Wie soll man als aufgeklärter Linker zu diesem Papst stehen?

Der Freitag, 28. März 2013

Wir haben einen neuen Papst und der sieht eigentlich ganz freundlich aus. Als „Bischof der Armen“ hat er sich zu Hause inszeniert, und er achtet auch sehr auf sympathische Public-Relations: Er fährt mit der U-Bahn durch Buenos Aires, wie jeder kleine Arbeiter, und sorgt dafür, dass davon dann auch Fotos in der Zeitung erscheinen. Und nachdem er zum Papst gewählt wurde, ließ er die Limousine stehen und fuhr mit den anderen Kardinälen im Bus zurück ins Hotel.

Solch ostentativer Verzicht auf Prunksucht und Privilegien aller Art ist an sich ja einmal sympathisch. Klar, es ist nur Symbolisches, aber Symbolisches ist eben auch wichtig. Ist ja okay der Kerl, könnte man also sagen. Als Kardinal hat er in einer kleinen Wohnung gewohnt und selbst gekocht.

Nun könnte man natürlich sagen, als aufgeklärter Linker kann man einem Papst nicht positiv, ja nicht einmal indifferent gegenüber stehen: Päpste sind schließlich gewissermaßen die Vorstandsvorsitzenden eine irrationalen Organisation, die den gesellschaftlichen und kulturellen Fortschritt immer verhindert hat und auch heute noch ein Bollwerk des Obskurantismus ist. Dass wir heute in fortschrittlich denkenden Kreisen eine gewisse Nachsicht gegenüber einer solchen Organisation hegen, ist weniger Ausdruck aufgeklärter Nüchternheit, sondern mehr von Lahmheit. Andererseits wissen wir natürlich auch: Ein mächtiges Bollwerk des Obskurantismus war die Kirche, solange sie mächtig war. Heute ist sie das nicht mehr. Heute ist sie eine Stimme in einem vielstimmigen Chor. Heute ist sie eher so etwas wie eine Insel des Obskurantismus in einer rationalen Welt, so dass manche Leute das Gefühl haben, so ein wenig Obskurantismus solle doch bitte schön unter Naturschutz gestellt werden.

Und apropos Stimme unter vielen: In vielen Fällen ist die
Kirche eine gute Stimme. Wenn es etwa um Hilfe für Flüchtlinge geht, hat man
als Linker mit Bischöfen meist mehr Gemeinsamkeit als mit sozialdemokratischen
Innenministern.
 

Das alte Ressentiment also begraben, die Schützengräben
zwischen Aufklärung und Frömmlerei zuschütten? Nun, ja, gewiss, bis zu einem
bestimmten Grad spricht da nichts dagegen: Sollen Pfarrer und Caritas-Leute
doch glauben, woran sie wollen, wenn sie mit meinesgleichen an einem Strang
ziehen, ist das doch gut.

Die Gefahr ist eher, dass man mit solcher Nachsicht zu weit
geht und Dinge achselzuckend hinnimmt, dass man sogar Skandale nicht Skandale
nennt. Und damit sind wir möglicherweise schon bei diesem Papst. Der Papst hat
mit dem Militärregime von Junta-Chef Jorge Videla in den achtziger Jahren
kollaboriert. Bis zu welchem Grad ist fraglich. Jorge Mario Bergloglio, der
heutige Papst Franziskus I., war damals Chef des argentinischen
Jesuiten-Ordens. Argentiniens Amtskirche kooperierte generell mit der
Militärjunta und Berglogilio tat das auch. Es gibt Dokumente, die ihn belasten.
Keine rauchenden Pistolen, aber doch ein paar Hinweise. Allerdings bestreitet
mindestens einer der beiden Priester, die angeblich von Bergoglio verraten
worden seien, eine Verwicklung des heutigen Papstes in seine Verhaftung.
Leonardo Boff, der alte Vorkämpfer der linken Befreiungstheologie, legt für
Bergoglio auch die Hand ins Feuer: Er sei kein Komplize der Diktatur gewesen und
denke übrigens auch heute liberaler, als die meisten glauben.

