Kitschig und erlogen. Fall Relotius oder Fall mit System?

Nur, weil jemand ein schlechter Reporter ohne jedes Berufsethos ist, ist das Genre der Reportage nicht mitverantwortlich.

Der Fall Relotius ist eine unglaubliche Fälschergeschichte. Und die Kakophonie der Kommentare dazu, die jetzt zu hören sind, klingt wie eine Reportage von Claas Relotius selbst: großes Kino, mit viel Übertreibung, haarsträubendem Unsinn und ganz viel Kitsch. der standard Robert Misik in seinem sonntäglichen Videoblog, diesmal zum Fall Claas Relotius.

Simpel, wie immer, die Rechten: Für die ist Relotius nur ein Beweis für die „Lügenpresse“. Weniger simple Gemüter schieben die Sache auf ein System, das Leute wie Relotius belohne oder gar produziere, wieder andere auf das Genre der Reportage mit literarischem Anspruch. So als hätte ein System den seltsamen Typen beim Hamburger Magazin dazu gezwungen, seine Reportagen zu erfinden. Nein: Relotius hat gegen alles verstoßen, was eben „dieses System“ in Form von Berufsethos und Compliance-Vorschriften an Regeln zu bieten hat, und zwar auf so haarsträubende und auch unsinnige Weise, dass man an seinem Verstand mit Recht zweifeln muss.

Er ist aber auch ein schlechter Reporter gewesen, weil er Kitsch produziert hat, der die Sehnsucht der Menschen nach Märchen befriedigte – weil er stets Geschichten ohne Grautöne produzierte, in denen keine echten Menschen mit ihren Widersprüchen vorkamen, sondern nur Karikaturen. Nur, weil jemand ein schlechter Reporter ohne jedes Berufsethos ist, soll das Genre der Reportage jetzt mitverantwortlich sein? Oh Gott, wie ich diesen Unsinn schon nach drei Tagen hasse. Gibt’s eigentlich kein Thema mehr auf der Welt, das nicht sofort für haarsträubende Generalisierungen und Vertrotteltheiten benutzt wird?

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