Studie: Mehr Demokratie am Arbeitsplatz steigert Produktivität

Im vergangenen Oktober habe ich in diesem ausführlichen Beitrag argumentiert, dass mehr innerbetriebliche Demokratie und Mitbestimmung einer der Wege zu einem besseren Leben, aber auch zu einer produktiveren und stabileren Wirtschaft sei:

Ein höherer Grad an Mitbestimmung, die Möglichkeit, partizipativ an Entscheidungen von Unternehmen mitzuwirken, erhöht die Identifikation des Arbeitnehmers mit seiner Firma, was sich im Zeitverlauf ebenso in einem höheren Qualifikationsgrad und damit in höhere Produktivität übersetzt.

Die Empirie – etwa der Erfolg von Unternehmen mit einem hohen Grad an Mitbestimmung – widerlegt das in Wirtschaftskreisen beliebte Vorurteil, dass innerbetriebliche Demokratie „schnelle und effiziente“ unternehmerische Entscheidungen behindert und damit produktivitätssenkend wirke.

Jetzt gibt es dafür auch einen Nachweis in Form einer Modellstudie der Behavioral Economics. Der Informationsdienst Wissenschaft fasst die Untersuchung folgendermaßen zusammen:

Dass eine stärkere Einbeziehung der Mitarbeiter in betriebliche Entscheidungsprozesse die Motivation fördert, ist seit langem bekannt. Allerdings ist der damit verbundene Produktivitätseffekt in der realen Arbeitswelt nur schwer messbar. Wissenschaftler an der University of Massachusetts und dem Middlebury College im US-Bundesstaat Vermont entwickelten deshalb ein Verhaltensexperiment, in dem 180 Probanden durch das Lösen von Rechenaufgaben Geld verdienen konnten. Dabei wurden die Teilnehmer in Dreiergruppen aufgeteilt. Die Hälfte der Teams konnte per Mehrheitsbeschluss selbst darüber entscheiden, ob der gemeinsam erwirtschaftete Gewinn zu gleichen Teilen oder nach Leistung gestaffelt an die Mitarbeiter ausgezahlt werden sollte. Die andere Hälfte hatte auf das Vergütungsmodell keinen Einfluss.Das Experiment führte zu einem eindeutigen Resultat: Konnten die Teilnehmer mitbestimmen, waren sie leistungsbereiter und bearbeiteten im Schnitt sieben Prozent mehr Aufgaben. Zudem stieg die Produktivität, gemessen an der Zahl der richtig gelösten Aufgaben, um neun Prozent. Dabei spielte es keine Rolle, für welches Lohnmodell sich die Gruppe entschieden hatte. „Auch wenn sich die betriebliche Praxis unter Laborbedingungen nicht vollständig abbilden lässt, liefern diese Beobachtungen ein starkes ökonomisches Argument für mehr Demokratie am Arbeitsplatz“, sagt der Verhaltensökonom Jeffrey Carpenter, der die Studie mitverfasst hat. Auch für Deutschland seien aus einer stärkeren Verbreitung von Modellen zur Mitarbeitermitsprache nennenswerte Produktivitätszuwächse zu erwarten.

Mehr Mitbestimmung ist also eine Win-Win-Strategie: Sie führt zu mehr Lebenszufriedenheit, zu einer egalitäreren Gesellschaft (da in Mitbestimmungs-Unternehmen die Einkommensspreizung zwischen Niedrig-, Durchschnitts- und Spitzenverdienern meist niedriger ist), sie führt aber auch zu mehr Produktivität. Die Wettbewerbsfähigkeit leidet nicht, sie steigt sogar.

Die vollständige Studie finden Sie hier.

Ratschläge für die Sozis aus New York

Sheri Berman kommende Woche im Wiener Kreisky-Forum

Die New Yorker Intellektuelle Sheri Berman ist für ihren genauen Blick auf die europäische Linke bekannt. Die Professorin an der Columbia University vergleicht die europäischen Sozialdemokratien mit den amerikanischen Demokraten und fragt, unter welchen Umständen Progressive Parteien erfolgreich waren und sind. In ihrem jüngsten Buch „The Primacy of Politics“ stehen die Wurzeln der europäischen Sozialdemokratie im Zentrum, die erst den Kapitalismus bekämpfte, und dann lernte, ihn gerechter und funktionstüchtiger zu machen. Klar, auf welche Fragen das hinausläuft: Können sich die Sozialdemokraten neu erfinden? Und welche Hürden und Hindernisse gibt es dafür? Ihre Pointe ist: Für die Sozialdemokraten stellt sich heute die Lage nicht unähnlich dar als in ihren Gründerzeiten – während sie zwischendurch von ihrem Erfolg beinahe erdrückt wurden. „Was ist mit der europäischen Linken passiert?“, die Frage stellte Berman jüngst provokant im legendären New Yorker Intellektuellenmagazin „Dissent“. Ihre Antworten referiert Sheri Berman kommende Woche im Wiener Kreisky-Forum in der Reihe „Genial dagegen“.