Wie immer es gewesen ist: Nichts genaueres weiß man nicht,
wie der Volksmund formuliert. Und möglicherweise wird es nie völlige Klarheit
geben. Denn schließlich weiß man mittlerweise, dass es ein paar Jobs in
Diktaturen gibt, bei denen es notwendig ist, auch einen Gesprächsfaden mit den
Diktatoren zu pflegen. Die es ratsam erscheinen lassen, eine gewisse
Vertrauensbasis mit den Potentaten zu bewahren, um Menschen schützen zu können.
Es ist eine schmale Gratwanderung und die amtlichen oder Geheimdienstdokumente
geben oft keine klare Auskunft über die Motivation der Akteure und darüber, auf
welcher Seite des Grats sie sich bewegten. Der Papst sagt, er habe seine
Schäfchen geschützt, so gut das ging. Kritiker sagen, er hat ihnen geschadet,
er wäre also ein Mann des Regimes gewesen. Wir kennen diese Diskussion aus
Deutschland: Gregor Gysi als Anwalt, Manfred Stolpe als Konsistorialpräsident
der Evangelischen Kirche müssen sich bis heute mit ähnlichen Verdächtigungen
herumschlagen. Möglicherweise ist das, was der heutige Papst tat, damit
vergleichbar – um das vorsichtig zu formulieren. Aber selbst wenn: Stolpe wurde
hinterher nicht Papst. Und die DDR war, was immer sie auch immer war, zumindest
kein faschistisches Mörderregime, das zehntausende Regimegegner hinmeuchelte oder
einfach von Flugzeugen ins offene Meer warf.

So liegt, ob gerechtfertigt oder nicht, in jedem Fall etwas
Fragwürdiges auf diesem Papst. Mit ihm, mag er auch der falsche Aufhänger sein,
handelt die Kirche sich eine Diskussion über ein ziemlich düsteres Kapitel
ihrer jüngsten Geschichte ein.

Aber gut: Bislang jedenfalls ist die Suppe zu dünn, um
Bergoglio aus seiner Vergangenheit einen Vorwurf machen zu können. Aber das
gilt nicht unbedingt für seine Gegenwart. Zwar kursieren mittlerweile viele
erschreckende Zitate, die Bergoglio zugeschrieben werden, die er so wohl nie
gesagt hat. Im Internet verbreiten sie sich in Windeseile. Aber ein paar der
Dinge, die ihm vorgehalten werden, hat er eben doch gesagt. So dass man
durchaus konstatieren muss: Er ist ein Reaktionär, der hart an der Grenze des
Unerträglichen heranschrammt. Gut, man kann einwenden, dass mit einem Papst,
der Frauen zu Priesterinnen weiht und Schwule und Lesben umarmt, nicht zu
rechnen war. Aber musste es gleich einer sein, der bei öffentlichen
Anti-Regierungsdemonstrationen die Homoehe eine „Intrige des Teufels“
nennt?

Und einem Kardinal und auch Papst ist es sicherlich
unbenommen, den Glauben dem Unglauben vorzuziehen. Geschenkt, dass er das
gläubige Leben moralisch dem Unglauben vorzieht. Das gehört zu seinem Job. Aber
überschreitet er nicht eine Grenze, wenn er bei seiner ersten Messe als Papst
sagt: „Wer nicht zu Gott betet, der betet zum Teufel“. Was soll das denn
heißen? Wer also nicht an seinen Gott glaubt, der ist ein Anhänger oder
zumindest nützlicher Idiot des Teufels. All die Menschen, die also nicht an
Gott glauben, sind Handlanger des Teufels. Das klingt in unseren Ohren
schrullig, aber es ist doch letztendlich eine ungeheuerliche Beleidigung. Würde
man etwas Vergleichbares zu Kirchenleuten sagen, würden sie gleich weinerlich
aufheulen, ihre religiösen Gefühle würden verletzt. Aber sie glauben, sich
alles herausnehmen zu können. Gewiss, meine atheistischen Gefühle sind nicht
wirklich verletzt, aber auch nur deshalb, weil mir in meinem indifferenten
Großmut herzlich egal ist, was der Kerl labert.

Vielleicht also sollten wir uns auch wieder angewöhnen, in
altlinker Rigidität gelegentlich klar zu sagen: So nicht, Du Papst!

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