Länger arbeiten? Warum nicht!

Den meisten Zeitungen war das ja nur eine kleine Notiz wert: Sozialminister Rudolf Hundstorfer will ältere Menschen länger im Beruf halten und in den nächsten Monaten Maßnahmen beraten. Eine gute Nachricht. Zumal bisher die Debattenlage in dieser Frage etwas unterkomplex ist. Simpel gesagt: Auf der einen Seite gibt es die neokonservativen Alarmisten, die sagen, der Sozialstaat und die Renten sind unfinanzierbar. Man müsse kürzen, die Menschen müssen länger arbeiten. Auf der anderen Seite traditionelle Sozialdemokraten, die erstens zu beweisen versuchen, dass die Renten durchaus sicher sind und man gar nicht länger arbeiten muss – trotz der Veränderungen der Demographie.

Und dann wird fast so getan, als wären Regelungen, die möglichst zu früher Verrentung führen, irgendwelche verteidigungswürdigen sozialdemokratischen Errungenschaften.

Aber das ist höchst fragwürdig. Ganz unabhängig von allen Finanzierungsfragen stellt sich doch die Frage: Macht es die Menschen im allgemeinen glücklich, mit sechzig zum alten Eisen aussortiert zu werden, bei einer Lebenserwartung von achtzig oder mehr Jahren? Führen die kognitiven Unterforderungen, die damit einhergehen, wirklich zu Lebensqualität?

Natürlich nicht. Im Gegenteil: Arbeitsmarktpartizipation, sofern man ausreichend gesund ist, macht glücklich. Tagein, tagaus blöd rumsitzen, macht unglücklich. Und jetzt sehen wir uns einmal diese Chart an.

arbeitsmarktpartizipation.JPGMan sieht am ersten Blick: Nirgendwo ist ist die Arbeitsmarktpartizipation Älterer so niedrig wie in Österreich. Und das ist keine sozialpolitische Errungenschaft. Das ist ein Problem.

Wohlgemerkt: Natürlich gibt es Jobs, bei denen man nach dreißig Jahren ausgebrannt ist. Und natürlich macht, unter den Bedingungen von Arbeitsmarktkrisen, jeder, der in Rente geht, tendenziell einen Arbeitsplatz für Junge frei.

Aber es gibt natürlich nicht eine gewissermaßen fixe Anzahl von Jobs in einer Volkswirtschaft, sodass nur die Frage wäre, wie man sie auf die vorhandenen Arbeitskräfte verteilt. Bei einer gleichmäßigeren Einkommens- und Vermögensverteilung und dementsprechend höherer Binnennachfrage entstehen auch mehr Jobs; je besser qualifiziert die Arbeitskräfte, desto dynamischer entwickelt sich eine Ökonomie, umso mehr Jobs entstehen usw. Eine Wirtschaft ist nie ein Nullsummenspiel. Und selbst wenn die Renten eines wachsenden Pensionistenheeres finanzierbar sind – natürlich kostet es Geld, das möglicherweise sinnvoller eingesetzt werden könnte. Für Maßnahmen, die die Lebensqualität der Bürger erhöhen, statt für Maßnahmen, die sie senken, indem man die Menschen verfrüht aus dem aktiven Leben kippt.

Mit einem Wort: Man kann dies und jenes im Detail zu bedenken geben, aber in einer Hinsicht sollte man einen Schalter im Kopf umlegen. Es ist nicht progressiv, Menschen in Frührente zu verabschieden. Progressiv ist, dafür zu sorgen, dass Menschen so lange als möglich gute Jobs haben, die ihren Talenten entsprechen, sodass sie sinnvollen und erfüllenden Tätigkeiten nachgehen können.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.