Aus dem Handwerksbuch der Fake-News-Schleudern: Erfinde irgendeinen Quatsch, verbinde den politischen Gegner damit und mache einen billigen Punkt.
Am Wochenende sorgten einige Berichte für Aufsehen, in denen einerseits Sebastian Kurz das vereinbarte Schweigen über den Verlauf der Regierungsverhandlungen brach (Botschaft: Es ist schwer mit den mühsamen Grünen, aber jetzt sind wir in der Zielgerade), und in denen andererseits anonymisiert über die Grünen von ÖVP-Seite hergezogen wird. Diese hätten viele absurde Forderungen in ihrem Katalog, etwa dass Flutlichter in Fußballstadien ab 21 Uhr abgedreht werden müssen, damit es die Insekten schön dunkel haben, oder dass das Wort „Entwicklungsländer“ im Koalitionspakt durch andere Begriffe, wie etwa „globaler Süden“ ersetzt wird. Allgemein sorgten die Durchstechereien für Erstaunen, weil sie ein klares Foul der türkisen Strippenzieher darstellen.
Alle fragten sich: Was beabsichtigt Kurz? Will er die Verhandlungen etwa platzen lassen?
Mindestens genauso interessant ist aber die Art des Fouls.
Sehen wir uns an, was Sebastian Kurz und seine berufsmäßigen Wortverdreher (neudeutsch Spin-Doktoren) hier eigentlich machen:
Sie bekämpfen die inhaltlichen Positionen des politischen Gegners. Wobei hier schon als erstes auffällt, dass es sich ja im Grunde im Augenblick nicht um einen „Gegner“ sondern um einen „Partner“ handelt, also um jemanden zumindest, der demnächst zum „Partner“ werden solle, aber wie ein „Gegner“ behandelt wird.
Aber es werden ja nicht die wirklichen inhaltlichen Positionen des Gegners angegriffen. Da gäbe es, verfolgt man die Nachrichten, ja eine Reihe wirklicher Streitpunkte: CO2-Steuer, Entlastung von Arbeitnehmern und dafür die Einführung von Vermögenssteuern, vielleicht sogar die Abschaffung von Verbrennungsmotoren, Ausbau- oder Abbau des Sozialstaates und so weiter. Aber diese Fragen werden ja nur am Rand gestreift.
Aber was geschieht? Es werden Positionen des Gegners angegriffen, die dieser gar nicht hat, aber in den Augen eines Teils der Wählerschaft haben könnte. Nämlich absurde öko-phantastische Anliegen. Kurz erfindet Forderungen des Gegners (oder tut so, als wären Forderungen, die eine Einzelperson oder eine kleine Gruppe vielleicht irgendwann, irgendwo angedacht haben, Forderungen „der Grünen“), um diesen ins Lächerliche ziehen zu können. Die politische Debatte um reale Differenzen wird pervertiert zu einer Debatte um Fake-Forderungen.
Die Operation ist so simpel wie trostlos und effektiv: Erfinde irgendeinen Quatsch, verbinde den politischen Gegner damit und mache einen billigen Punkt.
Es ist so ziemlich genau das, was Donald Trump jeden Tag macht. Und was ist jetzt eigentlich genau der Unterschied zwischen Sebastian Kurz und Donald Trump?
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