Falter, 23. 2. 2011. Als Tony Judts Buch „Ill fares the Land“ vergangenes Frühjahr erschien, wurde es allgemein als das politische Testament des schwer erkrankten New Yorker Intellektuellen gefeiert. Jetzt, wenige Monate nach seinem Tod, liegt es auch auf deutsch vor. Ob es eine so gute Idee war, die poetische Goldsmith-Zeile, die dem Buch den Titel gab, einfach wörtlich ins holpernde deutsche „Dem Land geht es schlecht“ zu übersetzen, sei dahingestellt. Judts Buch ist eine Anklage gegen Totalkommerzialisierung, gegen die Ökonomisierung aller Werte, dagegen, dass die Reichen immer reicher werden und die Unterprivilegierten heute in krasser Chancenarmut leben. Vor allem aber ist sein Buch ein Plädoyer – für den Sozialstaat und für eine Sozialdemokratie, die ihre Aufgabe und ihre Idee wieder ernst nimmt. Seine These, die Linke müsse heute eine Kraft des Bewahrens werden, obwohl sie doch in der politischen Bilderwelt mit „erneuern“ oder gar „radikal“ verbunden wird, wird längst heftig diskutiert in europäischen Sozi-Kreisen. „Wenn die Sozialdemokratie eine Zukunft hat, dann als Sozialdemokratie der Angst“, hat Judt formuliert. Ganz überzeugend ist das nicht.
Tony Judt: Dem Land geht es schlecht. Ein Traktat über unsere Unzufriedenheit. Hanser-Verlag, München, 189 Seiten, 19,50 Euro