Tage der Entscheidung – während das griechische Drama einem neuen Höhepunkt zutrieb, machte ich mich auf eine Reise ins Innere des neuen Griechenlands. Begegnungen mit Alexis Tsipras, seinen engsten Mitarbeitern, lokalen Syriza-Funktionären, jungen Start-Up-Gründern, kämpferischen Arbeitern und Menschen, die sich gerade noch so durchschlagen können.
(Kurzfassungen dieses Reports erschienen im Falter und in der Berliner tageszeitung)
Die routinierten Besucher dieses Blogs kennen die übliche Frage: „Ist ihnen dieser Blog etwas wert?“ Diesmal erlaube ich mir, diese Frage etwas nachdrücklicher zu stellen, und zwar aus einem einfachen Grund: Eine 50.000-Zeichen-Reportage, die über zwei Wochen Recherche versucht, in ein Thema einzudringen, kostet Geld. Bisher hab ich mal kaum die Selbstkosten gedeckt. Für mich ist dieser Report auch der Versuch, ob man Journalismus dieser Art durch die Leser_innen finanzieren lassen kann. Wenn’s klappt, also wenn ca. 400 Leute 5 Euro überweisen, dann kann ich Geschichten wie diese häufiger machen. Wenn nicht, ist es natürlich auch nicht schlimm, aber vielleicht auch ein bisschen schade. Also, in diesem Fall: Wenn Sie finden, diese Story ist etwas wert, dann… (Auf Bitte, hier IBAN und BIC zum Copy/Pasten: IBAN AT 301200050386142129 / BIC= BKAUATWW)
„Auf unsere Regierung“, ruft Nikos mit leichtem Sarkasmus. Während wir unsere Biere heben, legt Katerina mit einer zusätzlichen Prise Ironie nach, in der auch ein Schuss Bitterkeit steckt: „Wird Zeit, dass wir endlich zum Regieren anfangen.“ Wir sitzen im Caffe Stretto in Thessaloniki, und der Sonder-Krisengipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am vergangenen Montagabend ist gerade zu Ende gegangen. Die ersten Nachrichten treffen ein. Sie besagen, dass Alexis Tsipras tatsächlich den Gläubigerländern weit „entgegen gekommen“ und ein Abkommen in Sicht ist. Details sind in diesem Augenblick noch nicht bekannt.
Am nächsten Morgen ist das Lachen dem Schock gewichen. Katerina Notopoulous Handy läutet im Minutentakt. Die 27jährige ist Mitglied des Zentralkomitees der regierenden Syriza-Partei, also des Parteivorstandes. Eigentlich wollten wir uns an diesem Tag ein wenig frei nehmen und an die Küste fahren. „Danke Merkel, danke Alexis, dass ihr mir meinen Tag versaut“, sagt sie mit gequältem Lachen und saurem Gesicht zwischen zwei Telefonaten mit aufgebrachten Parteigenossen, die nicht fassen wollen, dass die Tsipras-Regierung tatsächlich einem neuen, fatalen Austerityprogramm über acht Milliarden Euro zustimmen könnte. Ich brettere mit unserem kleinen Fiat über die holprigen Autostraßen nach Chalkidiki.
Ein Austerity-Programm, das den Schrecken nur prolongiert und alles nur noch schlimmer macht? Ein More-of-the-Same von der Medizin, die den Tod bringt? Kaum jemand kann sich in diesem Moment vorstellen, wie Tsipras dieses Abkommen durch seine Partei oder die Parlamentsfraktion bringen will. Den Syriza-Funktionären scheint, dass sie nur die Wahl zwischen zwei Horrorszenarios haben: Einem Abkommen zuzustimmen, das auf beinahe kriminelle Weise unverantwortlich ist, oder dagegen zu stimmen und die eigene Regierung in die Luft zu sprengen. „Ich habe Angst“, flüstert Nikos, der lokale Parteisekretär. „Dieses Abkommen können wir in der Gesellschaft einfach nicht verteidigen, unmöglich“, sagt Katerina und hebt die Achseln. Unbestätigte Berichte schwirren herum: Tsipras möchte zustimmen, weil er nicht derjenige sein will, der Griechenland aus der Eurozone führt. Yanis Varoufakis, der Finanzminister, und Euclid Tsakalotos, der Chefunterhändler, würden sich aber angeblich gegen das Abkommen sperren.
„Es ist hier alles sehr ruhig“, sagt Alexis Tsipras unvermittelt. Keine Hysterie. Keine Massendemonstrationen. Ja, es ist kaum eine Menschenseele rund um die Villa Maximos, aber in einem metaphorischen Sinn ist auch Alexis Tsipras an diesem Vormittag so etwas wie ein Belagerter.
Athen, ein paar Tage vorher. Die Sonne glüht über der Villa Maximos. Ein bisschen sieht der Amtssitz des griechischen Premierministers aus wie eine geschrumpfte Version des Weißen Hauses. Palmen links und rechts flimmern in der Hitze. An einem Samstag Vormittag trottet sie auch hier ein bisschen langsamer vor sich hin – die Revolution eigener Art, die, ja, was eigentlich will? Den Austerity-Kurs in Europa stoppen? Griechenland retten? Oder gar eine zeitgenössische Form des Sozialismus ausprobieren?
Rein durch den Seiteneingang, durch die Sicherheitsschleuse, rauf ins Reich von Alexis Tsipras. Die junge Frau im Vorzimmer lacht fröhlich. Bei uns würde man sie Sekretärin oder gar Vorzimmerdame nennen. Aber bei einer sozialistischen Partei wie Syriza, deren Aktivisten allesamt hartgesottene Oppositionelle sind, die es dann plötzlich ins Regierungsamt gespült hat, wäre das etwas unangebracht. In der Sprache der Linken ist sie wohl eher die Genossin, die das Büro organisiert. „Sie können ruhig deutsch mit mir reden, ich bin halb deutsch, halb griechisch“, sagt sie. Deutsch ist hier die zweite Lingua Franca. Viele haben in Deutschland studiert, nicht wenige sind sogar in Deutschland aufgewachsen und berlinern oder sprechen mit norddeutschem Akzent. „Wenn wir geheimes Zeug besprechen, reden wir deutsch, damit uns die Beamten nicht verstehen“, hatte mir ein Syriza-Mitarbeiter am Vortag lachend erzählt.
Dimitris Tzanakopoulos spricht natürlich auch deutsch. Er ist offiziell „Generalsekretär des Premierministers“, also so etwas wie der Chef des Kanzleramtes, Tsipras rechte Hand. Wenn irgendwo, dann laufen die Fäden der neuen Macht bei der modernen, smarten Jungmännertruppe um Tsipras, Tzanakopoulos und Staatsministers Nikos Pappas zusammen. „Nicht nur, dass wir praktisch vom ersten Tag an die schwierigsten Verhandlungen führen mussten und mit dem Rücken zur Wand standen – wir sind ja das erste Mal überhaupt in einer Regierung“, erinnert er sich an die Tage zurück, als Alexis Tsipras im Jänner in die Regierungszentrale einzog. „Wir hatten null Erfahrung. Es war eine schwierige Zeit.“
Wir Linken sind ja eigentlich immer in Opposition, denke ich laut. „Ja, das ist in unserer DNA“, lacht Tzanakopoulos. Linke haben einfach so eine Art Oppositions-Gen, und erst recht als Anti-Establishment-Linksbündnis wie Syriza eines ist, das vor acht Jahren noch bei vier Prozent lag. „Regieren und an der Macht sein ist etwas sehr anderes“, sagt Tzanakopoulos. „Die Staatsmacht ist mehr ein Labyrinth als eine Hierarchie.“ Ironischer Blick, Hemd, Jeans, Dreitagebart – in einer schicken Hipsterkneipe würde der Syriza-Stratege nicht auffallen.
