Andi Bablers Aufstieg vom Underdog zum Kanzlerkandidaten ist wie ein kleines Polit-Märchen. Was ist das Geheimnis seines Erfolgs?
Welch irre Tage die SPÖ hinter sich hat – gekrönt durch das Additions-Fiasko, welches dazu führte, dass Hans Peter Doskozil zum Parteichef ausgerufen wurde, und erst zwei Tage später entdeckt wurde, dass in Wahrheit Andreas Babler die Stichwahl gewonnen hatte. Das eigentlich Bemerkenswerte ist da fast in den Hintergrund gerückt: Ein Basiskandidat, eine geerdete Anti-Establishment-Person ist zuerst in den Wettkampf um die Parteiführung eingestiegen, hat dann beachtliche 32 Prozent der Stimmen aller Mitglieder erhalten und im Finale des Parteitags sogar die Mehrheit der Funktionäre für sich einnehmen können. Wer das vor fünf Monaten prophezeit hätte, wäre augenblicklich zu einem Phantasten oder Spinner erklärt worden.
Wer Parteien kennt, die Behäbigkeit von Apparaten, deren Hang zum Gewohnten, der ahnt, was das eigentlich für eine kleine Revolution ist. Mit Andi Babler wird kein abgeschliffener Kandidat SPÖ-Vorsitzender, sondern ein hemdsärmliger Bürgermeister, der sagt, was er sich denkt, der zu seinen Werten und Grundsätzen steht, so einer, von dem man früher wohl gesagt hätte, das sei „noch ein echter Sozi“.
Man kann jetzt schon fix davon ausgehen: Die herrschenden Zirkel, die Geschäftemacher, die Schlaucherln, Strippenzieher und Champagnisierer, diese Kamarilla aus Geldleuten und liebedienerischer Politik, sie werden das als die Größte Denkbare Bedrohung ansehen. Die Blase, die sich in Chats selbstironisch „Wir sind die Hure der Reichen“ nennt, wird mit Hilfe ihrer Berater-Clans und befreundeter Medienmacher aus allen Rohren auf Babler schießen. Sie werden tief in den Dreck greifen, um ihre Privilegien zu verteidigen. Jede Petitesse werden sie ausgraben, jede Kleinigkeit, die sie finden können, werden sie zu einem Elefanten aufblasen.
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Das ist eine Gefahr für Babler, ohne Zweifel. Sie werden alles versuchen, um ihn zu ruinieren. Aber zugleich ist es eine große Chance. Mit jedem Angriff wird klar werden, dass Babler nicht zur Truppe der Mittuer gehört, die große Sprüche über ihre Zuneigung zum „kleinen Mann“ klopfen, aber am Ende ein verlässlicher Kumpan der Etablierten sind. Er kann das, wenn er die Ruhe bewahrt, in einen Vorteil verwandeln. Wie im Judo, wo man die Energie des gegnerischen Angriffs dafür nützt, den Kontrahenten auf die Matte zu befördern.
Seit Jahren hat sich die SPÖ angewöhnt, aus Angst vor einem angeblichen konservativen Zeitgeist sehr kurz zu treten, Motto: Vorsichtl und Rücksichtl. Erfolg hat das keinen gebracht. Taktiken, die wiederholt in die Hose gehen, sollte man daher durch Neues ersetzen. Andi Babler steht für eine überzeugte, furchtlose, auch idealistische sozialdemokratische Linie. Es ist nicht so unwahrscheinlich, dass gerade die Enttäuschten und Frustrierten genau auf so etwas gewartet haben. Und es geht ja nicht nur um große „Programmatiken“, sondern auch um persönliche Ausstrahlung. Dass jemand nah an den Leuten ist, dass man eine emotionale Verbindung spürt. „Ich bin jemand, der Menschen mog“, sagte er vergangene Woche in einem TV-Interview. Das war ein kurzer Halbsatz fast am Ende eines langen Gespräches, aber womöglich ist das ja eine nicht unwichtige Sache. Die ewig gleichen Kommentatoren grübeln darüber ob irgendwer ein bisschen mehr oder ein bisschen weniger „links“ oder „rechts“ sei, und sind blind dafür, dass das vielen Menschen relativ egal ist. Viel wichtiger ist, ob jemand authentisch und glaubwürdig ist als Fürsprecher derer, die sich nicht mehr wahrgenommen fühlen.
Das ist viel entscheidender für Erfolg oder Misserfolg. Wenn Babler als der gilt, von dem die Leute sagen, „das ist einer von uns“, dann ist er die größte Chance für die SPÖ seit langem.