Niemand zwingt die progressiven Parteien dazu, ungeschickt zu sein…

Thumbnail image for misik anleitung 1.jpgAnfang Oktober erscheint mein Buch: „Anleitung zur Weltverbesserung. Das machen wir doch mit links“. (näheres dazu hier). Als Teaser bring ich in den nächsten Wochen hier schon einmal ein paar Absätze.

Parteien sind kein Selbstzweck. Progressive Parteien erfüllen ihren Zweck, wenn sie funktionstüchtig in Hinblick auf das Ziel sind, Mehrheiten für eine Verbesserung unserer Gesellschaften zu gewinnen und somit diese Verbesserung zu ermöglichen. Viele frustrierte Sozialdemokraten ziehen aus der Krise ihrer Parteien den Schluss, sie müssten sich nun wieder mehr „nach links“ bewegen und die falsche Orientierung auf die politische Mitte aufgeben. Aber das ist richtig und falsch zugleich. Natürlich kann man mit allem Recht der Welt die Auffassung vertreten, eine gerechtere Steuer- und Sozialpolitik, die auch Vermögen, Vermögenszuwächse, Kapitalerträge, große Erbschaften und hohe Einkommen fair besteuert, sei eine „linkere“ Politik als die gegenwärtig von vielen Sozialdemokratien betriebene Politik. Oder dass eine Umweltpolitik, die das Großrisiko „Klimawandel“ ernst nimmt, „linker“ wäre als die gegenwärtige Kopf-in-den-Sand-Politik. Aber zugleich fehlt es der Sozialdemokratie an vielem, was nichts mit dem Kategoriensystem Rechts-Links zu tun hat. Ist eine Mitmach-Demokratie, ist eine Kommunikation in einer normalen Sprache, ist eine Personalpolitik, die versucht, blitzgescheite und rebellische junge Leute für die Politik zu gewinnen, wirklich prononciert „links“? Oder ist Modernität „links“? In gewissem Sinne braucht die Sozialdemokratie einen Ruck nach links, aber in vielerlei anderer Hinsicht hat sie – als altmodische Partei – einen Ruck in die Mitte der zeitgenössischen Gesellschaft bitter nötig.

Aber ein Ruck in die Mitte der Gesellschaft kann natürlich nicht heißen, dass man sich irgendwelchen imaginierten Meinungen dieser „Mitte“ anpasst. Das war der fatale Fehler des Schröderschen Konzepts von der „Neuen Mitte“ – die Phantasie nämlich, dass der gesellschaftliche Mainstream fix und unveränderbar sei und einen klaren Ort in der Gesellschaft hat. Wenn die Sozialdemokratie eine Zukunft haben will und einen produktiven Beitrag zu einem progressiven Neustart schaffen will, dann muss sie tatsächlich eine „Neue Mitte“ schaffen, indem sie die Mitte selbst „nach links“ rückt. Indem sie wieder Überzeugungskraft gewinnt, und indem sie neue gesellschaftliche Allianzen ermöglicht. 

Ihre Misserfolge und Niederlagen bei Wahlen bilanzieren die Führungsleute der Parteien der demokratischen Linken meist im Jammerton, sie beklagen sich dann über die Ungerechtigkeit der Welt. Denn sehr oft liegt in ihren Augen der Hauptgrund für ihre Rückschläge darin, dass der politische Gegner viel mehr Geld habe, dass er von den Medien bevorzugt behandelt würde, dass er so geschickt bei der Lancierung seiner neokonservativen Agenda oder einfach taktisch fürchterlich gerissen sei, sodass er die Sozialdemokraten regelmäßig über den Tisch zu ziehen vermag. Immerzu, kurzum, wird die Schuld bei den anderen gesucht, und noch das politische Geschick der Gegenseite wird als große Ungerechtigkeit angeprangert, als würde irgendjemand die Sozialdemokraten dazu nötigen, selbst ungeschickt zu sein. Als wäre es die Schuld von irgendjemanden, aber niemals von ihnen, wenn sie eine traurige Figur machen. Und als hätten die erfolgreichen politischen Kräfte der demokratischen Linken in der Geschichte unter einem machtpolitisch und medial günstigeren Umfeld operiert.

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