In Griechenland hat Syriza die unangefochtene Macht, als linke Partei fühlt sie sich ohnehin irgendwie in Opposition – zu „den herrschenden Verhältnissen“, „dem Neoliberalismus“, wie immer man das nennen mag; und innerhalb des europäischen Konzerts ist die griechische Regierung in Opposition zum tonangebenden Block. Sie sind oppositionelle Regierende, oder regierende Oppositionelle. Das prägt ihre Identität, ihren Stil. Tzanakopoulos, Pappas, Tsipras sind die Pragmatiker unter diesen oppositionellen Regierenden. Ohne ein gewisses Gespür für das Mögliche und Geschick, etwa in der Kommunikation mit der breiteren griechischen Öffentlichkeit, hätten sie es ja gar nicht so weit gebracht, und die vergangenen fünf Monate waren auch ein Crash-Kurs in Sachen „europäische Realität“, das heißt, sie haben auch einzuschätzen gelernt, welche Grenzen die jeweiligen Gegenüber haben, ob jemand ein halber, potentieller Alliierter ist beispielsweise oder doch ein ganzer Gegner. Oder sagen wir, sie haben es ein wenig gelernt. Gelegentlich beschleicht auch mich natürlich die Frage: Haben sie vielleicht einfach so etwas wie ein falsches Foto von den politischen Haarrissen in EU-Europa? Hätte es so sein müssen, dass sich eine Linksregierung, die für’s Erste ja nicht viel mehr will als ein klassisches sozialdemokratisch-keynesianisches Wirtschaftsprogramm, derartig isoliert? Womöglich wäre da mehr möglich gewesen. „Wir haben doch seit dreißig Jahren eine neoliberale Dominanz in Europa, und von der wollen wir abgehen, aber nicht nur im Inhalt, sondern auch in der Form“, erwidert Tzanakopoulos. Soll heißen: Nicht nur von der chronischen Umverteilung aller Ressourcen und Chancen von den Unterprivilegierten zu den ohnehin schon Privilegierten, sondern auch von einem Regierungsstil, der auf Entdemokratisierung, Passivierung der Bürger, auf die Umverteilung aller Macht nach Oben setzt. Also, salopp gesagt, mehr Gerechtigkeit und mehr Demokratie. Wer so etwas will, meint Tzanakopoulos, der darf im neoliberalen Technokrateneuropa nicht erwarten, dass ihm die potentiellen Verbündeten die Türen einrennen. „Das ändert man nicht in vier Monaten, diese ganzen Politikmechanismen, die letztendlich ganze Völker entmündigen.“
Tzakanopoulos ist einer dieser klugen Linken, die wissen, was sie wollen, aber auch wissen, dass man das in der wirklichen Welt nicht kriegt, indem man mit dem Kopf durch die Wand läuft. Ich bin dennoch nicht vollends von seiner Argumentation überzeugt. Natürlich, es war schwer für die Syriza-Leute, Verbündete im europäischen Establishment zu finden, aber hätten sie wenigstens etwas mehr an Unterstützung finden können? Haben sie auch selbst Mitschuld daran, dass sie in Brüssel einer ziemlich geschlossenen Front an Antipoden gegenüber stehen? Ich denke, der engste Kreis um Tsipras hat eine recht akkurate Vorstellung von den möglichen Bruchstellen in dieser Front, aber die meisten in der Partei sehen jenseits der griechischen Welt und der Welt der befreundeten Linksparteien vor allem nur Gegner und Feinde, was sie für das Aufspüren möglicher Bündnispartner etwas insensibel macht. Im Weg steht ihnen ein wenig auch das in Griechenland allgegenwärtige Gefühl, dass man einer geradezu neokolonialistischen Herablassung durch die anderen Eurostaaten ausgesetzt ist – ein Gefühl, das natürlich nicht bloß eingebildet ist -, das aber auch gelegentlich eine Justament-Kontra-Haltung nach sich zieht. Das geht bis in Kleinigkeiten. „Die sind so kompliziert“, hat mir ein Mitarbeiter einer westeuropäischen Staatskanzlei gesagt, und erzählt, dass die griechische Regierung pedantisch aufs diplomatische Protokoll achtet als wären wir noch in der Zeit des Wiener Kongresses, während heute in den meisten Kanzlerämtern in dieser Hinsicht eine gewisse Lässigkeit gepflegt wird. Ich erklärte ihm, dass das daher kommt, dass sie stets die Herablassung wittern und deshalb besonders achtsam darauf sind, förmlich auf Augenhöhe behandelt zu werden. Dann hat er es verstanden, aber bis dahin hat er gar nicht begriffen gehabt, warum die Syriza-Leute so komisch konservativ in dieser Hinsicht sind, und die Syriza-Leute wiederum haben vielleicht auch nicht begriffen, dass sie sich durch solche Aktionen Chancen verbauen, etwa, als sie eine Begegnung von Tsipras mit der SPD-Bundestagsfraktion in Berlin mit dem Argument ablehnten, ein Premierminister und ein Fraktionsvorsitzender seien diplomatisch doch nicht auf einer Augenhöhe. „Scheiß auf die Augenhöhe“, denke ich mir da, wenn es der Sache nützt, rede ich doch mit jedem. Es sind solche kleinen, fast kulturellen Missverständnisse, die Allianzbildung vielleicht nicht erleichtern. Ein bisschen verhindert das auch, dass man selbst gute Ratschläge von Außen annehmen kann oder sich an gut funktionierenden Modellen aus anderswo orientiert. Manche verwechseln dieses wache Sensiorium für quasi-kolonialistische Bevormundung mit Selbstgerechtigkeit, und meinen, die Griechen würden nur den anderen die Schuld geben – den Deutschen, der Troika oder wem auch immer. Aber das ist natürlich Unsinn. Es ist schwer, einen Griechen zu finden, der nicht dem alten Klientelsystem und den korrupten alten Eliten die Hauptschuld an der Misere gibt. Aber im Unterschied zu Ländern wie etwa Spanien sind die Griechen, die in ihrer modernen Geschichte erst von den Osmanen, dann von Nazideutschland besetzt waren, äußerst sensibel gegenüber respektlosem Reinregieren von Außen, vor allem wenn es sich mit der Herrenreitermentalität von Leuten wie dem deutschen Finanzminister Wolfgang Schäuble oder der Arroganz von Troika-Beamten mischt. Das gehört zur griechischen Mentalität dazu, erklärt sich aus der Geschichte, und viele Verstimmungen der letzten Jahre haben damit zu tun, dass die Eurogruppenzampanos völlig unfähig sind, das auch nur zu verstehen, weil sie völlig unfähig sind, sich in andere hineinzuversetzen.
Später gehen wir durch das Bürolabyrinth im Obergeschoß der Villa Maximos, und da übersehe ich Tsipras fast. Vor einem Computer sitzt eine junge Frau, ihr gegenüber ein Typ im karierten Hemd, der Papiere liest. Er sieht hoch, lacht, springt auf. „Ha, Dein Kanzler kommt auch diese Woche auf Besuch“, sagt er. „Der ist der einzige, der zu uns hält, der mich wirklich unterstützt in Europa“. In ganz Österreich habe ich noch nicht so viele Werner-Faymann-Anhänger wie im griechischen Premierminister-Office gefunden.
