„Die Schulden-Droge geht uns aus“

Mein Falter-Interview mit Tomas Sedlacek, dem Pop-Star der Wirtschaftsdiskurse. Falter, 2. April 2014
Tomas Sedlacek ist seit dem Erscheinen seines Bestsellers „Die Ökonomie von Gut und Böse“ so etwas wie ein Pop-Star der Ökonomie. Der 37jährige Prager war Wirtschaftsberater von Präsident Vaclav Havel und arbeitet heute als Chefvolkswirt der größten tschechischen Bank CSOB. Vergangene Woche war er Eröffnungsredner beim diesjährigen Symposium Dürnstein. 

Falter: Sie sind ein harter Kritiker der Mainstream-Ökonomie. Die hat aber den Vorteil, dass sie klare Politikempfehlungen abgibt…
Sedlacek: Und glauben Sie, dass das eine gute Sache ist…?
Aber kann ihre Kritik nur kritisieren, oder hat sie auch Ratschläge parat? 
Nun, die Mainstream-Ökonomie tut so, als wäre sie exakt, dabei ist sie das überhaupt nicht; sie tut so, als wäre sie wertfrei, dabei geht sie von klaren Wertentscheidungen aus; und sie verbreitet drittens falsche Sicherheiten. Sie baut schöne mathematische Modelle, und sagt dann auf dieser Basis, mit 98-prozentiger Sicherheit – oder auch nur 89-prozentiger – tritt dieser oder jener Fall ein. Was sie aber nicht sagt, ist: Ob das Modell stimmt, oder nicht, ist eine 50:50-Wahrscheinlichkeit. Sie gibt sich den Anschein der Exaktheit, aber das ist falsch. Die Mainstream-Ökonomie glaubt an den Homo Oeconomicus, aber noch nie ist jemand einer solchen Modell-Person begegnet, die nur ihren eigenen Vorteil verfolgt. Der Punkt ist nun: Niemand würde Ratschlägen folgen, wenn man sagen würde, es gibt bloß eine 50-Prozent-Wahrscheinlichkeit, dass sie richtig sind. Da könnte man ja gleich würfeln.
Okay, aber wo bleibt das Alternativprogramm? 
Na hören Sie, wenn man glaubt, man weiß etwas, obwohl man nichts weiß, dann ist das gefährlich. Da ist es viel sicherer, dass man weiß, dass man nichts weiß. Ich habe mal bei einem Bier einem Philosophen gesagt, die Sache mit der „unsichtbaren Hand des Marktes“ ist, wie wenn ein Blinder den Blinden leitet. Da hat der Philosoph gesagt: Nein, es ist viel schlimmer. Der Blinde weiß nämlich immerhin, dass er blind ist. 
Foto: Uschi Oswald

sedlacek.jpg

„Die Schulden-Droge geht uns aus“ weiterlesen

Banker für das Gute

Ein raffiniertes Finanzsystem ist eine großartige Sache, sagt US-Ökonom Robert Shiller. Bloßes Banker-Bashing führt in die Irre. Falter, 3. Dezember 2012

Robert Shiller, 66, ist einer der einflussreichsten Ökonomen der USA. Er ist Professor an der Yale Universität und hat sowohl das Platzen der Dotcom-Blase wie auch der Immobilienblase vorausgesagt. Vergangene Woche präsentierte er auf Einladung des Bruno Kreisky-Forum  in der Nationalbank sein Buch „Märkte für Menschen. So schaffen wir ein besseres Finanzsystem.“ (Campus-Verlag, 376 Seiten, 36,50,- Euro)

Sehr viele Leute meinen mit gutem Grund, dass Banken, Fonds und andere Finanzinstitutionen hauptsächlich dazu da sind, normale Bürger auszuplündern. Wie können Sie da behaupten, dass diese Branche einen Beitrag zu einer „guten Gesellschaft“ leisten kann?

Shiller: Funktionierende Finanzinstitutionen tragen zur zivilisatorischen Entwicklung der Menschheit bei. Je älter ich werde, umso mehr denke ich über die moralische Seite des Finanzsystems nach.

Aber Sie haben auch eine starke These: Je komplexer und ausgeklügelter ein Finanzsystem, umso mehr nützt es der allgemeinen Wohlfahrt.

