Warum es besser gewesen wäre, die „Hinichen“ auftreten zu lassen…

Klaus Werner-Lobo ist ein guter Freund und Mitstreiter von mir. Gerade deshalb muss ich ihn heute kritisieren. 
Mein Freund Klaus Werner-Lobo hat etwas sehr Sympathisches getan: Er hat offenkundig bei einem von der Stadt Wien subventionierten Kulturveranstalter angerufen, auf die Förderrichtlinien der Stadt Wien hingewiesen (die etwa menschenverachtende & rassistische Botschaften als nicht förderwürdig einstufen) und damit den Auftritt einer Band verhindert, deren Texte gerade diese Botschaften transportieren. 
Ein paar Leute rufen jetzt „Zensur“, das sei wie zu Metternichs Zeiten. Aber das ist natürlich Unsinn. Es wird nicht zensuriert. Am freien Veranstalter-Markt kann diese Band jederzeit ungehindert auftreten. Halt nur am öffentlich geförderten nicht. 
Und ein paar Leute sagen jetzt auch: Ja, was weiß man, diese Band meint das alles vielleicht nur satirisch, oder es ist eine irgendwie künstlerische Verarbeitung oder „Transformation“ von Brutalitätsphantasien. Aber auch das ist Unsinn. Elfriede Hammerl hat sich (hier) intensiv mit dieser Band auseinandergesetzt, und kam zu dem ziemlich eindeutigen Befund, dass es recht sinnlos ist, Tiefsinn in diesem Stumpfsinn zu vermuten. 
Also, mit einem Wort: Es tut mir wirklich nicht leid, dass der Veranstalter den Gig der „Hinichen“ absagte. 
Aber doch habe ich ein bisschen Bauchweh. Mehr als das. Und ich will hier erklären, warum: 
Erstens: Es gibt so etwas wie Aufgabenteilung, die auch so etwas ähnliches wie Gewaltenteilung ist. Gewählte Mandatare – Gemeinderäte wie Klaus und andere – formulieren grundsätzliche Richtlinien für die öffentliche Verwaltung. Die Exekutive und ihre Beamten setzen sie um. In diesem Rahmen vergeben sie Subventionen an Veranstalter. Und diese Veranstalter verwenden dann die Gelder, sofern sie welche bekommen. Sie sollen in diesem Rahmen weitgehend frei sein und in eigener Verantwortung agieren. Wenn ihre Programmierung dann als nicht förderwürdig erscheint, darf das beim nächsten Antrag (ich nehme an, die werden jährlich gestellt) durchaus in die Entscheidung der Kulturbehörde einfließen. Simpel gesagt: dann bekommt nämliche Institution eben keine Förderung mehr, stattdessen erhält sie eine andere. Aber es ist nicht okay, quasi im laufenden Betrieb, womöglich täglich, in die Entscheidung der Veranstalter hineinzuregieren. Wer das macht, maßt sich eine Rolle an, die ihm nicht zukommt. Egal, wer das macht, egal, wie gute Gründe er hat. 
Zweitens: Wir sollten Dinge ertragen, die uns nicht passen. Es mag sein, nein, besser, es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit so, dass man durchaus sagen kann: das ist keine Kunst, sondern das ist die plumpe Verherrlichung von Gewalt, was diese Band da macht. Weil es da nicht diesen „gewissen“ künstlerischen Mehrwert gibt. Das Problem ist nur: Der ist halt auch schwer zu messen. Okay, es spricht viel dafür, instinktiv zu sagen: die Hinichen haben den nicht, jemand anderer – sagen wir: Eminem – hat den schon. Aber wie genau messen wir das? Wo, bitte schön, ist der exakte Maßstab dafür? Let’s face it: Den gibt es nicht. Wenn wir da mal mit dem Differenzieren beginnen, kommen wir in des Teufels Küche. 
Auch Klaus würde sagen: Die Kunst ist frei. Und er würde hinzufügen: Aber was die machen, ist eben nicht Kunst. Nur leider sind wir in einer Welt, in der es nicht die letztgültige Instanz gibt, die bestimmt, was Kunst ist. Und das heißt auch: Wenn jemand sagt, „das, was ich mache, ist Kunst“, dann ist es Kunst. Punkt. Basta. Das mag unbefriedigend sein. Aber wer eine befriedigendere Lösung hat, soll sie mir bitte mitteilen. 
Also besser: Mehr zulassen, als uns erträglich erscheint, als zu wenig. Und selbst wenn wir schon der Meinung sind, dass man solche Differenzierungen vornehmen sollte, dann sollte man dafür saubere Lösungen finden: Etwa eine Jury, die nicht in Verdacht steht, ein ideologisches Diktat auszuüben. Ein Politiker einer Regierungskoalition, auch wenn mir der nahe steht, ist ganz sicher nicht die Instanz, die hier legitim entscheiden kann. 
Drittens: Solche Aktionen bergen die Gefahr in sich, staatliche Aktivitäten als Ganzes zu delegitimieren. Das ist genau das, was die Neoliberalen brauchen, die dann sagen: Seht her, exakt das haben wir vorausgesagt. Ein aktivistischer Staat wird eine Förderungsbürokratie entwickeln, die die Freiheit einschränkt und das auch noch mit vordergründig gutgemeinten Argumenten. Der Staat beschränkt die Freiheit, und sei es durch seinen Hang zum Paternalismus. Der große linksliberale Gesellschaftswissenschaftler Karl Polanyi hat das schon vor achtzig Jahren vorausgesehen und daraus eine glasklare Konsequenz gezogen.  „Die echte Antwort auf die drohende Bürokratie als Quelle des Machtmissbrauchs besteht darin, Bereiche unumschränkter Freiheit zu schaffen, die durch eiserne Regeln geschützt sind.“
Wir sollten nicht dahinter zurück fallen.


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