Am kommenden
Mittwoch, 26. September, stelle ich im
Wiener Kreisky-Forum mein Buch
„Halbe Freiheit. Warum Freiheit und Gleichheit zusammen gehören“ vor (Suhrkamp-Verlag, 2012). Und zwar im Gespräch mit
Sonja Ablinger und
Christian Friesl. Beginn, 19 Uhr. Näheres
hier. Zur Einstimmung schon mal ein Essay von mir, der in der jüngsten Ausgabe der WOZ, der Schweizer „Wochenzeitung“ erschienen ist.
Konservative und Neoliberale plustern sich auf, sie wären die „Kraft der Freiheit“. Das ist absurd. Die Linken sollten sich den Freiheitsbegriff zurückerobern.
Es gehört zu den eigentümlichsten Seltsamkeiten unserer an Seltsamkeiten nicht armen Welt, dass sich die Konservativen und Neoliberalen als „Kraft der Freiheit“ grosstun, während sie den Linken und Progressiven die Punze umzuhängen versuchen, diese seien für Gängelung und die Einschränkung der Freiheit des Einzelnen. Vielleicht noch Bemerkenswerter ist, dass die Linken dem seit Jahrzehnten wenig entgegensetzen: „Freiheit“ wird gewissermaßen als Propagandabegriff der Rechten – „Wirtschaftsfreiheit!“ – abgehakt, während die Progressiven sich als Kraft der Gerechtigkeit darstellen wollen. Der Freiheitsbegriff wurde den Konservativen und Neoliberalen praktisch kampflos überlassen.
Das ist nicht nur deshalb bizarr, weil in der Ideen-Geschichte und der politischen Geschichte des Westens es meist die Linken und progressiven Liberalen waren, die sich für Freiheits- und Bürgerrechte und gleiche Rechte für alle starkgemacht haben – in den allermeisten Ländern des Kontinents, beispielsweise Deutschland, Österreich waren es die Sozialdemokraten, die gegen die Zensur stritten, Versammlungsfreiheit durchsetzten und das allgemeine Wahlrecht und die Demokratie erkämpften. Und die Konservativen waren es, die nach Polizei und Militär schrien, wenn jemand zu laut die Parole „Freiheit“ äußerte. Es ist also nicht allein deshalb bizarr, weil in der Geschichte beinahe alle Freiheitsrechte von Progressiven erkämpft wurden. Es ist ja auch in der Gegenwart so, dass jene Konservativen und Neoliberalen, die sich ansonsten in betörenden Wortgirlanden auf die „Wirtschaftsfreiheit“ berufen und auf die „Freiheit des Einzelnen“ sowie auf dessen Recht, vom „bürokratischen Moloch Staat“ unbehelligt zu werden, keine großen Probleme mit manifesten Freiheitseinschränkungen haben. Gleichzeitig sind sie ja stolz darauf, „Tough on Crime“ zu sein, und befürworten fragwürdige Vorratsdatenspeicherungen, flächendeckende Überwachung mit Videokameras, juristische Schnellverfahren gegen Störenfriede, gerichtliche Notmaßnahmen gegen Terroristen oder jene, die sie dafür halten, ein rigides Grenzregime und vieles andere mehr. Wo die Freiheit des Einzelnen mit der „Wirtschaftsfreiheit“ – also mit den Geschäftsinteressen mächtiger Wirtschaftsakteure – in Konflikt gerät, etwa in Urheberrechtsfragen, entscheiden sie sich beinahe instinktiv für die Geschäftsinteressen und gegen die Freiheit. Wissen wird tendenziell privatisiert und damit der freien Aneignung und Verwertung entzogen. Dieselben, die in Sonntagsreden etwa über die „Schweiz in der Welt der Freiheit“ palavern, machen sich Wochentags für die massive Verschärfung der Polizeigesetze stark, und haben überhaupt keine Probleme damit, noch das geringfügigste abweichende Verhalten zu sanktionieren: Bald wird schon jeder, der im öffentlichen Raum herumlungert, eine Bierdose öffnet oder bettelt, mit polizeilicher „Wegweisung“ oder Schlimmerem zu rechnen haben.
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