Shiller: Das Finanzsystem gibt Menschen die Möglichkeit, aktiv zu werden, es macht großartige Dinge möglich. Es gibt nicht viel, was Sie als einzelner Mensch alleine machen können. Und wenn Sie kollektiv etwas machen wollen, braucht es die Regierung. Aber das Finanzsystem erlaubt Menschen, zusammen zu arbeiten, ohne die Regierung. Stellen Sie sich vor, Sie wollen ein Mobiltelefon bauen. Sie brauchen andere Menschen, sie brauchen Leute, die Ihnen Geld zur Verfügung stellen, es ist riskant, und manche Risiken müssen versichert werden. All das ermöglicht Ihnen das Finanzsystem.

Banker für das Gute weiterlesen

„Mit Schulden muss Schluss sein“

SPD-Vorsitzender Sigmar Gabriel über den umstrittenen Fiskalpakt, die Euro-Krise und die Frage, ob es den Sozialdemokraten heute an „Killerinstinkt“ fehlt. Falter, 5. Juni 2012
Sigmar Gabriel, 52, war Ministerpräsident in Niedersachsen, Umweltminister in der Großen Koalition und ist seit drei Jahren Parteivorsitzender der SPD. Die führt er allerdings in einer „Troika“, zu der auch Ex-Finanzminister Peer Steinbrück und der Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier zählen. Wer von ihnen nächstes Jahr als Kanzlerkandidat Angela Merkel herausfordert, wird demnächst von den dreien ausgepokert werden müssen. 
Nach dem Ausbruch der Finanzkrise hätte man eigentlich annehmen können, dass neoliberale und konservative Politik abgewirtschaftet haben. Stattdessen wurden aber vor allem Sozialdemokraten abgewählt. Woran lag’s?
Gabriel: Sie sind vor allem in jenen Ländern abgewählt worden, wo sie in der Regierung versuchen mussten, mit umstrittenen Maßnahmen ihre Länder vor dem Kollaps zu bewahren. Sie haben den Preis für unpopuläre Maßnahmen bezahlen müssen. Aber zur Wahrheit gehört natürlich auch, dass die Sozialdemokraten in den vergangenen 15 Jahren den Marktradikalen zu viel nachgegeben haben. Wir sind in Teilen mitverantwortlich für die Deregulierung und Entfesselung der Finanzmärkte. Wenn wir heute sagen, wir haben aus den Fehlern gelernt und wollen zurück zu einer fairen Balance in den Marktwirtschaft, dann begegnet uns Skepsis. Es gibt keine Veranstaltung, bei der nicht ein Sozialdemokrat oder ein Gewerkschafter aufsteht und fragt: ‚Warum sollen wir Euch jetzt glauben?‘ Darüber hinaus gibt es eine so dramatisch gewachsene Enttäuschung über die Politik allgemein, dass sich die Menschen komplett abwenden. 

„Mit Schulden muss Schluss sein“ weiterlesen

„Wer bedroht die Demokratie, Herr Negt?“

Ein Interview mit Oskar Negt

Seit den sechziger Jahren ist er einer der Stichwortgeber der unorthodoxen Linken in Deutschland: Oskar Negt, 76. Jetzt hat der Soziologe ein neues Buch vorgelegt: „Der politische Mensch. Demokratie als Lebensform“. Darin versucht er sich die Quellen für die Frustration und die Indifferenz zu analysieren, die den westlichen Demokratien heute so zu schaffen machen. Auch wenn die Institutionen funktionieren, so sein Urteil, ist die Demokratie heute doch gefährdet. Am Dienstag, 30 November, stellt sich Negt im Rahmen der „Wiener Stadtgespräche“ von Falter und der Arbeiterkammer den Fragen von Peter Huemer. Termin: 30. November, 19 Uhr. AK-Bildungszentrum, Theresianumgasse 16-18, 1040 Wien.

Für den Falter habe ich vorab folgendes Interview mit Oskar Negt gemacht.

„Wer bedroht die Demokratie, Herr Negt?“ weiterlesen

„Mehr Gleichheit ist besser für alle“

Heute, Mittwoch, 29. September, 19 Uhr habe ich Wiener Kreisky-Forum Richard Wilkinson zu Gast, den Co-Autor des Buches „Gleichheit ist Glück. Warum gerechte Gesellschaften besser für alle sind“. Im Folgenden die Langfassung eines Interviews, das ich für den aktuellen „Falter“ mit Wilkinson führte.

