Der arabische Frühling

Wider die mieselsüchte Rede von den „Gefahren“ des arabischen Aufstandes für die Stabilität. Wenn Gesellschaften, wenn freie Bürger ihre Dinge in die Hand nehmen und neu regeln wollen, dann ist das immer ein Schritt ins Ungewisse. Und das Ungewisse birgt auch Risiken. Das war immer so in der Geschichte, und ohne dem hätte es nie Fortschritt gegeben, und Demokratie wäre nie irgendwo eingeführt worden.

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Ein „Grüner New Deal“ als Wirtschaftsmotor

Seit ein paar Monaten betreibt die IG-Metall ihren Blog „Kurswechsel für ein gutes Leben„, für den ich auch regelmäßig schreibe. In meinem Beitrag für den Januar geht es um die ökologisch-soziale Modernisierung, und warum die eine Win-Win-Strategie ist: „Man rettet die Umwelt und belebt auch noch die Konjunktur.“ 

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Eigentümlichkeiten der Wirtschaftswissenschaft

Dass die Ökonomie jene Wissenschaft ist, in der jedes Jahr etwas anderes richtig ist, daran haben wir uns ja schon gewöhnt. Im jüngst erschienen Lehrbuch „Volkswirtschaft“ von Paul Krugman und Robin Wells findet sich folgendes schönes Apercu: „Ökonomie ist das einzige Fach, in dem zwei Forscher den Nobelpreis bekommen, weil sie das genaue Gegenteil herausgefunden haben.“

Nervt die Kreisky-Mania?

Thumbnail image for Kreisky.jpgKreisky im Fernsehen. Kreisky auf jedem Büchertisch. Kreisky auf jedem Zeitungscover. Kreisky überall! Nervt die Kreisky-Weihesaison? Kommt nicht notwendige Kritik bei all der Verklärung zu kurz? Ich find nicht. Meinetwegen können sie 24 Stunden am Tag Kreisky-Filme im Fernsehen zeigen. Dann brauch ich mir wenigestens nicht den Cap, die Fekter, den Strache ansehen. Ein kleiner Blog-Essay zu Bruno Kreiskys morgigen Geburtstag.

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Länger arbeiten? Warum nicht!

Den meisten Zeitungen war das ja nur eine kleine Notiz wert: Sozialminister Rudolf Hundstorfer will ältere Menschen länger im Beruf halten und in den nächsten Monaten Maßnahmen beraten. Eine gute Nachricht. Zumal bisher die Debattenlage in dieser Frage etwas unterkomplex ist. Simpel gesagt: Auf der einen Seite gibt es die neokonservativen Alarmisten, die sagen, der Sozialstaat und die Renten sind unfinanzierbar. Man müsse kürzen, die Menschen müssen länger arbeiten. Auf der anderen Seite traditionelle Sozialdemokraten, die erstens zu beweisen versuchen, dass die Renten durchaus sicher sind und man gar nicht länger arbeiten muss – trotz der Veränderungen der Demographie.

Und dann wird fast so getan, als wären Regelungen, die möglichst zu früher Verrentung führen, irgendwelche verteidigungswürdigen sozialdemokratischen Errungenschaften.

Aber das ist höchst fragwürdig. Ganz unabhängig von allen Finanzierungsfragen stellt sich doch die Frage: Macht es die Menschen im allgemeinen glücklich, mit sechzig zum alten Eisen aussortiert zu werden, bei einer Lebenserwartung von achtzig oder mehr Jahren? Führen die kognitiven Unterforderungen, die damit einhergehen, wirklich zu Lebensqualität?

Natürlich nicht. Im Gegenteil: Arbeitsmarktpartizipation, sofern man ausreichend gesund ist, macht glücklich. Tagein, tagaus blöd rumsitzen, macht unglücklich. Und jetzt sehen wir uns einmal diese Chart an.

arbeitsmarktpartizipation.JPGMan sieht am ersten Blick: Nirgendwo ist ist die Arbeitsmarktpartizipation Älterer so niedrig wie in Österreich. Und das ist keine sozialpolitische Errungenschaft. Das ist ein Problem.

