Unter „Hirnskeptikern“

Klimakatastrophe. Dürre, Mega-Hitze, und nun die große Flut. Aber der Kanzler findet, die Angst vor der „Untergangsapokalypse“ ist unser Hauptfeind.

Zackzack, August 2023

Im Osten haben wir einen Juli mit einer drei Wochen praktisch ununterbrochenen Hitzewelle erlebt. Manchmal bis 36 Grad, manchmal bisschen darunter. In den Schlafzimmern hatte es auch Nachts bis zu 28 Grad, außer man hat eine Klimaanlage. Außerhalb der Städte stöhnte die Landwirtschaft über Dürre, Hitze und Hagel, und die Hagelversicherung stöhnte natürlich auch und schätzte einen Schaden von rund 500 Millionen Euro durch die ganzen Wetterereignisse des letzten halben Jahres, von dem späten Frost, der der Marillen killte, bis zur monatelangen Trockenheit. Fast übergangslos ging es flott ins Extremwetterereignis, kaum regnet es einmal, gießt es in Kübeln vom Himmeln, halb Kärnten, die Steiermark, das Burgenland und vor allem Slowenien stehen unter Wasser und es gibt Spezialsendungen im Fernsehen. Da ein Extrem, dort ein Extrem. Zwischenzeitlich schieben sich Eisschollen durch die Fußgängerzonen. Wehrschütz, der Tausendsassa, hat es aus den Schützengräben des Donbas in die überschwemmten Gebiete des Balkan geschafft. Wahrscheinlich ist er gerudert.

Wenn sich die Mikl-Leitners so für die Normalität einsetzen, können die nicht mal etwas für normales Wetter tun?

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Die Krise des Westens

Ranziges antiwestliches Ressentiment und westlicher Selbsthass machen die Luft nicht besser.

taz, August 2023

Unlängst haben wieder ein paar Schrullis für „den Frieden“ demonstriert, es wurden die obligatorischen russischen Fahnen geschwenkt, und einer hielt ein Schild hoch, in dem er anregte, Russland möge endlich Atomwaffen einsetzen. Das erinnerte mich an die Episode vor etwa zehn Jahren, als in Syrien die al-Nusra-Front (das waren seinerzeit die „gemäßigten Terroristen“), eine Handvoll UN-Blauhelme als Geiseln nahm und erklärte, sie würde sie nur freilassen, wenn sie von der UN-Terrorliste gestrichen würden. Genau mein Humor.

Heute ist viel von der „Krise des Westens“ die Rede. Es gibt so ein paar Begriffe, die kommen praktisch fix nur in Kombination mit dem Attribut „Krise“ vor.

Eine ewige Kompliziertheit ist es mit dem Westen: Er steht für die Idee der Freiheit, zugleich aber auch für Selbstverleugnung, Überheblichkeit und Verlogenheit. In Hegels Auffassung von der Geschichte der Philosophie wandert der Weltgeist von Osten nach Westen, wo er dann zu finaler Reife gelangt. Eine Selbstfeier von Aufklärung und Universalismus ist das, aber voller Überlegenheitsgefühle, was dann wiederum den Universalismus in Frage stellt. Also irgendwie westlich und antiwestlich zugleich. Aufklärung, Egalitarismus und White Supremacy wohnen seit je leider Tür an Tür. Die Krise des Westens weiterlesen

Wilder Richtungsstreit in der FPÖ

Das faschistische Vorfeld treibt mittlerweile die FPÖ-Führung vor sich her.

Zackzack, August 2023

Antifaschismus ist keine „Meinung“ unter mehreren Möglichen, sondern der Gründungskonsens dieser Republik nach 1945. Alle, die sich nicht als Antifaschisten verstehen, sind insofern Staatsfeinde. Wer kein Antifaschist ist, will einen anderen Staat, nämlich den Bruch mit der demokratischen Identität der Zweiten Republik.

Vergangenes Wochenende fand in Wien wieder einmal eine Demonstration der rechtsextremen Identitären statt. An sich muss einem das mickrige Häufchen nicht sonderlich interessieren. Dass der Aufmarsch ausgerechnet bei Alfred Hrdlickas Denkmal gegen Krieg und Faschismus seinen Ausgang nehmen durfte, war ein kleiner Skandal am Rande.

Forderung nach ethnischen Säuberungen

Es wurde ganz offen für ethnische Säuberungen demonstriert („Remigration“), denn nichts anderes ist die ersehnte Ausweisung weiter Bevölkerungsteile, und gleich wurde davon phantasiert, dass es dann für die ethnisch „Einheimischen“ größere Wohnungen gäbe.