Alexis Tsipras ist ein herzlicher, in Wirklichkeit aber auch ein wenig scheuer Mensch. Aber der Tsipras von heute ist ein anderer als der, mit dem ich vor zwei Jahren im Wiener Kreisky-Forum diskutierte. Seine Stimme ist zwei Oktaven tiefer und rau. Er ist im Samstag-Vormittag-Chillmodus, aber unübersehbar müde, sehr, sehr müde. Man spürt, dieser Mann steht unter einem dramatischen Druck, ist in einer richtigen Mühle und einfach fertig. „Es ist hier alles sehr ruhig“, sagt er irgendwann unvermittelt. Und will damit wohl sagen: erstaunlich ruhig. Keine Hysterie. Keine Massendemonstrationen. Keine brennenden Barrikaden. Was ich in diesem Moment noch nicht wirklich verstehe: Der Premier weiß, dass hinter der Fassade der Gelassenheit die Nervosität Tag für Tag steigt. Rund eine Milliarde Euro werden die Griechen am Ende dieser Woche in Panik von den Banken abgezogen haben. Es ist ein stiller Bankrun, während die griechische Ökonomie gleichsam stillsteht, solange nicht klar ist, wie die gegenwärtige Konfrontation zwischen Gläubigern und dem Schuldner ausgeht, und gleichzeitig ist Tsipras eingezwängt zwischen den Erpressungsversuchen der Eurogruppe und den eigenen Leuten, von denen manche sogar kleine Kompromisse ablehnen. Ja, es ist alles ruhig und es ist kaum eine Menschenseele rund um die Villa Maximos, aber in einem metaphorischen Sinn ist auch Alexis Tsipras an diesem Vormittag so etwas wie ein Belagerter, fast so ähnlich wie etwa Salvador Allende vor vierzig Jahren in Chile, nur dass man heute keine Panzer und keine Generäle braucht, um einem unliebsamen Premier die Luft abzuschneiden. Dafür reichen heute Zentralbanker aus Frankfurt völlig aus. „Der Druck ist enorm, und wir stehen vor politischen Dilemmata, von denen wir niemals ahnten, das wir ihnen jemals begegnen würden“, sagt mir jemand aus dem engsten Umfeld des Premiers.
„Der Druck ist enorm, und wir stehen vor politischen Dilemmata, von denen wir niemals ahnten, das wir ihnen jemals begegnen würden.“
Aber das, die gespannte Nervosität, ist nur eine der Wirklichkeiten in dieser Stadt. Athen brummt und den Leuten ist der Pessimismus nicht gerade ins Gesicht geschrieben. „Die Leute haben Geduld mit der Regierung, weil sie sich sagen: lieber die unerfahrenen Jungen als die korrupten Alten“, meint Konstantina Zöhrer, eine österreichisch-griechische Politikwissenschaftlerin. „Tsipras hat die Chance, Griechenland für die nächsten 20 Jahre zu dominieren, wenn er es schafft, die politische Mitte zu halten“, meint auch Maria Eleni Koppa, die nun wirklich keine übertriebene Radikalen-Freundin ist – schließlich saß sie für die sozialdemokratische Pasok, die von Syriza faktisch zerstört wurde, sieben Jahre lang im Europaparlament. „Junge, liberale Leute haben Syriza genauso gewählt wie die früheren Pasok-Wähler oder auch ehemalige Wähler der Konservativen“, sagt mein Freund Yannis. Der junge Freiberufler arbeitet halb im Media-, halb im Agrarbusiness. Wir spazieren die Kominionstraße hinauf, nahe des Alternativviertels Exarchia. Natürlich, sagt er, seien diese Wähler keine harten Linken: „Die wollen keine Kampfregierung, sondern eine, die auch für Konsens und Kompromiss eine Hand hat.“ Das klingt wie ein leiser Vorwurf an Tsipras und seine Leute und ist es auch, aber es ist gerade das Maximum an Vorwurf, das man heutzutage in Athen zu hören bekommt, es ist so eine Art solidarische Kritik, getragen von einem Gestus der Freundlichkeit gegenüber der Syriza-Regierung. Man kann es auch simpel sagen: Die Leute, auch wenn sie keine Linken sind, wissen, dass die modernen Typen um Tsipras und Co. das Beste sind, das Griechenland passieren kann, dass sie die einzigen sind, die korrupte und verknöcherte Strukturen zerschlagen können, dass sie auch die einzigen sind, die den bisherigen aggressiven Partei-Stil der griechischen Innenpolitik, in dem Parteien eher wie verfeindete Familien funktionierten, durch einen sachlicheren Stil ersetzen können. Es ist, kurzum, die Kritik von Leuten, die darauf hoffen, dass die Kritisierten es noch eine Prise besser machen, aber weit von fundamentaler Ablehnung entfernt sind. Tsipras hat in Umfragen Zustimmungswerte von sagenhaften 74 Prozent, das kommt nicht von ungefähr. Und so liegt etwas Eigenartiges über dieser Stadt, etwas, das wir Nord- und Mitteleuropäer gar nicht mehr kennen mit unserer steten, leisen Verzweiflung an der Performance unserer graugesichtigen politischen Eliten: fast Aufbruchsstimmung. Die ist so deutlich zu spüren, dass man das andere Griechenland beinahe vergessen könnte: das Land, das am Abgrund steht. Es sind die Tage, an denen sich die Verhandlungen mit der Eurogruppe zuspitzen und niemand weiß: Wird Griechenland in einer Woche bankrott sein? Wird es einen Deal geben, mit dem das Land wieder eine Chance hat? Oder nichts von beidem?
Die Panepistimiou-Straße ist eine der großen Magistralen Athens, nur einen Steinwurf vom zentralen Syntagma-Platz und dem Parlament entfernt. Hier ist die Stadt so schick und poliert wie alle anderen großen, historischen Metropolen der Welt, wie Paris, Rom oder Wien auch. Vor dem Numismatischen Museum steht die Mittagshitze förmlich, aber hinten, im Park, unter Bäumen ist das Cafe des Museums. Theodoros Paraskevopoulous saugt an seiner filterlosen Zigarette und gibt sich gelassen. Es werde jetzt noch ein paar Tage mit dem üblichen Theaterdonner geben, aber am Ende werde wohl ein Kompromiss gefunden, ist er sich sicher. Paraskevopoulus gehört zur älteren Garde der Syriza. Heute ist er offiziell im Parlament für die Koordination von Partei, Parlamentsfraktion und Regierung zuständig. Aber er ist viel mehr als das: Er gilt als enger Tsipras-Vertrauter, als väterlicher Freund des Premiers, zu dem letzterer sich auch ausweinen kommt.
Paraskevopoulos Aufgabe ist es, den Flohzirkus zu bändigen, und zwar auf die sanfte Weise: durch reden und moderieren, nicht durch drohen und Klubzwang. Syriza ist ja nicht nur ein Bündnis linker und linksradikaler Parteien, es gibt noch nicht einmal einen einheitlichen dominierenden „Mehrheitsblock“. Vor jeder ZK- oder vor jeder Fraktionssitzung treffen sich die verschiedenen organisierten Strömungen. Die meisten haben drei, vier programmatische Punkte, die ihre Identität ausmachen, aber diese Punkte sind in der neuen Regierungswelt nicht sonderlich bedeutend, sodass nicht wenige jetzt aus reiner Konvention ihrer Strömung angehören. Syriza ist eine Partei in der viel diskutiert und viel widersprochen wird. Dass sich der Premier durchsetzen kann, ist in so einer Partei nie ganz sicher. Aber wie will man so regieren? Paraskevopoulos kann diese Frage nicht verstehen. „Es ist doch absurd, dass uns gerade Leute aus den alten Parteien wie Pasok, die untergegangen sind, weil sie aufgehört haben, zu diskutieren, jetzt raten, wir sollen so werden wie sie“, sagt er.
