Weiß wählt schwarz

Barack Obamas Triumph bei den Vorwahlen in Iowa war kein Zufallssieg. Der charismatische Afroamerikaner kann nächster US-Präsident werden. Falter, 9. Jänner 2008

 

„Man muss schon ein Herz aus Stein haben, um davon nicht berührt zu sein“, schreibt Starautor David Brooks in seiner New-York-Times-Kolumne über den unerwartet klaren Vorwahlsieg von Barack Obama in Iowa. „Ein Afroamerikaner gewinnt eine hart umkämpfte Ausscheidung in einem Schlüsselstaat. Er schlägt zwei starke Kontrahenten, darunter die legendäre Clinton-Maschine. Und das, obwohl Wähler aus ländlichen Gebieten entscheiden. Und er schafft das, in dem er junge Wähler dazu bringt, sich an den Abstimmungen zu beteiligen“. Das ist, hebt Brooks an, „ein großer Moment. Es ist eine jener Zeiten, in denen eine Bewegung die phantastisch und idealistisch erscheint, zu einer Realität mit politischer Macht wird“.

 

Bis vor wenigen Wochen schien Hillary Clinton die „unausweichliche“ Kandidatin auf demokratischer Seite zu sein – mit beinahe unbeschränkten Geldmitteln, einem gut geölten Unterstützernetzwerk, dem Apparat der Demokratischen Partei und der Erfahrung aus zwei Präsidentschaftskampagnen an der Seite ihres Mannes. Aber jetzt ist selbst ein Durchmarsch Obamas nicht ausgeschlossen. Wenn Hillary Clinton die Primaries in New Hampshire auch verliert – die bei Drucklegung dieser Falter-Ausgabe gerade starteten –, dann ist das Rennen für sie wohl fast schon gelaufen. „Wenn Hillary ihn nicht in New Hampshire stoppt, wird Obama der Kandidat“, prophezeit Robert Shrum, ein Polit-Stratege der Demokratischen Partei. Genau wissen wird man es wohl am 5. Februar, wenn beim „Super-Tuesday“ das Gros der Delegierten für den Nominierungsparteitag bestimmt wird.

 

Gewiss, man liest das ja jetzt allerorten, Sieg und Niederlage in Iowa haben nicht immer viel zu bedeuten. Doch diesmal könnte Iowa den Beginn einer Kulturrevolution markieren. Barack Obama ist nicht ein schriller, extravaganter Kandidat, der in einem Kleinstaat mit obskurer Wählerschaft einen Überraschungssieg landet. Obama galt längst schon als die elektrisierende Gestalt des linksliberalen Amerika. Er ist ein politisches Naturtalent, unverbraucht, mit viel Charisma, einer, der es versteht, den Menschen Hoffnung zu geben. Ein Politiker der „ganz anders“ ist, aber doch kein Anti-Politiker. Einer, der reden kann wie Martin Luther King, und der dennoch nicht verstaubt wirkt, und der auch mit weißen Erdnussfarmern aus dem Mittelwesten so umgeht wie einer der ihren. Bloß hieß es bisher: Seine Zeit ist noch nicht gekommen. Zu unerfahren. Engstirnige Weiße würden nie einen Farbigen wählen und mag er auch so smart und nett sein wie Obama.

 

All das wurde in Iowa nun widerlegt. Iowa ist so gesehen für Obama das, was New York im Sinatra-Song ist: Wenn du’s da schaffen kannst, dann kannst du’s überall schaffen. Und es ist, wenn man nur Augen hat zu sehen und Ohren hat zu hören, auch gar nicht so überraschend: Obamas Talent, alle anzusprechen, unabhängig von ethnischen Spaltungen und politischen Polarisierungen, seine Fähigkeit, auf der Klaviatur des amerikanischen Optimismus zu spielen, den alten amerikanischen Traum als Utopie zu erneuern, macht ihn trotz seiner Jugend und seiner Hautfarbe zum aussichtsreichsten Bewerber im demokratischen Kandidatenfeld – durchaus auch in machtpragmatischer Hinsicht. Einer wie Obama kann auch republikanische Wähler für sich gewinnen, die die politische Polarisierung der vergangenen 15 Jahre satt haben. Hillary Clinton kann das nie schaffen. Stimmen jenseits ihres „Lagers“ sind für Mrs. Clinton praktisch nicht zu gewinnen. Für Obama aber schon.