Wohlgemerkt: Natürlich gibt es Jobs, bei denen man nach dreißig Jahren ausgebrannt ist. Und natürlich macht, unter den Bedingungen von Arbeitsmarktkrisen, jeder, der in Rente geht, tendenziell einen Arbeitsplatz für Junge frei.

Aber es gibt natürlich nicht eine gewissermaßen fixe Anzahl von Jobs in einer Volkswirtschaft, sodass nur die Frage wäre, wie man sie auf die vorhandenen Arbeitskräfte verteilt. Bei einer gleichmäßigeren Einkommens- und Vermögensverteilung und dementsprechend höherer Binnennachfrage entstehen auch mehr Jobs; je besser qualifiziert die Arbeitskräfte, desto dynamischer entwickelt sich eine Ökonomie, umso mehr Jobs entstehen usw. Eine Wirtschaft ist nie ein Nullsummenspiel. Und selbst wenn die Renten eines wachsenden Pensionistenheeres finanzierbar sind – natürlich kostet es Geld, das möglicherweise sinnvoller eingesetzt werden könnte. Für Maßnahmen, die die Lebensqualität der Bürger erhöhen, statt für Maßnahmen, die sie senken, indem man die Menschen verfrüht aus dem aktiven Leben kippt.

Mit einem Wort: Man kann dies und jenes im Detail zu bedenken geben, aber in einer Hinsicht sollte man einen Schalter im Kopf umlegen. Es ist nicht progressiv, Menschen in Frührente zu verabschieden. Progressiv ist, dafür zu sorgen, dass Menschen so lange als möglich gute Jobs haben, die ihren Talenten entsprechen, sodass sie sinnvollen und erfüllenden Tätigkeiten nachgehen können.

Mehr Demokratie wagen! Für wen? Von wem?

Dringende Leseempfehlung: Der Blog und das aktuelle Jahrbuch des Göttinger Instituts für Demokratieforschung.

Blogs werden ja im Internet veröffentlicht, ein Beitrag ist schnell geschrieben und mit einem Klick in die Welt gesetzt. Oft haben sie natürlich auch etwas Flüchtiges. Das Medium Buch ist dagegen so ziemlich das Gegenteil. Bäume müssen gefällt werden, die Texte werden im optimalen Fall mit viel Bedacht geschrieben und redigiert, dann wird gedruckt, gebunden und dann bringen stinkende LKWs die Bücher zu den Kunden. Heute möchte ich aber auf etwas aufmerksam machen, was das Medium Blog und das Medium Buch auf das Schönste verbindet. Auf das Jahrbuch des Göttinger Instituts für Demokratieforschung 2010.

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Ein Besuch bei der SPD

Also, ich war schon ein bisserl überrascht, als an einem kalten Novembertag mein Handy klingelte und Sigmar Gabriel dran war, der Chef der deutschen SPD. Seine Frage: Ob ich nicht bei der Jahresauftaktklausur der Sozialdemokraten sprechen wolle. Aber gerne. Stattfinden wird das am kommenden Montag, dem 10. Januar, in Potsdam. Die dortige Regionalzeitung, die „Märkische Allgemeine“, fragte mich im Vorfeld schon mal, was ich denn da so vorbereitet habe:

Was werden Sie der SPD-Spitze am Montag sagen?