Sheri Berman: The Primacy of Politics. The Origins of Social Democracy. Bruno Kreisky-Forum, Armbrustergasse 15, 1190 Wien. Donnerstag, 10. März, 19 Uhr.

Mehr Moral in die Wirtschaft

Jetzt kommen sie langsam in Serie heraus, die Erinnerungen abgewählter Politiker mit dem Arbeitstitel: „Die Welt stand am Abgrund. Aber ich habe sie gerettet“. Nach dem deutschen Ex-Finanzminister Peer Steinbrück hat jetzt auch der britische Ex-Premier Gordon Brown ein Buch über die Monate vorgestellt, in denen die Welt knapp an einem Totalkollaps des Finanzsystems vorbeischrammte. Und obwohl man dem Labour-Premier Brown nachsagt, er sei ein witzloser Zahlenhengst und Besserwisser, liest sich das durchaus packend: Wie er plötzlich ein Getriebener ist, wie er seinem Kollegen George W. Bush den Ernst der Lage erklären muss, wie er im Flugzeug über dem Atlantik „einen Plan“ zur Rekapitalisierung der Banken entwirft. Dabei muss man sich Gordon Brown als unglücklichen Mann vorstellen: Jahrelang stand er als Schatzkanzler im Schatten Tony Blairs, und als er ihm, wie lange angestrebt, endlich im Amt des Regierungschefs nachfolgt, fliegt ihm die Welt um die Ohren. Er macht als sachkundiger Wirtschaftsexperte alles richtig, verhindert Bankenzusammenbrüche, setzt ein massives keynesianisches Konjunkturprogramm in Gang, was eine ökonomische Abwärtsspirale abwendet – und wird dann erst recht abgewählt. Man erkennt in Brown aber auch den Moralisten. Neben seinen Ideen für neue ökonomische Regeln plädiert er immer wieder für eines: „Märkte brauchen Moral“. Dass es blauäugig sei, Moral im Wirtschaftsleben zu fordern, das findet Brown ganz und gar nicht. Schließlich würden sich doch nicht nur die meisten Menschen im allgemeinen, sondern auch die meisten Wirtschaftstreibenden an ethische Standards halten. Fast alle tun das. Der Bäcker, der Schuster, das Modegeschäft, die Computerfirma – sie alle betrügen ihre Kunden nicht. So gesehen sei das ja von Bankern wirklich nicht zuviel verlangt, sich an ein paar Grundprinzipien zu halten.

Gordon Brown: Was folgt. Wie wir weltweit neues Wachstum schaffen. Campus Verlag, Frankfurt /M. – New York. 375 Seiten, 25,60.- Euro

Eine Chart sagt mehr als tausend Worte

Mother jones 1.JPGEs ist die Ungleichheit, klar!

Mother Jones, das linke amerikanische Magazin, hat in seiner neuesten Ausgabe „elf Charts, die zeigen, was falsch läuft in Amerika“ (Link). Und die Zahlen und Kurven sind wirklich sehr eindrucksvoll. Die etwa zeigt, wie das oberste Prozent der Topverdiener die anderen Einkommensklassen abgehängt hat.

Und die Chart unten zeigt, wie sich die effektive, faktische Steuerlast von Millionären in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt hat. Und noch ganz viele wirklich sprechende und frappierende Diagramme hat das Magazin auf Lager. Anklicken empfohlen.

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Texte die die Welt nicht braucht: Negri und Hardt über die arabische Revolution

Michael Hardt und Toni Negri, die führenden Romantiker des Katheder-Linksradikalismus, haben im heutigen „Guardian“ ihre Theorien von der Welt über die arabischen Realitäten zu stülpen versucht. Wie nicht anders zu erwarten sieht diese Deutung so aus: die arabischen Demokratiebewegungen seien die neue Avantgarde der antikapitalistischen Multitude. Ihrer Meinung nach würde die arabische Welt

for the next decade what Latin America was for the last – that is, a laboratory of political experimentation between powerful social movements and progressive governments from Argentina to Venezuela, and from Brazil to Bolivia … to inspire political movements and raise aspirations for freedom and democracy beyond the region.

Jetzt müssen die Kameraden nur mehr erklären warum ihr Held der lateinamerikanischen Multitude, Hugo Chavez, der arabischen Multitude Pest und Cholara an den Hals wünscht und sich auf die Seite von Commical Muammar Ghaddafi stellt.