Die Lösung für die unmittelbaren Probleme Griechenlands könnte so einfach sein, findet Paraskevopoulos und rechnet vor: Ein Primärüberschuss im griechischen Staatshaushalt von 0,75 bis 1 Prozent, dafür keine weiteren Rentenkürzungen und keine weitere Deregulierung des Arbeitsmarktes. Die Transformation des Hauptanteils der griechischer Schulden zum ESM, den europäischen Rettungsschirm, also auch jene Kredite, die heute in den Büchern von IWF und EZB stehen. Dann könnte Griechenland bis 2022 versuchen, wieder ökonomisch auf die Beine zu kommen, ohne bis dahin größere Zins- und Tilgungsleistungen erbringen zu müssen. Das Land hätte eine Atempause und könnte dann beginnen, langsam seine Schulden zurück zu zahlen. Es wäre tatsächlich nicht nur die vernünftigste Lösung, sondern wohl auch die einzige, die ökonomisch funktionieren könnte. Aber in Brüssel hat die Vernunft schlechte Anwälte.
Tausend Dinge gäbe es gleichzeitig zu tun. Einerseits hat die junge Regierung die Verhandlungen mit den Gläubigern zu führen, was fast die gesamte Arbeitskraft bindet. Die chronische Unsicherheit verhindert zusätzlich, dass die griechische Wirtschaft wieder auf die Beine kommt, denn wenn täglich die Schreckensvokabel „Grexit“ fällt, wird niemand, der nicht völlig verrückt ist, investieren. Zudem müsste die Regierung längst schon die Modernisierung des Landes und der Verwaltung beginnen. Jeder hier weiß natürlich, wie das der Tsipras-Kabinettschef Tzanakopoulos ironisch formulierte, dass „die griechische Staatsverwaltung nicht gerade ein ‚best-practice“-Beispiel ist“. Und zudem muss ganz normal regiert werden, also die Sozialministerin muss die Sozialsysteme fit machen, der Gesundheitsminister die Gesundheitssysteme, und für all das gibt es kaum Konzepte, viel zu wenig Zeit und noch viel weniger Geld.
Haris Triandafilidou ist auch eine der „Deutschen“ im Büro des Premierministers. Sie ist so der Typ Mensch, der darunter leidet, dass der Tag leider nur 24 Stunden hat. Sie steht immer unter Strom, die Haare hat sie hochgebunden, sie ist dünn und wenn sie in ihrer leicht agitatorischen Weise spricht erinnert sie mich ein wenig an Sahra Wagenknecht, aber nur einen Augenblick, dann reißt sie wieder einen Witz und der übertriebene Ernst löst sich in Gelächter auf. Natürlich, den Steuerhinterziehern und Betrügern ist man noch nicht richtig an den Kragen gerückt. Erst werden die Daten gesammelt, dann Verfahren eröffnet, das Parlament hat den Zugriff der Finanzbehörden auf Konten beschlossen. „Die griechische Bourgeoisie, die sich daran gewöhnt hat, dass sie keine Steuern zahlen muss, die hat erstmals wirklich Angst.“ Wie alle Syriza-Leute, denen man in diesen Tagen begegnet, ist sie auf zwei Gesetze richtig stolz, die gerade das Parlament passierten: das Gesetz über die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und das neue Staatsbürgerschaftsgesetz, das allen Kindern von Immigranten die automatische Staatsbürgerschaft garantiert, sobald sie in die Schule kommen. „Wir haben die Mehrheit der Griechen wegen unserer ökonomischen und sozialen Forderungen für uns gewonnen“, sagt sie. „Aber das Vertrauen der Leute hat jetzt Spill-Over-Effekte auf andere Fragen“. Weil die Linke die Hegemonie hat, kann sie auch bei Fragen gesellschaftlicher Liberalisierung die Leute für ihre Ideen gewinnen.
Alle paar Minuten zückt Haris ihr Smartphone – kurz checken, ob die Welt schon untergegangen ist. Dann müssen wir weiter, zu einer Veranstaltung des Syriza-nahen linken NGO-Netzwerks „Solidarity4all“. Im Taxi laufen Nachrichten. Ich verstehe die Worte „Merkäl“ und „Apokalypse“. Im Garten der Archeologischen Gesellschaft spricht ein linker Aktivist aus Ecuador unter Oleandern über „Solidarische Ökonomie“, also über Kooperativen, Genossenschaftswesen, und Arbeiterselbstverwaltung. Alle lauschen, wie er die Überlegung äußert, dass „die Kollektivökonomie in Ecuador in die Verfassung“ kommen soll.
„Sag, wollt ihr hier eigentlich den Sozialismus aufbauen?“ frage ich Haris irgendwann. „Ja“, sagt sie in einem Ton als wäre es völlig absurd, so etwas überhaupt zu bezweifeln. Auch Dimitris Tzanakopoulos, dem Kabinettschef, hatte ich diese Frage schon gestellt. Der antwortet etwas diplomatischer, dies „sei eine heikle Frage“, es gehe auch überhaupt nicht um Begriffe wie „Sozialismus“ oder „Sonstwas-ismus“. „Zunächst wollen wir die neoliberale, konservative Hegemonie in Europa brechen.“ Und dann sagt er schelmisch einen Satz, der lange in meinen Ohren klingen wird: „Die einzige Grenze ist der Himmel – the only limit is the sky!“
Es sind diese Momente, in denen ich mich bei dem Gedanken ertappe: „Sind die verrückt geworden?“ Leben in dem Land, das von einer Krise verheert ist, in dem Not und Elend endemisch geworden sind, stehen an der Schwelle zum Staatsbankrott, im Merkel-und-Schäuble-Europa – und glauben, der Sozialismus winkt um die nächste Ecke? Aber sofort schiebt sich in meinem Kopf eine andere Frage vor diese Frage: Was, wenn in Wirklichkeit wir verrückt geworden sind? Wir, also die, die schon froh sind, das Schlimmste zu verhindern, wir, die wir die Panik vor der kleinsten Veränderung haben, ja vor der kleinsten verwegenen Idee. Plötzlich bin ich mir nicht mehr so sicher, wer spinnt: Die? Oder vielleicht wir?
