Lust an der Grausamkeit

Herbert Kickl und der harte Kern seiner Anhänger – es ist womöglich eine perfektere Symbiose, als uns lieb sein kann.

Zackzack, August 2024

Herbert Kickl schreit viel herum, oder er presst seinen aggressive Dauerbeleidigtkeit heraus. Dabei gibt es kaum eine Minute ohne Unwahrheiten. Seine Standards sind Schmähungen und Verbalinjurien. Persönlich ist er in höchstem Grade misstrauisch, ein einzelgängerischer Sonderling. Als er einmal Innenminister war, hat er die Anti-Terroreinheiten des Staates faktisch geköpft. Zum Glück hatte gerade niemand einen Anschlag geplant, er hätte dank des komischen Herberts leichtes Spiel gehabt. Lust an der Grausamkeit weiterlesen

Alles reaktionäre Hinterwäldler?

Noch in den populären Rechtsextremismus-Analysen steckt viel Verachtung für die arbeitenden Klassen.

taz, das schlagloch, August 2024

Gelegentlich kommt es vor, dass Probleme, die lange verdrängt wurden, nicht mehr ignoriert werden können. „Endlich“, denkt man sich dann. Und allmählich schleicht sich dennoch ein Unwohlsein ein, das Gefühl, dass auch das Richtige leider auf die falsche Weise erzählt wird. Das Gefühl, dass das auch wieder nicht so stimmt. Auch wieder falsch ist, nur auf andere Weise.

So ähnlich geht es mir seit einiger Zeit, wenn die Rede auf „die Arbeiterklasse“ kommt. Alles reaktionäre Hinterwäldler? weiterlesen

Wie Gesellschaften entgleisen

Der Dramatiker Thomas Köck hat eine politische Chronik des Wahljahres geschrieben und ist dabei in eine Art Depression gefallen.

Falter, August 2024

„Wir nennen das ab jetzt den herbertkomplex. Die fortlaufende Untersuchung der Gegenwart“, schreibt Thomas Köck lapidar. „Der herbertkomplex ist der Rechtsruck, der kein Ruck mehr ist, sondern eine jahrzehntelange Verschiebung sämtlicher demokratischer Grundprinzipien“. Kein Ruck, sondern „Rechtserdrutsch“.

„herbertkomplex“, das steht für die Gesellschaftskrankheit, deren Symptom Herbert Kickl ist, der „herbert“, der durchgehend nur in Kleinschreibung vorkommt, um ihn nicht zu groß zu machen. In der „Chronik der laufenden Entgleisungen“ hat der österreichische Stückeschreiber und Theatermacher eine Art Buchführung der Gegenwart vollbracht. Chronik, Tagebuch, mit Eintragungen über ein Jahr. Sammlung der Niederträchtigkeiten. Soziologie des Alltäglichen. Wie Gesellschaften entgleisen weiterlesen

Immer im Krieg

Twitter verwandelte er in X und in ein Shithole, öffentlich stachelt er zum „Bürgerkrieg“ auf. Wie Elon Musk zum König der Cyberhetze geworden ist.

taz, August 2024

Es sind keine guten Wochen für Donald Trump. Kamala Harris und Tim Walz, das Kandidatenduo der Demokraten, hat Momentum und in den Umfragen einen Raketenstart. Sie sprechen vor knallvollen Arenas, während zu Trump-Rallyes oft nur ein paar tausend Fans kommen. Trump grämt das. Vor etwas mehr als einer Woche gab er eine groteske, wirre Pressekonferenz an seinem Landsitz Mar-a-Lago. Ein „Interview“, geführt von Elon Musk, über den Ex-Twitter Audiodienst „X-Spaces“ sollte kurz darauf wieder für etwas Schwung sorgen.