Früher hieß das „Arisierungen“. Wilder Richtungsstreit in der FPÖ weiterlesen

Senkt die Zinsen!

Wegen der Inflation drehen den Zentralbanken wild an der Zinsschraube. Damit verschärfen sie noch das Problem, kritisiert Maurice Höfgen.

Wir alle ächzen unter der Teuerung, beklagen die Inflation. Aber was ist das eigentlich – „Inflation“ – und was hilft dagegen? Diesen Fragen geht Maurice Höfgen in seinem neuen Buch nach. Höfgen, Ökonom, Betriebswirt, Autor, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundestags, ist ein bisschen so etwas wie das neue Wunderkind der progressiven Ökonomie. 27 Jahre ist er gerade alt geworden, „Deutschlands spannendster Nachwuchs-Ökonom“ nennt ihn die „Berliner Zeitung“.

Inflation kann viele Ursachen haben. Preisveränderungen gibt es auch in völlig normalen Zeiten. Dann gibt es die klassische Inflation: Wenn die Wirtschaft brummt, die Konsumnachfrage anzieht, wenn die Unternehmen an ihren Kapazitätsgrenzen produzieren, wenn Vollbeschäftigung herrscht und die Beschäftigten kräftige Lohnerhöhungen durchsetzen können. Gerne spricht man dann davon, dass die Wirtschaft „überhitzt“.

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Die Panik der Etablierten

Alle reden von den Ängsten der normalen Leute. Aber niemand nimmt sich der Beschwernisse der privilegierten Klassen an.

Zackzack, Juni 2023

Stets ist von den Sorgen und Bedrängnissen der einfachen Leute die Reden. Doch viel zu selten von den Beschwernissen der privilegierten Klassen. Dabei haben auch deren „Ängste und Sorgen“ ein Recht auf öffentliche Wahrnehmung. Den reichen Geldleuten, Großinvestoren, den Erfolgsmenschen in ihren Limousinen, diesen Gutvernetzten, die immer auf die Butterseite des Lebens fallen, und mit jedem Boom genauso gewinnen wie mit jeder Krise, die im Frieden die Dividenden einstreichen wie im Krieg, ihnen wird ja gemeinhin ein sorgenfreies Leben unterstellt. Während alle anderen ächzen, um ihre Rechnungen bezahlen zu können, haben sie ein schönes Leben – so eine verbreitete Ansicht. Doch auch das Leben der Etablierten und Herrschenden ist voller Sorgen und Bedrängnisse.

Schon vor hundert Jahren war das so. Mit dem aufsteigenden Kapitalismus und dem Wachstum großer Reichtümer ging ja die Idee von Bürgerrechten und der Demokratie einher, zugleich aber auch ein immenser Anstieg von Arbeiterheeren, die faktisch rechtlos gehalten wurden. Aber schon damals waren die Herrschenden natürlich von der „dunklen Ahnung“ (Axel Honneth) gepeinigt, dass sich Machtteilung auf lange Sicht nur hinauszögern, aber nicht verhindern werde lassen. Und die ganz Ängstlichen zitterten von einer Revolution der „gefährlichen Klassen“. Die Panik der Etablierten weiterlesen

Die FPÖ – eine einzige Skandalorgie

Man kann sich um den Kampf gegen die reaktionäre Ideologie nicht herum drücken.

Zackzack, Juni 2023

Unterstellen wir für einen Augenblick, dass es der ÖVP und Karl Nehammer irgendwie ernst wäre mit der Bekämpfung der FPÖ und dem „Sicherheitsrisiko“ Herbert Kickl. Okay, das bedarf natürlich einiger kognitiver Verrenkungen. Ohne Blauäugigkeit, die beinahe schon an Unzurechnungsfähigkeit grenzt, ist das natürlich schwer hinzubekommen. Schließlich koaliert die ÖVP in drei Bundesländern mit den „Sicherheitsrisiken“, darunter auch mit der Niederösterreich-FPÖ, die den rechtesten Rand vom rechten Rand darstellt. Aber versuchen wir es nur für einen Moment.

Dann ist es doch völlig verrückt, anzunehmen, dass man nahezu alle Rechtsaußen-Themen der FPÖ übernehmen kann, auch den Stil des Niederträchtigen, den Eifer der Bösartigkeit (Karl Mahrer!), und die identitätspolitische Besessenheit, mit der man nebensächliche Kulturkampfthemen zu zentralen Fragen aufbläst (Normaldenker-Hanni!) – und dennoch glauben könnte, es ließe sich zeitgleich vor der radikalen FPÖ warnen. Die FPÖ – eine einzige Skandalorgie weiterlesen

Freunderln und Wirtschaft

Die Inflation ist auch eine große Umverteilung. Die, die immer gewinnen, gewinnen auch jetzt.