Syriza ist ein Projekt mit offenem Ausgang. Aber die Partei ist heute schon mehr als das: Sie ist zu dem Role-Model einer erfolgreichen Linkspartei in Westeuropa des 21. Jahrhunderts geworden, indem sie ein paar Lektionen gelernt hat: Ein „Populismus“ in guter Hinsicht, der die normalen, einfachen Leute als ein „Wir“ anspricht, in einer Sprache, die signifikant anders ist als der Sekten- oder auch Bürokratenjargon, in dem die bisherige Linke, vom linksradikalen Aktivisten bis zum gemäßigten Gewerkschaftsfunktionär sprechen und von den Technokratenphrasen, in denen heute oft zeitgenössische Sozialdemokraten sprechen. Es ist kein Zufall, dass viele der gut ausgebildeten Syriza-Leute nicht nur an der London School auf Economics studiert haben, sondern auch an der University of Essex, an der der Philosoph Ernesto Laclau jahrzehntelang seine Theorien über Hegemonie und die „populistische Vernunft“ ausbreitete. Die spanische Podemos-Partei ist ein anderes solches Projekt – übrigens ein signifikant anderes, da Podemos praktisch ein Top-Down-Parteiprojekt von fünf Freunden ist, während Syriza einen langen Parteibildungsprozess hinter sich hat. „Die Linke muss mehr wie das Volk aussehen“, meint Podemos-Anführer Pablo Iglesias. Ziel ist es, eine diskursive Struktur zu schaffen, „die den unterprivilegierten Schichten und den verarmten Mittelklassen die Möglichkeit gibt, sich zu identifizieren und sich im Bild eines neuen ‚Wir‘ wiederzufinden, das einem ‚Sie‘ gegenübersteht, den Gegnern: den alten Eliten.“
„Sie sind oppositionelle Regierende, oder regierende Oppositionelle. Das prägt ihre Identität, ihren Stil.“
Thessaloniki. Ich blinzle verschlafen, der Regen peitscht durch das Fenster in mein Gesicht. It’s a hard rain, and its a gonna fall. Der Himmel öffnet sich in Trögen, als wollte es die Eulen von den Bäumen fegen. Im Nebenzimmer knallt Katerina die Balkonläden. Neuerdings ist sie für die Verbindung der Partei zu allen Sozial-, Solidaritäts- und Graswurzelbewegungen in ganz Griechenland zuständig. Wir gehen zum lokalen Syriza-Büro, dort packt sie mit ein paar Freundinnen Plastiksäcke mit Pampers-Windel, Damenbinden, Kinderspielzeug, Essen, Wasser, Zahnbürsten, Zahnpasta ins Auto. Katerina hat mit einigen Gleichgesinnten die Solidaritätsinitiative „Kleiner Einkaufskorb“ gegründet. Die Idee ist simpel: Leute bringen Waren des täglichen Bedarfs vorbei und sie werden an jene Leute verteilt, die sich selbst das Nötigste nicht mehr leisten können – seien sie Griechen oder Nichtgriechen, ganz egal. Wir kreisen durch die Stadt, auf der Suche nach Flüchtlingen, die heute Nacht in der zweitgrößten Stadt Griechenlands gestrandet sind. In einer Stadt, die nichts weiter für die Flüchtlinge tut als vier chemische Toiletten aufzustellen. In der Nähe des Hauptbahnhofs finden wir mehrere Familien aus Afghanistan, die in einem Park kampieren. Die Frauen verteilen alles. „Passt auf Euch auf“, ruft Katerina, und ihre kleine Zahnlücke blitzt auf. Dabei lacht sie auf ihre gewinnende Art, auf diese weltumarmende Freundlichkeit, der sich kaum jemand entziehen kann, der ihr begegnet. Die braunen Haare wehen ihr ins Gesicht.
Später sitze ich mit einer der Frauen auf einer Parkbank. Sie erzählt, dass sie arbeitslos und schon froh ist, drei- oder viermal im Jahr einen Job für ein Monat zu ergattern. Mehr hat sie nicht. Ich rechne mir aus, dass sie damit im besten Fall auf 3000.- Euro kommt, die sie pro Jahr zur Verfügung hat und die sie dann auf die anderen Monate aufteilen muss. Jede Fahrt in die Innenstadt ist für sie ein Problem. Einmal hin und her kostet 2,40.- Euro mit dem öffentlichen Bus – und das ist in ihrer Lage sehr viel Geld. Das kann man sich nicht häufiger als zehn Mal im Monat leisten. Der Gedanke, dass Leute in so einer Lage sich auf die Suche nach Flüchtlinge machen, um diesen helfen zu können, beschämt mich, vor allem wenn ich an die hysterischen Anti-Flüchtlingskampagnen bei uns daheim denke.
Nächste Station: Die „Klinik der Solidarität“. 30 Prozent der Griechen sind ohne Krankenversicherung, das sind drei Millionen, die nicht einmal im Notfall zum Arzt gehen können, hunderttausenden wurde der Strom gekappt, weil sie die Rechnungen nicht mehr bezahlen konnten. „Wir waren 30 Verrückte, die die Idee hatten, eine Klinik für diese Leute zu gründen“, lacht Katerina. Jetzt arbeiten 300 Freiwillige für die Klinik, und noch einmal 300 weitere Ärzte haben ihre Praxen für jene geöffnet, die ihnen die Solidaritätsklinik vorbeischickt. Die Solidaritätsklinik ist in ein Stockwerk eines alten Gewerkschaftsgebäudes im ärmlichen Westteil der Stadt gezwängt. „Zahnärzte, Frauenärzte, Allgemeinmediziner, wir haben hier alles. Schwangere müssen in einer normalen Klinik für eine Geburt 900.- Euro bezahlen. Es gab sogar Fälle, dass die Spitäler, wenn die Frauen nicht zahlen konnten, die Babys als Pfand zurückhielten.“
Es sind diese Orte, an denen einen die humanitäre Katastrophe förmlich anspringt. Ansonsten muss man die Bilder der Krise eher suchen. Im Alltag sind sie nicht präsent. Die Leute sind schick angezogen. Die Cafés und Bars sind voll, schon alleine, weil man in diese gehen muss, wenn man sich nicht vollends aufgeben möchte, weil sie die Kontaktbörsen in der informellen Ökonomie sind. Erst wenn man genau hinsieht, realisiert man, dass die Leute vier Stunden an einem Bier nuckeln und ansonsten Gratiswasser trinken. Fast jeder Grieche hat eine Eigentumswohnung, also sind die Wohnkosten niedrig. Wer eine zweite hat, vermietet sie. Oft können die Mieter dann ihre Miete nicht mehr zahlen – und bleiben einfach in diesen Wohnungen. Die Tausch- und informelle Ökonomie floriert. Der eine kann Computer reparieren, der andere hat ein wenig Landwirtschaft. Man hilft sich gegenseitig, oder versucht irgendein Business aufzuziehen, das ein-, zweihundert Euro im Monat bringt. Es ist ein sich Durchschlagen, das gerade noch gut genug funktioniert, sodass das nackte Elend im Alltag noch nicht sichtbar ist. Man muss fragen, kratzen an der Oberfläche, damit es sich zeigt. In den Gesprächen eröffnet sich, was „Große Depression“ heißt: Wenn etwa eine junge Frau erzählt, dass der Vater, der an der Universität unterrichtet, als einziger noch einen Job hat, man aber sein Gehalt von 1800 auf rund 900 Euro gekürzt hat; dass die Mutter, die vorher gut verdiente, jetzt arbeitslos ist, weil die Firma bankrott ging; dass die eine Schwester arbeitslos ist, die andere aber noch einen „Job“ hat – zwei Mal kellnern in der Woche, bringt 120 Euro im Monat. Die Oma hat noch eine kleine Rente von 400 Euro. Der Bruder, knapp vierzig, zieht zu den Eltern zurück, was er als Niederlage und Autonomieverlust erlebt. Ergibt 1.420 Euro im besten Fall, von denen sechs Leute leben. Mit den Kreditraten für die Wohnung ist man im Rückstand. Und wohlgemerkt: Das ist die Normalität in der oberen Mittelschicht, keine Elendsstory vom Rand der Gesellschaft. Permanente Verletzlichkeit, nur einen Schritt vom Totalabsturz entfernt.
Katerina schlägt vor, dass wir an diesem Abend einen Versammlung im staatlichen Rundfunk ERT besuchen, ein Vorschlag, der mir sehr gefällt, da ich in der Woche zuvor schon in Athen bei der Feier zur Wiederöffnung des Senders war. Das war eine große Party, Menschenmengen drängten sich zwischen den Sträuchern, Minzgeruch lag in der Luft. Ein kommunistischer Agitator hielt auf der Ladefläche eines Kastenwagens eine Rede, unzählige linke Kleingruppen verteilten Flugblätter und Broschüren. Straßenhändler machten mit Bier und Spießen ihr Abendgeschäft. Vor dem Eingang zum Fernsehgebäude war eine Bühne aufgebaut, ein Symphonieorchester spielte Verdi-Opern, an den dramatischen Stellen fiel der Dirigent beinahe vom Pult.
Sind sie verrückt geworden? Oder sind wir verrückt geworden? Plötzlich bin ich mir nicht mehr sicher: Spinnen die? Oder ich?