 

„Mehr Gleichheit ist besser für alle“ weiterlesen

Untersuchungen an Bankern

Der Soziologe Sighard Neckel hat die Parallelgesellschaft der Reichen und Einlfussreichen erforscht. Morgen, Donnerstag, 23. September, habe ich ihn im Bruno-Kreisky-Forum zu Gast. Für den Falter habe ich vorab schon folgendes Interview mit ihm geführt.

„Strukturierte Verantwortungslosigkeit – Berichte aus der Bankenwelt“, so heißt das neue Buch, das der Soziologe Sighard Neckel gemeinsam mit seinen Kolleginnen Claudia Honegger und Chantal Magnin herausgegeben hat. Dem ist ein großangelegtes Forschungsprojekt vorausgegangen, an dem die Soziologieinstitute der Universitäten Wien und Bern sowie das berühmte Frankfurter Institut für Sozialforschung beteiligt waren. In vielen dutzend Gesprächen mit Bankern in Österreich, der Schweiz und Deutschland wurde der Frage nachgegangen: Wie ticken die Banker eigentlich? Sighard Neckel, 53, selbst Leitungsmitglied des Frankfurter Instituts für Sozialforschung, ist seit 2008 Vorstand des Soziologieinstituts an der Universität Wien – und damit einer der prominentesten Neuzugänge im Wiener akademischen Betrieb.

Buchpräsentation: Donnerstag, 23. September, 19 Uhr. Bruno-Kreisky-Forum. Armbrustergasse 15. 1190 Wien.

Untersuchungen an Bankern weiterlesen

Planwirtschaft 2.0 – James K. Galbraith am kommenden Montag in Wien

Am Kommenden Montag, 14. Juni habe ich in meiner Reihe „Genial dagegen“ im Wiener Kreisky-Forum den amerikanischen Ökonomen James K. Galbraith zu Gast. Für den „Falter“ habe ich mit ihm vorab schon einmal dieses Interview geführt. Falter, 9. Juni 2010

 

 

Seine Bücher sorgen regelmäßig für Debatten, seine Beiträge, etwa in der „New York Review of Books“, sind stets kontrovers: James K. Galbraith, Professor an der University of Texas in Austin, ist einer der meistdiskutierten Ökonomen der USA. Das liegt ihm, salopp gesagt, im Blut: Schließlich war sein Vater, John Kenneth Galbraith, der amerikanische Keynesianer schlechthin – Spitzenökonom, Regierungsfunktionär unter Präsident Franklin D. Roosevelt, Berater von John F. Kennedy, Lyndon B. Johnson und anderen demokratischen Präsidenten. Kommenden Montag, 14. Juni spricht Galbraith im Rahmen der Reihe „Genial dagegen“ im Wiener Kreisky-Forum.

Planwirtschaft 2.0 – James K. Galbraith am kommenden Montag in Wien weiterlesen

Blair-Berater Roger Liddle: „Wir waren zu verliebt in die Märkte“

Roger Liddle war einer der führenden Strategie-Denker Tony Blairs. Patrick Diamond war bis zuletzt Head of Policy Planing im Office von Premierminister Gordon Brown. Kommenden Montag habe ich beide zu Gast in meiner Reihe „Genial dagegen“ im Kreisky-Forum. Im Vorfeld führte ich mit Liddle schon mal dieses Interview. Falter, 2. Juni 2010

 

Termin: Montag, 7. Juni. Roger Liddle & Patrick Diamond: The Only Way To Renew European Social Democracy. Kreisky-Forum, Armbrustergasse 15, 1190 Wien, 19 Uhr

Blair-Berater Roger Liddle: „Wir waren zu verliebt in die Märkte“ weiterlesen

„Sie zocken schon wieder“

Kommenden Montag, 22. Juni habe ich Heiner Flassbeck, Deutschlands-Paradekeynesianer, zu Gast in meiner Reihe „Genial dagegen“ im Kreisky-Forum. Für den „Falter“ habe ich mit Flassbeck schon einmal vorab ein Interview geführt. Darin sagt er: Wenn Banken hohe Renditen versprechen, sollte man sofort die Finanzmarktaufsicht rufen. 

 

Heiner Flassbeck: „Gescheitert. Wie uns der Marktfundamentalismus eine Weltwirtschaftskrise einbrockte.“

Montag, 22. Juni 2009, 19 Uhr, Kreisky-Forum für Internationalen Dialog, Armbrustergasse 15, 1190 Wien

 

Auf Facebook zur Veranstaltung anmelden 

 

Lesen Sie unten das gesamte Interview

„Sie zocken schon wieder“ weiterlesen