Wie der „Kurier“ unser Sozialsystem ruiniert

Man hat die unzählbaren Kommentare aus allen Zeitungen ja im Kopf: Dass wir das Pensionsantrittsalter unbedingt erhöhen müssen, damit die Sozialsysteme finanzierbar bleiben. Und da ist ja was dran.

Und meist wird moralisch auf die Beschäftigten gezeigt, die sich – faul wie sie sind – so gern in die Frühpension vertschüssen. Aber da ist fast nichts dran.

Wie heuchlerisch das ist, zeigt sich gerade beim Wiener „Kurier“. 25 Beschäftigte sollen aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt werden, 15 davon sind über 50 Jahre alt. Die werden gegen ihren Willen aufs alte Eisen geschoben. Wenn sie nicht besonderes Glück haben, werden sie früher oder später in der Frührente enden. Der „Kurier“ hat dann Kosten gespart, das heißt: Er hat dem Staat seine Sanierungskosten aufgebürdet.

Und auch wenn das subjektiv durchaus verständlich ist, gerade angesichts von Lebenseinkommenskurven, die für Unternehmen die Anreize erhöhen, teure Ältere rauszuwerfen, so ist klar: Wir werden an diesen Problem nie etwas ändern, wenn es nicht durch strengere Regelungen praktisch verunmöglicht wird, ältere Arbeitnehmer rauszuwerfen. Also: Es muss ein rigider Kündigungsschutz für alle über 50 her, anders geht das offenbar nicht.

Und bis es so weit kommt, bis dahin also, bis so eine Regelung verabschiedet wird, bis dahin … ja, bis dahin wollen wir zumindest keine Kommentare mehr im „Kurier“ über die Unfinanzierbarkeit des Sozialsystems und über die angeblich zu legeren Frühpensionierungspraktiken in Österreich lesen.

Bildungsgerechtigkeit – Österreich unter Europas Schlusslichtern

In „Empirica“, dem „Journal of applied economics and economic policy“ fand ich einen höchst interessanten Beitrag über die Bildungsungerechtigkeit in Österreich. Kurz zusammengefaßt das Ergebnis der Daten, die die Forscher Pirmin Fessler, Peter Mooslechner und Martin Schürz zusammengetragen haben: Obwohl die Bildungsgerechtigkeit in Österreich aufgrund der Reformen der Kreisky-Ära deutlich zugenommen hat, sieht es immer noch zappenduster aus.

Österreich rangiert, was die Bildungsmobilität betrifft, also die Chance von Kindern, ihren sozialen Status im Vergleich zu ihren Eltern zu verändern, weit abgeschlagen. Im Vergleich mit 18 europäischen Ländern sowie den USA liegt Österreich an drittletzter Stelle – nur mehr von Italien und Slowenien gefolgt.

Kinder aus einem Akademikerhaushalt erreichen zu 49 Prozent selbst einen Universitätsabschluss.

Dass Kinder, deren Eltern nur einen Pflichtschulabschluss haben, einen akademischen Grad erreichen, ist praktisch ausgeschlossen – nur drei Prozent gelingt das.

Kurzum: Privilegiertheit – und Unterprivilegiertheit – vererben sich in Österreich noch einmal deutlich stärker als etwa in schroff ungleichen Gesellschaften wie Großbritannien – von den skandinavischen Ländern ganz zu schweigen.

Wie deutlich sich das Einkommensniveau der Eltern in die Bildungschancen der Kinder übersetzt, habe ich hier einmal kurz dargestellt.

Ein Wiener muss im Kaffeehaus sitzen

„Als ich den Artikel von Robert Misik las, stellte ich mir vor, dass er in einem netten Wiener Kaffeehaus saß und seinen Kommentar ‚Verlorenes Paradies‘ über die Kommunismus-Debatte in Deutschland schrieb“. Mit diesen Worten leitete Gesine Lötzsch, die Vorsitzende der deutschen Linkspartei, heute ihre Antwort auf meinen vorangegangenen Debattenbeitrag in der taz ein. Der Rest ihrer Einwände ist etwas weniger klischeetriefend. Nachzulesen hier.

Wenn die Dame wüsste, dass ich gerade am Berg sitze und vom Schifahren zurückkam, was sie da hätte draus machen können 😉

Warum die Amerikaner reicher als die Europäer sind

Einen interessanten Blogeintrag fand ich bei Paul Krugman diese Tage. Darin wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Europas mit der der USA verglichen. Und zwar für das Jahr 2008, also noch vor Ausbruch der Finanzkrise, die ja vor allem die US-Wirtschaft in Mitleidenschaft gezogen hat. Und die Zahlen, die Krugman präsentiert, zerstören den Mythos von der höheren „Produktivität“ der US-Wirtschaft nachhaltig.

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