Es war ein großer Feiertag für das Griechenland, das sich gegen die Sparpolitik wehrt, weil der Kampf um den öffentlich-rechtlichen Sender zu einem Symbol geworden ist. Die alte Regierung hatte ihn von einen Tag auf den anderen abgedreht, aber die Redakteure hatten einfach weiter gearbeitet und ihre Sendungen über das Internet verbreitet. Vergangene Woche ging der Sender wieder On-Air. Als Neugründung mit weniger Leuten, als echter freier öffentlich-rechtlicher Sender, wie alle hoffen. Natürlich, das Vertrauen in Syriza ist keineswegs grenzenlos. Viele fragen sich, ob Syriza einfach die Dinge weiter so handhaben wird wie die Regierungen vor ihr – den Staatsfunk als peinlich-parteiliches Propaganda- und Verlautbarungsorgan benützen. Syriza verspricht, dass sie der Versuchung widerstehen wird. Aber kann man sich darauf verlassen? Natürlich legt niemand dafür die Hand ins Feuer. Die Leute sind weder naiv noch kritiklos.
Die Stars der neuen Regierung waren alle da. Yanis Varoufakis, der Finanzminister. Zoe Konstantopoulou, die Parlamentspräsidentin. Rena Dourou, die charismatische Gouverneurin der zentralen Provinz Attica, von ihrer regionalen Machtposition her ist sie eine Art Erwin Pröll der Syriza. Als die erste Nachrichtensendung der neuen Ära über die Videowall am Gebäude flimmerte, applaudierte die Menge, und nicht wenige klatschen auf diese eigenartige, etwas zu feste Weise die Hände zusammen, wie das Menschen tun, die mit Applaus etwas demonstrieren wollen. So diese Art Siegesklatschen.
Hier in Thessaloniki, wo der Sender ERT3 beheimatet ist, ist alles eine Nummer kleiner und die Stimmung gar nicht mehr so gut. Und ich verstehe jetzt auch besser, worum es eigentlich geht. Nachdem die alte Regierung den Sender zugesperrt und ein Teil der Redakteure einfach in Eigenregie weiter gearbeitet hat, wurde aus dem einstigen Staatsfernsehen nicht nur ein freier Sender, er wurde auch ein wilder Sender. Linke Aktivisten und normale Bürger haben die Fernsehleute bei der Arbeit unterstützt, manche von ihnen haben auch gelernt, Sendungen zu machen. Es war wirklich eine Art Bürgerfernsehen geworden – ohne jede Rechtsgrundlage, was aber auch egal war, solange die Regierung nicht den Strom kappte. Da die neue Syriza-Regierung nun den Staatssender wieder in Betrieb nahm, braucht es auch wieder so etwas wie geregelte Verhältnisse. Die Leute aus den Bewegungen haben die Angst, dass ihnen der Sender nun wieder aus der Hand genommen wird. Viele hier sind böse auf Syriza, dabei hat die neue Regierung gar nicht ihre eigenen Leute an die Spitze des Senders gesetzt, sondern den alten Verwaltungschef als zweiten Mann wieder eingesetzt und als obersten Chef des Senders einen Universitätsprofessor installiert, der früher ein Pasok-Parteigänger war und jetzt opportunistisch das Pasok-Hemdchen ausgezogen hat.
In dem Eckhaus, aus dem der Sender überträgt, fehlt es an allem, vor allem aber an Platz: In kleine Kämmerchen zwängen sich die Redakteure, einige arbeiten im Hof in Baracken. Die Schneidetische machen ein wenig den Eindruck, als wären sie nur von Tesa-Band zusammen gehalten. Der Verwaltungschef sitzt am Gang auf einer Couch die auch schon bessere Tage gesehen hat. „Na, Du bist doch dieser Videoblogger“, sagt ein Mann in breitestem Schwäbisch, als ich mich wieder durch die Tür beim Eingang zwängen will. Es ist Athanasios Marvakis und es stellt sich heraus, er ist Professor für klinische Psychiatrie an der Aristoteles-Universität und war selber in der Solidarität mit den Redakteuren sehr aktiv. Er hat für das Vorgehen von Syriza sowohl Verständnis als auch Kritik übrig. „Klar, sie haben nicht die absolute Mehrheit, und deshalb müssen sie auch die anderen Parteien zufriedenstellen. Also geben sie der Pasok den Fernsehdirektor. Außerdem brennt es eh an allen Ecken, somit wollen sie keine zusätzlichen Problemzonen. Man kann das durchaus verstehen. Aber für die Leute, die für diesen Sender gekämpft haben und für die Redakteure, die den Sender am Laufen hielten, ohne dafür bezahlt zu werden, ist das jetzt bitter.“ Ein rebellischer Bürgersender werde jetzt also wieder zu einem Sender rückverwandelt, in dem einfach zwei Chefs das Sagen haben. „Natürlich muss man wieder einer regelförmige Struktur einfügen, aber das Problem ist, dass man in Griechenland überhaupt keine Kultur und kein Wissen darüber hat, wie man die Zivilgesellschaft an der Leitung eines öffentlich-rechtlichen Senders beteiligen kann. Diese klassischen Strukturen, wie man die etwa in Deutschland hat, wo die Landesrundfunkanstalten der ARD etwa Programmbeiräte haben, in denen die Kirchen genauso vertreten sind wie die Gewerkschaften und Parteien, so etwas kennt man hier gar nicht. Nicht, dass das das Gelbe vom Ei wäre, aber es wäre immerhin eine mögliche Form, einen Rundfunk zu etablieren, der staatlich ist, aber aufgrund der öffentlich-rechtlichen Organisationsform auch relativ unabhängig vom direkten Zugriff der Regierung.“
Es ist beinahe so, wie wenn sich nach Revolutionen eine Art von Ordnung etabliert, und sich die Revolutionäre von der Regierung ausgebootet fühlen und darunter leiden, dass die Zeit des Chaos, die ja auch eine Zeit der wilden Freiheit war, zu Ende geht – nur, dass wir es hier nicht mit einer Revolution zu tun hatten sondern um einen vordergründig normalen Regierungswechsel. Das Alte funktioniert nicht mehr, aber das Neue ist noch nicht gefunden. Irgendwie gilt das aber natürlich für so ziemlich alles in Griechenland.
Mit Giorgos Goniadis sitze ich in einer Taverne in Krini, am Rande von Thessaloniki. Goniadis ist ein junger Mann Ende 20, Brille, Vollbart, kariertes Hemd. Er ist einer dieser jungen Menschen voller Energie, der will, dass mit dem krisengebeutelten Griechenland endlich etwas weiter geht. Er ist halb politischer Aktivist, halb Businessman, und voller Idealismus. „Wir brauchen ehrliche Stimmen in der Politik, an denen fehlt es uns.“ Er ist nicht wirklich ein Syriza-Fan, aber noch weniger ein Syriza-Gegner. „Ich liebe Politik“, sagt er. Und fügt hinzu: „In der Theorie.“ Er lacht. Soll heißen: Die Praxis ist dann doch abstoßend. Wie schon Yannis, mit dem ich mich in Athen unterhalten habe, fürchtet er, dass die Syriza-Regierung die Wünsche, die auch er an sie hätte, nicht erfüllen wird – also die Sehnsucht nach einer, nennen wir es einmal: „linksliberalen Modernisierung“. Aber egal, Giorgos hat ohnehin ein Lebensmotto: „Wenn ich es nicht ändere, ändert sich nie etwas.“ Also beginnt er einfach, Dinge zu ändern. Als junger Mann ohne Job aber mit etwas Ersparten auf dem Konto habe er sich folgendes gedacht, erzählt er: „Ich kann jetzt vom Ersparten leben, aber dann ist es sehr bald aufgebraucht.“ Also hat er einfach ein Unternehmen gegründet. Sein Unternehmen „Papigion“ (www.papigion.gr) produziert Herrenfliegen, also diese Mascherl, wie wir Wiener sagen, die der gepflegte Herr zum Smoking trägt oder der Geek zum bunten Hemd. Langsam baut sich Goniadis eine Kundschaft auf. „Für mich war es zu Beginn ein Spiel, ein Abenteuer.“ Aber das Abenteuer funktioniert. Natürlich macht seine Firma noch keine Gewinne in einer Höhe, die hier in Österreich die Mindestsicherungsgrenze überschreiten würde, eine Krankenversicherung kann er sich von seinen Einnahmen noch immer nicht leisten und jede Steuererhöhung ist ein herber Rückschlag für seinen Business-Plan. Aber die Dinge laufen doch ganz gut. Darüber hinaus will Goniadis nicht einfach nur ein Unternehmen hochziehen, sondern auch etwas beweisen: „Alle meine Stoffe sind beste Qualität aus lokaler Produktion. Schneidern lasse ich nur bei lokalen Nähereien. Ich verpflichte mich gegenüber meinen Kunden, dass die Investitionen immer in die lokale Ökonomie fließen. Denn nur so können wir die griechische Wirtschaft wieder flott bekommen. Und außerdem spare ich Transportkosten und meine Waren haben auch einen nachhaltigen ökologischen Fußabdruck.“
Das Alte funktioniert nicht mehr, aber das Neue ist noch nicht gefunden. Irgendwie gilt das aber natürlich für so ziemlich alles in Griechenland.