Misik: Es sind mehrere Publizisten eingeladen. Gustav Seibt von der „Süddeutschen Zeitung“ wird seine These vortragen, dass Deutschland innerlich konservativ geworden ist. Ich werde mich dagegen darauf konzentrieren, wie man über neue progressive Politik sprechen soll. Man muss sich nicht wundern, wenn die Leute konservativ werden – im Sinne eines Konservativismus der Verzagtheit und der Angst – wenn die progressiven Parteien es nicht schaffen, Ideen vorzutragen, um die Gesellschaft innerhalb von 15 oder 20 Jahren zu einer besseren zu machen. In der mehr Menschen die Möglichkeit haben, aus ihrem Leben etwas zu machen. In der wir uns nicht damit abfinden, dass 20 Prozent einfach zurückbleiben. Das muss doch wohl möglich sein, in optimistischem Ton Lösungen anzubieten. Es gibt ein Ziel einer besseren Gesellschaft – nicht die Utopie eines Idealstaates, sondern etwas ganz Reales. Aber dieses Ziel haben die Sozialdemokraten seit Jahrzehnten nicht mehr verfolgt.

Das vollständige Interview lesen Sie hier.

Cablegate des Tages

Früher blieben interne amerikanische Außenamtsdepeschen über ausländische Politiker ja noch geheim – zumindest ein paar Jahrzehnte lang, bis sie offiziell eingesehen werden konnten. So wie dieses hier aus den späten fünfziger Jahren.

„Der latente Antisemitismmus des durchschnittlichen Österreichers scheint seiner Karriere keinen Abbruch getan zu haben, wenn er auch zu Reibungen innerhalb der Partei geführt haben mag… Man kann davon ausgehen, dass Kreisky in den kommenden Jahren beträchtlichen Einfluss auf Österreichs Innen- und Außenpolitik ausüben wird. Während er es wohl niemals schaffen dürfte, österreichischer Kanzler zu werden, ist es schwer vorstellbar, dass ein österreichisches Kabinett in absehbarer Zeit ohne Kreisky auskommen könnte.“

Na, das ist ja eine schöne Einstimmung ins Kreisky-Jahr, ganz im Wikileaks-Stil.

(aus: Wolfgang Petritsch: Bruno Kreisky. Die Biografie. Residenz-Verlag, 2010).

Wir trauern um Peter Kreisky

So etwas ist immer traurig, aber wenn es so früh und unerwartet geschieht, ist es nur mehr schockierend: Peter Kreisky ist tot. Er starb, gerade einmal 66 Jahre jung, auf Mallorca.

Und das nur wenige Tage vor Beginn der Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag seines Vaters Bruno Kreisky, die ihm so viel bedeutet hätten. Einfach nur traurig. Peter Kreisky – ein integrer Mann, guter Mensch, Freund und Mitstreiter, der uns fehlen wird.

peter kreisky daniel novotny.jpg                                                  Foto: Daniel Novotny

Unschuldsvermutungslämmer als Opferlämmer

Falter Protokolle.JPGEine der für mich schönsten Stellen in den Falterleaks-Telefonprotokollen ist bisher in der öffentlichen Diskussion noch nicht ausreichend gewürdigt worden. Nachdem sich Meischberger, Plech und Grasser stundenlang über ihre krummen Geschäfte ausgetauscht und sich beratschlagt haben, werden sie plötzlich weinerlich – und sehen sich als Opfer (!) politischer Verfolgung und jener Justiz, die sie in Wirklichkeit ja mit Samthandschuhen anfasst (um nicht zu sagen: schützt):

…ja schauen wir uns einmal an, insgesamt tut sich die Lage für mich total aufklären, das ist total politisch motiviert, und zwar durch des, das wir jetzt 10-jähriges Jubiläum der schwarz-blauen Koalition haben…

… die man unmöglich machen will für alle Zukunft…

… genau, und das ist in allen Zeitungen usw, die Kommentatoren machen uns schlecht und die schlechte Geschichte will man personifizieren, in dem man die Leute im Umfeld vom Haider und der schwarz-blauen Koalition als Verbrecher und Korrupte usw darstellt…

… und das erklärt mir auch die extreme Vorgangsweise mit den Hausdurchsuchungen, das des wo war, insofern fühl ich mich wohler, weil ich die politische Motivation sehe.

Arm. So bös die Verfolgung von unseren Unschuldsvermutungslämmern.