Wirtschaftspolitik und deren Zusammenhänge sind oft so komplex, dass sie schwer zu verstehen sind. Oft werden sie auch noch in einer Fachsprache und einer Phrasenhaftigkeit behandelt, die den Schluss nahelegen: Es ist Absicht, dass Nicht-Fachleute dabei nicht mitkommen. Die Gründe dafür sind mannigfaltig: Viele Fachleute wollen wie Hüter eines Geheimwissens dastehen. Manche vertreten Lobbys oder einfach die Interessen ihrer Klasse, also die Interessen der Gutverdienenden und Vermögenden. Jeder Wirtschaftsexperte kennt viel mehr Vermögende als Bauarbeiter, Arbeitslose, Mindestrentner, alleine das trübt den Blick.

In Deutschland kann man das gerade gut sehen. Aufgrund des geplanten Sparkurses haben zwei Maßnahmen für Diskussionen gesorgt. Erstens: Die Kindergrundsicherung, die die Kinder aus ganz armen Familien unterstützen sollte, wird zusammengestrichen. Und Haushalte mit mehr als 150.000 Euro Jahreseinkommen sollen möglicherweise kein Elterngeld mehr bekommen.

Jetzt dürfen sie raten, was für mehr Aufregung gesorgt hat. Freunderln und Wirtschaft weiterlesen

Wie man Kulturkämpfe gewinnt

Niemand ist von Moralfragen und Identitätspolitik so besessen wie die Rechten. Die Linke wird diesem Kampf nicht ausweichen können.

Der Freitag, Juni 2023

Eine der schrägsten, bizarrsten, deswegen aber nicht minder verbreiteten Thesen ist: die Linken würden heute viel zu viel Identitätspolitik machen. Oder: Statt sich um Klasse zu kümmern, kümmern sie sich zu sehr um Identitätsfragen, um Diskriminierungen wegen Hautfarbe, Geschlecht, sexueller Orientierung. Auf diesem Feld der „Kulturkriege“ würden die Rechten gewinnen, zumindest aber hätten sie leichteres Spiel. Also: Die Linken laufen den Rechten ins Messer. Figuren wie Sahra Wagenknecht garnieren die fragwürdige These noch mit der denunziatorischen Behauptung, dieses seien vor allem Themen einer saturierten „Lifestyle“-Linken, von Leuten mit dickem Bankkonto und schlechtem Gewissen. Ulkigerweise hat sie mit der Verbreitung dieser These im vergangenen Jahr 750.000 Euro eingenommen.

Ein Blick auf die reale Welt zeigt: Niemand ist so sehr auf Identitätspolitik fixiert wie die Rechtsparteien. Niemand ist so sehr besessen davon, jede x-beliebige Sachfrage in eine quasi religiösisierte Gefühls- und Lebensstil-Angelegenheit zu verwandeln. Die Parteien der extremen Rechten haben es kultiviert, die der gemäßigten Rechten haben sich mittlerweile in einen Überbietungswettbewerb Richtung närrischer Identitätspolitik begeben. Wie man Kulturkämpfe gewinnt weiterlesen

Kommt bald die Marxistenverfolgung?

Man kann über die schrulligen Ideen der ÖVP lachen. Aber es sind Ideen von Verfassungsfeinden und von Gegnern von Liberalität und Freiheit.

Zackzack, Juni 2023

Über die schrulligen Träume der Wiener ÖVP von einer Marxistenverfolgung haben wir natürlich ausreichend gelacht. Längst wissen wir, oder glauben wir zu wissen, worum es der Partei geht: Möglichst skurrile, schräge Forderungen verbreiten, um irgendwie Schlagzeilen zu produzieren. Irgendwas mit Marx, um vom Murx in der Bundesregierung abzulenken. Es ist dieser übliche Unernst, der mit dem Rechtsdrift einher geht und der von der einstmals betulichen konservativen Partei Besitz ergriffen hat. Rechtspirouetten und Vertrottelung gehen Hand in Hand wie Laurel und Hardy.

Ohne Zweifel ist Lachen immer gut. Doch die Sache ist zu ernst, um sich auf das Schenkelklopfen zu beschränken. Kommt bald die Marxistenverfolgung? weiterlesen

Wirtschaftsdemokratie

Axel Honneth über den Geist der Demokratie und den Ungeist von Herumkommandiererei.