Es ist eine Idee. Eine kleine nur. Aber eine Idee, die schon etwas verändert. Der junge Unternehmer hat ein Einkommen. Seine Zulieferer haben ein Einkommen. Und, wer weiß, vielleicht werden seine Fliegen ja einmal ein großer Hit am globalen Markt.
Es gibt viele solche kleinen Initiativen. Goniadis erzählt mir vom der Verbraucherinitiative „Bios-Coop“, ein genossenschaftlicher Laden in Thessaloniki, dessen Betreiberkollektiv nur mit Bauern und Zulieferern aus der Umgebung zusammenarbeitet. Das schafft direkt Jobs in den Verkaufsläden und indirekt Jobs in der Landwirtschaft, fördert die Umstellung auf ökologisch hochwertige Produkte und sorgt zudem dafür, dass die schwindende Kaufkraft der Griechen nicht auch noch an Multis wie Nestlé fließt. Alle diese Dinge haben keine großen Wirkungen, aber kleine positive Wirkungen, die sich dann zu großen positiven Wirkungen summieren können.
Ein paar Tage später, weit draußen im Industriegürtel von Thessaloniki. Dimitis lugt durch das provisorische Guckloch eines notdürftig zusammengeschraubten Aluminiumtores und lacht auf. „Kommt rein“, sagt er. Dimitris ist einer der Arbeiter von VIOME, vielleicht eine der berühmtesten griechischen Fabriken. Denn VIOME war eine Baumaterial-Firma, die von ihren Eigentümern geschlossen werden sollte. Die Arbeiter sind dann in den Streik getreten, haben ihre Fabrik besetzt und nach einiger Zeit beschlossen, sie in Eigenregie weiter zu betreiben. Aber sie haben noch viel mehr als das getan. Denn die Baustoffproduktion – also Zement, Estrich etc. -, war erstens gegenüber den produktiver erzeugten ausländischen Konkurrenzprodukten ohnehin nicht mehr wettbewerbsfähig und außerdem ist der Markt für Baumaterialien zusammengebrochen, da in der Krise kaum jemand mehr ein Haus baut. Also sind linke Wissenschaftler beigesprungen und haben eine Marktanalyse erstellt. Simpel gesagt: Sie haben sich überlegt, mit welchen Produkten die Firma eine Chance hätte und welche davon ohne große Investitionen mit dem vorhandenen Krempel hergestellt werden könnten. „Sie sagten uns, wir sollten am besten hochwertige Naturprodukte herstellen“, erzählt Dimitis. Heute produzieren die VIOME-Arbeiter ökologisch Reinigungsmittel und Seifen. Von den rund 60 Arbeitern, die früher bei VIOME beschäftigt waren, sind noch 21 übrig. „Wir können überleben. Gerade noch überleben.“ In großen Trögen werden die Reinigungsflüssigkeiten zusammengerührt und mit Lavendel- oder Palmenöl angereichert. Die Putzmittel werden in Plastikflaschen gefüllt, in der riesigen Werkshalle, von der die Arbeiter heute nur mehr ein kleines Eck benötigen, stapeln sich tausende Seifen, die darauf warten, an die Konsumenten ausgeliefert zu werden. An einem Tisch steht einer der Arbeiter und klopft mit einem Hammer und einer Art Prägestempel das VIOME-Logo in eine Seifen-Palette. Er hält inne, als ihn Katerina auf den Seifen-Verschnitt, also die kleinen Seifenstücke am Boden anspricht. Sie hat spontan die Idee, dass die kleinen Stücke doch gesammelt und an die Flüchtlinge aus Syrien und Afghanistan verteilt werden könnten. Die Arbeiter sind Feuer und Flamme für diesen Einfall und füllen gleich einen Sack voll, den sie noch heute zu den Flüchtlingen bringen wollen.
„Wir sind hier alle gleich. Keiner ist der Chef und alle kriegen den gleichen Anteil von den Einnahmen.“ Noch hapert es mit der Distribution. Die Seifen werden bei Solidaritätsfesten oder von den Arbeitern selbst auf Märkten verkauft. Klar, es gibt auch Exportnachfrage. Gerade eben wird wieder eine Kiste fertiggemacht, die nach Graz verschickt werden wird. Alles noch keine großen Sachen. Dabei wären die VIOME-Produkte in den Bioläden in unseren Breiten sicher wahre Renner – ökologisch korrekt und auch noch von kämpferischen Arbeitern im selbstverwalteten Betrieb hergestellt, das würde sich die zeitgenössische Latte-Macchiatto-Society doch einiges kosten lassen, geht durch meinen Kopf.
Was weiß man, vielleicht liegt die Zukunft der griechischen Ökonomie ja zumindest teilweise in Produktionsstätten wie diesen, die für einen lokalen Markt und für eine qualitätsbewußte Käuferschicht im Ausland produzieren. Denn mit Mercedes werden griechische Firmen allein der Produktivität wegen und mit chinesischen Billigprodukten schon des Preises wegen nicht so bald konkurrieren können. Die griechische Wirtschaft muss sich ihre Nischen suchen. Wie sagte Giorgos Goniadis so schön? „Wenn ich es nicht ändere, ändert sich nie etwas.“ So weit wie es scheint ist der hippe Start-Up-Gründer von den schnauzbärtigen Proletariern von VIOME gar nicht entfernt.
Wir sitzen unter einer Art Pergola, während sich in Brüssel das Drama entfaltet. Kommen diese Menschen in den Überlegungen der Technokraten und Finanzminister der Eurogruppe vor, wenn diese über dicken Papieren mit detaillierten Zahlenkolonnen brüten? Wissen sie überhaupt, wie es hier aussieht, hier herüben in der Wirklichkeit? Wahrscheinlich haben sie nicht einmal eine blassen Schimmer von der Realität. An Ende der Woche wollen sie Tsipras ohnehin viel zu weitgehenden Kompromissvorschlag zu einem noch brutaleren Austeritätsprogramm verschärfen, und schrecken auch vor Ultimaten nicht mehr zurück, als wäre in die Europäische Union, die als Partnerschaft freier und friedlicher Nationen gedacht war, die Sprache des Krieges eingezogen. In der Nacht zum Wochenende macht ihnen Alexis Tsipras dann einen Strich durch die Rechnung, ruft ein Referendum aus und empfiehlt den Griechen, das mit dem Ultimatum verbundene „Angebot“ abzulehnen. Es ist der Befreiungsschlag eines Mannes, der nicht klein beigeben kann und will, der aber zugleich mit dem Rücken zur Wand steht und sich nicht zwischen guten und schlechten Alternativen, sondern nur zwischen schlechten Alternativen entscheiden kann. Da schießt mir wieder dieser Satz in den Kopf, den mir knapp zwei Wochen vorher ein enger Mitarbeiter des Premiers gesagt hat: „Wir stehen vor politischen Dilemmata, von denen wir niemals ahnten, das wir ihnen jemals begegnen würden.“
Warum bieten Sie nicht zumindest Paypal als Spenden-Button an?
