Planwirtschaft 2.0 – James K. Galbraith am kommenden Montag in Wien

Am Kommenden Montag, 14. Juni habe ich in meiner Reihe „Genial dagegen“ im Wiener Kreisky-Forum den amerikanischen Ökonomen James K. Galbraith zu Gast. Für den „Falter“ habe ich mit ihm vorab schon einmal dieses Interview geführt. Falter, 9. Juni 2010

 

 

Seine Bücher sorgen regelmäßig für Debatten, seine Beiträge, etwa in der „New York Review of Books“, sind stets kontrovers: James K. Galbraith, Professor an der University of Texas in Austin, ist einer der meistdiskutierten Ökonomen der USA. Das liegt ihm, salopp gesagt, im Blut: Schließlich war sein Vater, John Kenneth Galbraith, der amerikanische Keynesianer schlechthin – Spitzenökonom, Regierungsfunktionär unter Präsident Franklin D. Roosevelt, Berater von John F. Kennedy, Lyndon B. Johnson und anderen demokratischen Präsidenten. Kommenden Montag, 14. Juni spricht Galbraith im Rahmen der Reihe „Genial dagegen“ im Wiener Kreisky-Forum.

Wie gefährlich ist die ökonomische Situation im Augenblick?

 

Galbraith: Sie ist extrem gefährlich. Die Gefahr besteht, dass die Spitzenpolitiker der wichtigen Staaten alles noch schlimmer machen.

 

Inwiefern?

 

Galbraith: Sehr viele Regierungen setzen jetzt auf Budgetkonsolidierung – also auf einen rigorosen Sparkurs. Wenn das passiert, werden wir in eine lange Phase von Stagnation und Rezession gehen. Wir kommen nicht aus der Krise, indem man mehr Leute aus dem Job wirft – aber darin besteht dieses Konzept praktisch.

 

In den ersten Monaten der Krise haben alle Regierungen massive Bankenrettungspakete und Konjunkturprogramme aufgelegt – sie haben sich doch„keynesianisch“ verhalten.

 

Galbraith: Das war ihr erster, richtiger Instinkt. Aber jetzt geht es in die andere Richtung: Die Regierungen wollen richtig in die Krise hineinsparen, und das wird sich als fatal erweisen.

 

Andererseits: Haben Länder wie Griechenland, aber auch Spanien, Portugal und Großbritannien eine andere Wahl als ihre Budgetdefizite zu reduzieren?

 

Galbraith: Die Europäische Union hätte die Alternative, als politische Einheit zu agieren. Die Schwierigkeiten von Griechenland, Spanien oder Portugal, ihre Schulden zu refinanzieren, hat doch im Grunde sehr wenig mit diesen Länder im Konkreten zu tun – und sehr viel mit der globalen Krise des Finanzsystems.

 

Und in den USA – macht die Obama-Regierung einen passablen Job?

 

Galbraith: Die Regierung hat die Konjunktur stabilisiert. Aber bisher hat sie noch keine allzu couragierten Pläne präsentiert, wie das Bankensystem reguliert und an die Leine genommen werden könnte, weder, wie die Bilanzen der Banken wieder in Ordnung gebracht werden können, noch wie die Managements der Banken wieder in Ordnung gebracht werden können. Und das wäre das Entscheidende.

 

Ihr jüngstes Buch heißt „Der Räuberstaat“ – hat das Finanzsystem unsere Ökonomien ausgeplündert?

 

Galbraith: Das ist überhaupt keine Frage. Die Immobiliengeschäfte und die Hypothekenvergabe waren auf massive Weise kriminell. Man hat den Menschen Hypothekenkredite angedreht, die Gebühren kassiert und die Risiken an arglose Anleger auf der ganzen Welt verkauft. Und im Effekt hat man auch noch die staatliche Einlagensicherung ausgeplündert. Die Ratingagenturen haben praktisch als Geldwäscheanlagen funktioniert, sie haben schlechte Wertpapiere genommen und ihnen ein AAA-Rating verpasst – und sich von den Banken dafür bezahlen lassen. Wegen der brandgefährlichen Situation, die das ausgelöst hat, fliehen jetzt alle Anleger in US-Staatsanleihen. Und das ist auch die wesentliche Ursache für die Staatsschuldenkrise mancher europäischer Länder – weil ihnen niemand mehr ihre Government Bonds abkaufen will. In diesem allgemeinen Unsicherheitsgefühl glauben die Investoren, dass ihr Geld bei den großen Ländern in größerer Sicherheit ist.