Falter, Juni 23

Die Vielen sind in unserer Gesellschaft nominell der oberste Souverän, zugleich aber faktisch verdammt machtlos. Erlebt wird diese Machtlosigkeit nicht selten als „Ohnmacht des kleines Mannes“, der empfindet, keine Stimme zu haben, nicht vertreten zu sein, also sich nicht wirksam im demokratischen System artikulieren zu können. Wirtschaftsdemokratie weiterlesen

Die Vernunft ist kein Extrem

Vielleicht sollten wir mit dem Begriff „Polarisierung“ etwas vorsichtiger umgehen.

Gern ist ja von der „Polarisierung“ die Rede. Beispielsweise jene, die die drohende Klimakatastrophe als eine ziemliche Gefahr ansehen, und jene, die sie leugnen oder Warnungen als übertrieben ansehen – die wären polarisiert, wird damit irgendwie ausgesagt. Oder anderes Beispiel: Während die FPÖ und Herbert Kickl seit Menschengedenken nichts anderes betreiben als die Menschen gegeneinander aufzuhussen, das Land in ein „Wir gegen Sie“ zu spalten, würde die SPÖ mit Andreas Babler jetzt etwas Ähnliches betreiben. Babler spricht ja gerne von „unseren Leuten“, womit die gemeint sind, für die die SPÖ eine Schutzmacht sein will. Das ist ja auch Polarisierung, wird plötzlich die Nase gerümpft.

Vielleicht sollten wir mit der Polarisierungsdiagnose einfach etwas vorsichtiger sein. Denn eine Polarisierung gibt es gar nicht. Die einen nehmen – sowieso viel zu spät – die Warnungen der Wissenschaft ernst, akzeptieren die Fakten und die Wirklichkeit. Hitzewellen, dauernde Extremwettereignisse, Wassermangel, Ernteausfälle, Überschwemmungen, Regionen, die man bald nicht mehr bewohnen kann. Es gibt die einen, die sagen: Dagegen sollten wir wenn möglich schleunigst etwas unternehmen. Und dann gibt es diejenigen, die sagen: Dagegen sollten wir nichts unternehmen, weil heiß war es früher auch. Die einen fragen: Wo kann man an ein paar Schrauben drehen, damit wir Emissionen senken, damit wir weniger Boden versiegeln, damit wir für Kühlung in der Nacht sorgen? Und die anderen rufen: „Nix, ich lass mich nicht umerziehen“, und beten im Extremfall einen Öltank an.

Ist das denn tatsächlich Polarisierung? Oder ist es nicht so, dass hier eher die Vernunft der Verrücktheit gegenübersteht, die Ernsthaftigkeit dem Unernst? Die Vernunft ist kein Extrem weiterlesen

Kommt bald die Marxistenverfolgung?

Man kann über die schrulligen Ideen der ÖVP lachen. Aber es sind Ideen von Verfassungsfeinden und von Gegnern von Liberalität und Freiheit.

zackzack.at, Juni 2023

Über die schrulligen Träume der Wiener ÖVP von einer Marxistenverfolgung haben wir natürlich ausreichend gelacht. Längst wissen wir, oder glauben wir zu wissen, worum es der Partei geht: Möglichst skurrile, schräge Forderungen verbreiten, um irgendwie Schlagzeilen zu produzieren. Irgendwas mit Marx, um vom Murx in der Bundesregierung abzulenken. Es ist dieser übliche Unernst, der mit dem Rechtsdrift einher geht und der von der einstmals betulichen konservativen Partei Besitz ergriffen hat. Rechtspirouetten und Vertrottelung gehen Hand in Hand wie Laurel und Hardy.

Ohne Zweifel ist Lachen immer gut. Doch die Sache ist zu ernst, um sich auf das Schenkelklopfen zu beschränken.

Falls Sie es im Detail nicht mitbekommen haben: Die ÖVP-Wien fordert einen Marxismus-Check für alle Formen von Förderungen durch die Stadt Wien. Wer also als Sozialarbeiter für ein Projekt Geld bekommt, müsste also einen Marx-Check bestehen – oder, je nachdem, wie man es nimmt: bei der Marx-Prüfung durchfallen –, ebenso jede Theatermacherin oder jeder Lyriker, der um eine Förderung ansucht. Man könnte dann gleich Bertolt Brechts Stücke wieder verbieten. Auch Elfriede Jelineks Arbeiten sollten einem Bann unterworfen werden. Milo Rau, gerade zum Intendanten der Wiener Festwochen bestellt, müsste wohl umgehend wieder mit Schimpf aus der Stadt gejagt werden. Kommt bald die Marxistenverfolgung? weiterlesen