Kriege, an denen er verdienen kann. Dafür gibt’s leider kein lateinisches Sprichwort. 
Es beginnt damit, dass die Politik meint, dass man eine Rüstungsindustrie braucht, und dann wächst die Rüstungsindustrie und wächst, bis sie solch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor wird, dass nicht mehr die Politik über die Rüstungsindustrie bestimmt, sondern die Rüstungsindustrie über die Politik. 
Für diesen Mechanismus haben wir seit den fünfziger Jahren einen Begriff, dem vom militärisch-industriellen Komplex. Damals haben wir den auf die USA des Kalten Krieges gemünzt. Heute ist Deutschland der drittgrößte Waffenexporteur der Welt, gleich nach den USA und Russland. 
Und da lernen wir wieder einmal: Alle Friedensbotschaften sind Schall und Rauch, alle Beschwörung der Menschenrechte und der Kultur friedlicher Konfliktbereinigung bleiben Sonntagsreden, wenn eine wichtige Branche in jeder Konfliktzone einen Absatzmarkt und in jeder politischen Krise eine Geschäftsmöglichkeit sieht. 
Oh ja, wir stehen ganz fest auf der Seite der arabischen Demokratiebewegungen. Und wenn die mit Waffengewalt niedergeschlagen werden, wie etwa der Aufstand in Bahrein durch saudische Interventionstruppen, dann sind wir ehrlich empört. Und wenn das demnächst mit deutschen Waffen geschieht, dann ist uns das extrem peinlich. Und zwischendurch kassieren wir ab. 
Denn schließlich müssen wir ja auch an die Beschäftigten in der Rüstungsindustrie denken, 80.000 arbeiten ja noch in dieser Branche, und wenn es zu viel Frieden gibt, dann kämpft die Branche ums „überleben“, während sie richtig boomt, wenn genügend Menschen vom Leben zum Tod gebracht werden. 
Ja, dafür haben wir Geld, sagen nun die Nörgler, während wir für Schulen, für Universitäten, für die Kunst, kurzum also, für unsere Kultur kein Geld haben, für Panzer haben wir Geld. Aber schon diese moralisch gut begründete Empörung hat natürlich einen Haken: Sogar die Universitäten, die Kunst, die Schulen, die Kultur, sie profitieren ja davon, wenn die Rüstungsfirmen satte Aufträge bekommen, schließlich zahlen ja die Firmen Steuern, und ihre Beschäftigten zahlen auch Steuern. 
Die Realisten sagen: Mit diesen Widersprüchen muss man leben. Am besten, meinen sie insgeheim, sagt man nicht dazu, dass manche mit diesen Widersprüchen, an diesen Widersprüchen sterben müssen. 

Das ist doch nicht fair!

Was uns die Griechenland-Krise über die Rolle der Emotionen in der Ökonomie lehrt. Neue Zürcher Zeitung, 24. Juni 2011.
Dass die Wirtschaft eine komplexe und komplizierte Angelegenheit ist, das braucht man weder Experten noch Laien zu erklären. Seit den dramatischen Krisentragen des Jahres 2008 werden wir aber im Wochentakt mit komplizierten Fragen konfrontiert. Deren Kompliziertheit besteht nicht nur in der Komplexität der Sache selbst, also der Frage: Was sind in einem solch filigranen System mit seinen vielfachen Rückkopplungen eigentlich die richtigen, die effektiven Lösungen? Wir sehen vielmehr andauernd, dass sich zwei Fragen stellen: Sind die Lösungen effektiv? Und sind sie auch fair? Beziehungsweise, exakter formuliert: Werden sie von den Bürgern auch als fair angesehen? 
Simpel gesagt: Ist es effektiv und funktional im Rahmen dieses filigranen Systems, Investoren ihre privaten Verluste mit dem massiven Einsatz öffentlicher Mittel zu ersparen? Nehmen wir einmal an, die Antwort ist „Ja“, und sei es bloß, weil es die am wenigsten uneffektive Lösung wäre, weil Massenpleite und Dominoeffekt noch „unfunktionaler“ wären. Und stellen wir dann die Frage: Ist es auch fair? Darauf gibt heute beinahe jeder Bürger „Nein“ als Antwort. Was das bedeutet, muss man in seiner ganzen Tragweite erst einmal realisieren: dass nämlich die Lösungen, die am effektivsten sind, vielleicht jene sind, die am wenigsten als „gerecht“ oder „fair“ angesehen werden. Das ist in einer demokratischen Öffentlichkeit keine Kleinigkeit: dann ist es schwer, für die sachlich richtigen Lösungen Legitimität herzustellen, wohingegen es womöglich leichter wäre, jene Lösungen als legitim zu rechtfertigen, die leider den kleinen Nachteil haben, sachlich völlig unpraktikabel zu sein. 

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Jargon der Wirtschaftlichkeit

Acht Thesen gegen die Privatisierungsideologie. 


Der folgende Text ist schon ein paar Jahre alt – wurde aber nie veröffentlicht. Skurrilerweise deshalb, weil die Zeitschrift, die ihn bestellte, damals zu wenig Inserate aufstellte und deshalb die Seitenzahl aus Kostengründen reduzieren musste. Aber vielleicht sind ja dennoch, trotz des Alters, noch ein paar Gedanken für ein paar von Euch interessant. 

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Sektion-8 zerlegt die „Steuermythen“

Die Sektion-8 der SPÖ Alsergrund hat es ja in den vergangenen Wochen zu einiger Berühmtheit gebracht. Niki Kowall, der auch regelmäßiger Gastautor auf dieser Seite ist, wurde mit seiner Rede auf dem Wiener SPÖ-Parteitag zu einem kleinen Youtube-Star (mehr hier und hier). Und auch wenn in den letzten Tagen der Eindruck entstanden sein könnte, dass sich die Reformer der Sektion-8 vor allem mit dem „kleinen Glücksspiel“ befassen, so trügt dieser Eindruck natürlich. Vor allem geht es ihnen um progressive Reformen in der Sozialdemokratie und um eine progressive Wirtschaftspolitik. 

Demnächst steht eine kleine Konferenz über „Steuermythen“ auf dem Programm, die ich hier gerne ankündige. Da geht es um Fakten hinter den Slogans vom „Mittelstand“, den „Leistungsträgern“, dem „Neid auf die Wohlhabenden“ und den „Standortwettbewerb“. Abschließend gibt es eine Podiumsdiskussion zum Thema: 

Gibt es ein gerechtes Sparen?

20. Juni, BSA, Landesgerichtsstraße 16, 1010 Wien, 17 bis ca. 21 Uhr. 

Alles nähere hier

Die RAF, ein Familienereignis

Julia Albrecht und Corinna Ponto haben gemeinsam ein Buch geschrieben: „Patentöchter. Im Schatten der RAF – ein Dialog“. Alles daran ist sensationell. Denn die eine Autorin ist die Schwester der RAF-Terroristin Susanne Albrecht, die andere aber die Tochter von Jürgen Ponto. 1977 wurde dieser in seinem Wohnhaus erschossen, nachdem Susanne Albrecht, die Tochter seines Jugendfreundes, einem Terrorkommando Zutritt dazu verschafft hatte. Die Autorinnen stehen aber nicht nur „im Schatten der RAF“, sie sind zugleich auch die „Patentöchter“ des jeweils anderen Vaters. Ihr gemeinsamer „Dialog“ ist also ein wirkliches Ereignis.

Julia Albrecht und Corinna Ponto präsentieren ihr Buch am Mittwoch, den 8. Juni um 19h im Kreisky Forum, Armbrusterg. 15, 1190 Wien, Tel: 3188260