Am Ende wurde es eine Farce. Erst stürzte die Technologie ab und ließ sich lange nicht hochfahren, dann nuschelte der Republikaner-Kandidat unverständliches Zeug vor sich hin. Musk wiederum war ergriffen von der eigenen Bedeutung, zugleich peinlich unterwürfig, eine seltsame Mischung aus Devotheit und Gigantomanie. Zwischenzeitlich wurde im Duett auf Herrenreiterart verächtlich über Arbeiter gelacht, die für bessere Arbeitsbedingungen streiken, die „Kannst gleich gehen!“ zu hören bekommen, hohoho. Immer im Krieg weiterlesen

Krieg der Erzählungen

Hundert Jahre Gewalt und Eskalationslogik: Rashid Khalidis Geschichte des Palästina-Konfliktes.

Falter, August 2024

Die zionistische Kolonisation Palästinas war eine friedliche Besiedelung kargen Landes durch europäische Juden, die dieses erst urbar und bewohnbar machten; eine Besiedlung, die durch den Naziterror und den Holocaust beschleunigt wurde; ab der Staatsgründung Israels 1948 sah sich die junge Nation fanatischer Gegnerschaft ihrer Nachbarn ausgesetzt, verteidigte sich aber heldenhaft gegen deren Vernichtungsfantasien. Palästinenser gab es in diesem „Land ohne Volk“ sowieso keine, die seien eine Erfindung arabischer Israelfeinde. Ausgestreckte Hände haben die Araber immer zurückgewiesen, anstelle dessen auf Terror und hinterhältige Arglist gesetzt. Wenn gelegentlich auch Israel Blutbäder anrichtet, dann seien die letztlich auch seinen Gegnern zuzuschreiben, da ein kleines, verletzliches Land sich ja nur existenzieller Gefahr erwehre.

So in etwa lautet das jahrzehntealte PR-Narrativ, das heute dröhnend die Debatten dominiert. Krieg der Erzählungen weiterlesen

Der kleine Mann wird geopfert

Mit seinem Wirtschaftsprogramm macht FPÖ-Kickl schon einmal den Kotau vor der ÖVP. Das ist wenigstens ehrlich.

Bisher war es ja so, dass die FPÖ sich vor Wahlen zur „sozialen Heimatpartei“ stilisieren wollte, um nach den Wahlen dann die reichen Freunderln und Gönner zu hofieren und den kleinen Mann bluten zu lassen. Arzneigebühren, Selbstbehalte beim Arzt, den Zwölf-Stundentag, die Krankenkassenreform, derentwegen man heutzutage kaum mehr einen Arzttermin bekommt, Steuergeschenke für Konzerne: All das und viel mehr haben wir FPÖ-Allianzen mit der Volkspartei zu verdanken. Aber diesmal ist etwas anders. Diesmal versucht sich die FPÖ gar nicht mehr als soziale Partei zu positionieren, sie sagt schon vorher, dass sie den neoliberalen Wahnsinn, der seit Jahrzehnten die Reichen reicher und die Armen ärmer macht, noch radikalisieren will. Sie verstellt sich nicht einmal mehr, sie verkleidet sich nicht mehr.

Geschenkt, dass Herbert Kickl sagt, er wolle „keine neuen Steuern“, was heißt, dass es mit der FPÖ weder Vermögenssteuern und Erbschaftssteuern für Multimillionäre und Milliardäre geben wird, sondern das Groß der Steuern und Abgaben weiter von den einfachen Leuten abkassiert werden, während andere fast ein Freispiel haben. Der kleine Mann wird geopfert weiterlesen

Die Freude in der Politik

Kamala Harris brachte Humor und Optimismus in die US-Politik zurück. Wir könnten davon auch etwas brauchen.

„Danke Dir, dass Du die Freude zurück gebracht hast“ – diesen bemerkenswerten Satz sage der US-Vizepräsidentschaftskandidat Tim Walz über seine Chefin, die Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris. Das ist nicht nur so ein dahingesagter Satz. Mit einem Mal sind plötzlich wieder Humor, Hoffnung, Optimismus in der US-Politik zurück, aber auch Vernünftigkeit und eine Prise Selbstironie.