 

Man sollte besser aufhören, den farbigen Juristen zu unterschätzen. Er weiß, wie sie ticken, die Farmer und Ölarbeiter in Texas, Arkansas und Alabama. Als Sohn eines kenianischen Einwanderers und einer Weißen, verbrachte er seine prägenden Jahre bei seinen Großeltern, hart arbeitenden weißen Amerikanern aus Kansas. Als man ihn einmal fragte, wie er es schafft, so einen guten Draht zu rotnackigen, maulfaulen Arbeitern zu knüpfen, antwortete er: „Die sind wie meine Großeltern.“ Übrigens: Die andere „Oma Obama“ lebt noch in Kenia in einer Hütte.

 

Halb Prediger, halb kommunitaristischer Theoretiker, halb linker Weltverbesserer, kann sich seiner Magie kaum jemand entziehen. Längst gilt Obama als der „neue Bobby Kennedy“. Wenn er einen Saal betritt, sagte unlängst der ehemalige US-Vizepräsident Walter Mondale, dann reagieren die Leute, „als läge Sternenstaub in der Luft – jeder will eine Prise abbekommen“.

 

Vor vier Jahren war Obama noch unbekannt. Es war bei der Democratic Convention, die im Sommer 2004 John Kerry zum Präsidentschaftskandidaten nominierte, bei der der damals 43jährige das erste Mal vor größerem Auditorium sprach. Und das war keine Rede, es war eine Erscheinung. Wer das damals am Bildschirm miterlebte – live, um vier Uhr Nachts unserer Zeit -, der hatte das instinktive Gefühl, einem historischen Moment beizuwohnen, einen Politiker zuzuhören, wie man ihn lange nicht mehr gehört hatte. Einem, der uns in den nächsten Jahrzehnten begleiten wird.

 

Obama fasziniert die Leute auch in den Kleinstädten, „in denen man normalerweise auf einen Farbigen reagiert, indem man die Fensterläden hinunter lässt“, wie das New York Magazine vergangenes Jahr formulierte. „Ich bin in der afroamerikanischen Gemeinschaft verwurzelt, aber ich bin nicht durch sie begrenzt“, sagte Obama selbst einmal in einem Interview. „Das Phänomen“, nannte ihn die New York Review of Books, nicht ohne hinzuzufügen, dass dies ein Begriff ist, „der für jene wenigen Menschen reserviert ist, die befähigt sind, unsere kollektiven Fantasien zu begeistern“.

2 Gedanken zu „Weiß wählt schwarz“

  1. Wie kann man blos so ein Urteil faellen? Wenn es eine Tendenz in Berlin oder auch in den USA gibt, die genau so ist wie du sie beschreibst, so tust du nichts weiter als sie mit deiner Aussage zu verfestigen. Du scheinst mir vorallem viel zu optimistisch was die deutschen und oesterreichischen Medien im Vergleich zu den amerikanischen angeht. 🙂
    Abgesehen davon, selbst wenn es starke Tendenzen gaebe die das was du sagst vermuten lassen, so ist niemandem gedient so zu tun als seien diese Tendenzen unausweichlich, es sei denn du moechtest Wahlkampf fuer Republikaner machen 🙂
    …wenn das so ist, dann ignoriere meinen Beitrag, ansonsten denke drueber nach welche Botschaft du mit dem was du sagst unterstuetzt.
    Bisher sah ich niemanden der die Zukunft mit 100%iger Sicherheit vorhersagen konnte 🙂

  2. Ähm…sagt mal, ihr wisst das Obama nicht ausschließlich Scwarz und afro-amerikaner ist?? seine Mutter ist weiß, sein Vater schwarz…das ist eine Mischung!!!!!!!!!!!!!!!

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