 

Was sagen uns all diese Vorgänge über die Idee, dass freie Märkte zu einer effizienten Allokation von Kapital führen?

 

Galbraith: Na, die Frage beantwortet sich selbst. Jedenfalls werfen diese Geschehnisse drängende Fragen auf, inwiefern freie, deregulierte Kapitalmärkte die ökonomische Prosperität einer Volkswirtschaft unterstützen. Aber wir müssen uns auch die Frage stellen, wie denn überhaupt in den nächsten Jahren das Finanzsystem wieder funktionstüchtig werden soll. Die Kreditvergabe amerikanischer Banken an private Haushalte wird so schnell nicht wieder in Gang kommen – aber auf der beruhte unser Konsummodell. Dass die Europäische Union jetzt eingesehen hat, dass sie öffentliche Mittel zum Ankauf von Staatsanleihen einsetzen muss, wirft aber ebenso die Frage auf, wie denn kleine Staaten wieder einen ausreichenden Zugang zu den Kapitalmärkten bekommen können.

 

Wenn Anleger wieder Vertrauen haben, dass sie das Geld zurück bekommen, wenn sie es Griechenland oder Spanien leihen, dann werden sie wieder Anleihen dieser Staaten kaufen.

 

Galbraith: Klar, wenn sie sicher sind, dass es nicht wieder spekulative Attacken gibt, die den Wert dieser Anleihen in den Keller treiben. Solange es aber Finanzinstrumente wie Credit-Default-Swaps – Kreditausfallversicherungen – gibt, können sie diese Sicherheit nicht haben.

 

Also muss man solche Finanzinstrumente wie CDS verbieten?

 

Galbraith: Leichter gesagt als getan. Warren Buffet hat diese Instrumente „finanzielle Massenvernichtungswaffen“ genannt. Und wie die „normalen“ Massenvernichtungswaffen sind sie nicht nur hoch gefährlich, wenn sie einmal erfunden sind, kann man sie nur sehr schwer „entfinden“.

 

Wir müssen die Märkte regulieren, wir müssen die Wirtschaft stimulieren und wir müssen unser industrielles System zu einer „Grünen Wirtschaft“ umbauen, schreiben sie in ihrem Buch. Brauchen wir dafür so etwas wie eine neue Planwirtschaft – Planwirtschaft 2.0?

 

Galbraith: Es gibt sehr viele Probleme, die ein planmäßiges Vorgehen verlangen und politisch-ökonomische Koordination auf sehr, sehr hohem Niveau. Die Klimakrise, die Energiekrise. Wenn wir uns ansehen, was in der Finanzkrise angerichtet wurde, dann ist die Vorstellung, die Kapitalmärkte könnten das Problem der Treibhausgase auf effiziente Weise lösen, eine ziemlich abgedrehte Phantasie. Wir brauchen einen planerischen Rahmen und Institutionen, die in längeren Perspektiven denken.

 

Was würden Sie den Parteien der demokratischen Linken – den Sozialdemokraten in Europa, den Demokraten in den USA – raten?

 

Galbraith: Die Schwäche der demokratischen Linken bestand in den vergangenen Jahren darin, dass sie aufgehört hat, unabhängig zu denken und ihre eigene, konsistente Vision zu entwickeln. Sie waren selber im Griff der ideologischen Vorstellungen, die die Rechte entwickelt hat – dieser Ideologie freier Märkte, dass Gesellschaften umso erfolgreicher seien, je deregulierter die Wirtschaft funktioniert. Sie haben auch die Vorstellung, dass Budgetdefizite das größte Übel seien, einfach so kritiklos übernommen. Eine Marktwirtschaft braucht Regulierungen. Niemand würde ein Auto fahren wollen, dessen Motor keine Kühlung hat. Der würde explodieren. Mit einem Finanzsystem ohne effektive Regulierung passiert exakt dasselbe. Die Parteien der demokratischen Linken brauchen Politiker mit der intellektuellen Kapazität und der Courage, diese Positionen überzeugend zu vertreten.

 

Montag, 14. Juni, 19 Uhr: James K. Galbraith: The Necessary Future of Social Democracy. Kreisky-Forum, Armbrustergasse 15, 1190 Wien.

 

 

Ein Gedanke zu „Planwirtschaft 2.0 – James K. Galbraith am kommenden Montag in Wien“

  1. Leider war ich am 14.6.nicht im
    Kreisky-forum. Doch hoffe ich
    das Transkript bald nachlesen
    zu können.
    Zu Deiner Website: wäre es nicht
    möglich Deine Seite weiterzuem-
    pfehlen: link auf Deiner Seite.
    Danke gerd brunner

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