Als wäre ein Nebel aus schlechter Laune weggeblasen.

Bemerkenswert: Sofort schossen Harris und Walz, die Gegenspieler und Herausforderer von Donald Trump in den Umfragen in die Höhe. Der neue Spirit wirkt. Er ist ansteckend. Lag Trump gegen Joe Biden in den nationalen Umfragen knapp voran, führen nun Harris und Walz mit 53:47 Prozent. Klar, entschieden ist noch lange nichts. Die Freude in der Politik weiterlesen

Die Zeit der Narren

Die US-Demokraten lachen Donald Trump als „weird“ aus, als seltsamen Gestörten. Womöglich sollte man das mit Comical Herbert auch machen.

Zackzack, August 2024

Neuerdings warnen die amerikanischen Demokraten nicht mehr nur vor einer Präsidentschaft Donald Trumps – sie lachen ihn vielmehr aus. Trump sei „weird“, was soviel heißt wie „seltsam“, „eigenartig“, mit Beiklängen von „komisch“, „schrullig“ und „ein bisschen gestört“. Eingeführt hat diese Etikettierung Tim Walz, der Gouverneur von Minnesota und nunmehrige Vize-Präsidentschaftskandidat. Jetzt trommeln es die Demokraten und die Kamala-Harris-Kampagne rauf und runter. Weil es wirkt, weil es das Offensichtliche anspricht, weil es die schwächste Stelle von Trump und seinen Leuten trifft. Und weil ein autoritärer Egoman wie Donald Trump es so liebt, gefürchtet zu werden; weil er es genießt, wenn seine Provokationen die Gegner erregen und den Nachrichten-Zyklus beherrschen – und weil er im Gegenzug nichts mehr hasst, als wenn ihn alle Welt als schrulligen Mr. Komisch verlacht. Er ist dagegen hilflos: Sobald du nämlich wie ein Rumpelstilzchen schreist: „Ich bin nicht weird“, bist du erst recht weird.

Seltsamer geht nicht als ein Mann mit orangenen Haaren der wütend rumhüpft und schreit: „Ich bin nicht seltsam!“ Die Zeit der Narren weiterlesen

Urlaub in der Leistungsgesellschaft

Erbringen Sie in diesem Sommer ausreichend „Erholungsleistung“, wie das von die herrschende Ideologie von Ihnen fordert?

Zackzack, August, 2024

Dass sich „Leistung wieder lohnen“ müsse, gehört ja zu den fixen Schwadroneurs-Stehsätzen konservativer Politiker. Damit wird den normalen Leuten eine rhetorische Karotte hingehalten, denn in Wirklichkeit ist das Gegenteil gemeint: die Superreichen sollen ihre leistungslosen Einkommen aus Finanzvermögen, die sich wie von selbst vermehren, ungestört genießen können. Steuern oder Beiträge zum Gesundheits- und Rentensystem, pah, das ist doch nur etwas für den Pöbel. Während unsereins schnell auf reale Steuer- und Abgabensätze von bis zu 50 Prozent kommt, führen die „Spitzen der Gesellschaft“ wohl selten mehr als 20 Prozent ab.

Wer „Leistung muss sich wieder lohnen“ sagt, will, dass die Geldsäcke aus ihrer Bussi-Bussi-Gesellschaft weiter ein Freispiel haben. So einfach ist das meistens.

Denn wenn die Herren Nehammer und Co. wirklich etwas dafür tun wollten, dass sich „Leistung wieder lohnt“, dann könnten sie das leicht: Vermögenssteuern, Erbschaftssteuern usw. einführen, und im gleichen Verhältnis die Einkommenssteuern senken. Dann haben die, die etwas leisten, nämlich ein bisschen mehr und die, die auf Kosten der Welt leben, ein bisschen weniger. Aber das werden wir von ihnen nicht hören, da sind ihre Großspender dagegen. Urlaub in der Leistungsgesellschaft weiterlesen

Mit den Augen der Anderen sehen

Onur Erdurs großartige Studie über die (post-)kolonialen Wurzeln der französischen Nachkriegstheorie.

Falter, Juli 2024

Im Debatten-Getöse über „Wokeness“ oder „Postkolonialismus“ wird gerne genörgelt, amerikanische Simplifizierungen würden zu uns herüber schwappen. In den USA wiederum ist häufig zu hören, der radikale Manichäismus sei Folge des „postmodernen“ französischen Denkens, quasi eine Pariser Krankheit.

Blöde versimpelt ist beides. Doch in diesen aktuellen Kontext hinein liest sich Onur Erdurs brillante und elegante Studie „Schule des Südens“ mit noch mehr Gewinn. Der Berliner Kulturwissenschaftler legt eine wenig beachtete Geschichte frei – nämlich die Bedeutung der kolonialen Erfahrung für die legendären Begründer des französischen Nachkriegsdenkens, von Bourdieu, Barthes, Lyotard, Foucault, Balibar und vielen anderen. Mit den Augen der Anderen sehen weiterlesen

Der unintegrierbare Wilde

Wir denken, wir seien modern. Dabei trieft unser Common Sense nur so von kolonialistischen Klischees.

Heute kann man sich kaum eine politische Debatte oder einen Feuilletonartikel vorstellen, ohne dass das Wort „Diskurs“ fällt. Meist wird damit beschrieben, was gerade so geredet oder debattiert wird. Diskurs ist aber nicht einfach Gelaber und auch nicht gepflegtes Hin- und Herdiskutieren. Wenn wir von „unseren Diskursen“ sprechen, dann sollte es um den herrschenden Common-Sense gehen, um das, was gesagt werden kann und was nicht; darum, wer als Sprecher zugelassen ist, wem etwa „Sachverstand“ und „Objektivität“ zugebilligt wird. Geprägt werden die Diskurse auch durch tiefsitzende Grundannahmen, Vorannahmen, Vorurteile. Und durch fabrizierte, obsessive Themensetzung. Diskurs, so formulierte das Michel Foucault, der den Siegeszug dieser Vokabel erst einläutete, ist nicht nur das, was gesagt wird, sondern auch das, was nicht gesagt oder absichtlich verschwiegen wird, die Ordnung der Diskurse ist ohne Machteffekte nicht zu denken.

Gegenwärtig haben wir eine ganze Reihe an Diskursen über Krieg, Gewalt, Migration, „Ausländerkriminalität“, die unser gesellschaftliches Klima verpesten und in denen sich Tatsachensubstrate (also durchaus „wirkliche“ Geschehnisse) und Vorurteile sowie jahrhundertealtes Halbwissen verbinden. Der unintegrierbare Wilde weiterlesen

Der Kult der Gewalt und die Heuchler

Nein, es ist keiner „Radikalisierung aller Seiten“ am Trump-Attentat schuld. Sondern die Klimavergiftung & Gewaltverherrlichung der Rechtsextremisten.

Zackzack, Juli 2024

Das war nun also wirklich nicht Oarschknapp, sondern Ohrknapp. Ein Attentäter mit einem Präzisions-Sturmgewehr, wie man es in den USA an jeder Ecke zu kaufen bekommt, hat einen Anschlag auf den ehemaligen Präsidenten und nunmehrigen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump verübt. Präsident Joe Biden hat das Attentat verurteilt und das auch noch unfallfrei, man hatte ja schon Sorgen, er könnte den Anschlag auf „President Putin“ verdammen. Für Trump ist das zum Glück noch glimplich ausgegangen, nicht aber für einige seiner Anhänger – ein Toter, mehrere Schwerverletzte ist die Bilanz. Der Kult der Gewalt und die Heuchler weiterlesen