Überweisung ist heutzutage doch eine etwas umständliche Art – höchstens zusätzlich sinnvoll.
Super Artikel. Sehr lang, aber kein bisschen „lang“weilig. Eine intelligente Reise zu Menschen die nicht anders sind als wir, aber die von unserer deutschen Presse so hingestellt werden. Und das macht mich wütend. Ist es wirklich so leicht, den Menschen vorgefertigte Feindbilder zu vermitteln ?
Mit nachdenklichen Grüßen aus dem Allgäu
Stefan Steib
Ja, ich hab auch einen Paypal-Link gesucht. Für die Überweisung muss ich mich im ebanking-Dings anmelden, sehe meinen Kontostand und der Tag ist gelaufen.
Einfach großartig,der Artikel!Überweisung erfolgt wenn ich sicher bin,dass die Bankem reibungslos funktionieren,hier in Griechenland ,wo ich überwiegend lebe. Mit Dank und Grüßen Gerlinde Falk
lieber herr misik,
ein wirklich schöner artikel, der offenbar von jemandem kommt, der syriza wohlgesonnen ist. ein angenehmer kontrast zu der „üblichen“ berichterstattung in österreich. sie kriegen ihre 5 euro, keine frage, und ich würde mich freuen zukünftig mehr in dieser art lesen zu dürfen.
und ja, ein paypal-button würde die spendenhäufigkeit sicher drastisch erhöhen…auch wenn da wieder so ein multi mitverdient…
Herzlichen Dank für den tollen Bericht!
Sehr informativ und gleichzeitig berührend. Trotz schon längerer Beschäftigung mit dem Thema Griechenland konnte ich neue Einblicke und auch etwas Hoffnung gewinnen.
Ich schließe mich Stefan Steibs Kommentar an.
Und ein Paypal-Link, oder Button wäre echt von Vorteil.
Liebe Grüße aus Nord-Baden
… ich habe ihre pointierten meldungen oft gut gefunden – gestern aber im ZENTRUM hatte ich den eindruck dass sie recht unreflektiert sind. unreflektiert, weitgehend selbstgefällig und ignorant… diesen eindruck hatte ich wie gesagt bis jetzt nicht.
kann man das wirklich negieren dass diese buberlpartie in griechenland nichts leistet ausser arroganz und dafür auch noch die denen sie vieles an finanzieller zuwendung verdankt als böse hinstellt. sie werden sehen – von der qualität der regierung sind die in griechenland jetzt nicht weit von denen entfernt die bei uns die einfachen lösungen anbieten…. nicht umsonst war auch gestern im zentrum der freiheitliche weitaus besser zu verstehen als zb. swoboda – und das ist es was eigendlich zum kotzen ist.
und sie sind da auch sehr einfach rübergekommen – als wichtigtuer der laut gestikulierend nichts mehr als blabla geliefert hat… finde ich schade
Welche Zuwendungen? Die für mich nur noch als zynisch bezeichneten sog. Hilfsgelder, gehen doch zu mehr als 90% an ausländische Banken?
Ich finde, das ausgerechnet eine linke Regierung, denen in Brüssel an Hand von konstruktiven Vorschlägen (Mit denen im Übrigen auch Deutschland nach dem 2.WK ein wirtschaftlicher Aufstieg möglich war) Lösungsvorschläge aufzeigt, die von der geballten Brüsseler Intelligenz ignoriert werden, ist beschämend, deshalb wurde und wird auch nicht über diese Vorschläge diskutiert, sondern beschränkt sich noch auf das diffamieren von Personen, incl. der Mainstream was in Teilen schon an Volksverhetzung grenzt. Damit aber wird die Krise nicht gelöst, sondern verschlimmert sich noch.
Es geht hier in Brüssel sowieso nicht mehr um eine Lösung zu finden, sondern um Ideologie. Eine Linke Regierung darf in Europa keinen Erfolg haben.
@hugo wolf:
„dass diese buberlpartie in griechenland nichts leistet ausser arroganz“ – Fällt Ihnen was auf? Schon lustig, wie manche Leute sich selbst die Beine weghauen.
Und wenn das, was mit Griechenland (vor allem seit dem Regierungswechsel) angestellt wird, „Zuwendung“ ist, dann sind mir Ignoranz und schroffe Zurückweisung lieber. Oder wie es die „heute-Show“ ausgedrückt hat: „Die EU nennt ihre Griechenland-Politik „Rettung“. Da können die Flüchtlinge ja froh sein, wenn sie von Rettungsmaßnahmen verschont bleiben.“
Zitat:
ist sie auf zwei Gesetze richtig stolz, die gerade das Parlament passierten: das Gesetz über die gleichgeschlechtlichen Partnerschaften
“Wir haben die Mehrheit der Griechen wegen unserer ökonomischen und sozialen Forderungen für uns gewonnen”, sagt sie. “Aber das Vertrauen der Leute hat jetzt Spill-Over-Effekte auf andere Fragen”.
Das sticht hervor; kleines Detail, kann man schnell uebersehen — wie die „Linke“ in ganz ueblicher Weise die Interessen der Allgemeinheit „links liegen laesst“, und stattdessen ihre Klientel bedient. So „nebenbei“, eigentlich nicht gewaehlt dafuer, aber wo man schon die Macht hat, kann man sie auch fuer was „Gutes“ nutzen.
Das uebliche Verfahren: bei den wirklichen Fragen geschieht nichts, aber man kapriziert sich auf Minderheiten. Verrat an der Allgemeinheit.
Der wesentliche Mechanismus heute zur Demokratiezerstoerung ist Teile-und-Herrsche angewendet auf Minderheiten, wie „Frauen“, „Schwule“ etc.
Wie in D und anderswo: die „Linke“ kuemmert sich ausschliesslich noch um „Minderheiten“.
Sonst klingt ja alles nicht schlecht, aber da ist dieses kleine, winzige Detail — das wir auch ueberall sonst sehen (wenn wir uns nur ein bisschen anstrengen). So wie im Horrorfilm — nette Musik, alles wirkt gut, aber dann kapriziert sich die Kamera auf eine Kleinigkeit, und man weiss, das wird nicht gut ausgehen.
So wie manchmal Krieg gefuehrt wird, um von den eigentlichen Problemen abzulenken, fuehrt die „Linke“ ihr Programm zur „Gerechtigkeit“ aus.
@Oliver K:
Frauen sind eine Minderheit? Was verstehen Sie unter „Allgemeinheit“? Was halten Sie für das Klientel der Linken?
Katja Kipping hat mal gesagt: „Jedem, der uns wegen unserer Haltung zu Hartz IV und Friedenspolitik wählt, muss klar sein, dass er damit auch unsere Haltung zu Rassismus und Homophobie wählt.“ Ebenso offen haben sich Syriza-PolitikerInnen stets über ihre Themen geäußert. Kein Horrorfilm, keine „hidden agenda“.
Aber immerhin beruhigend, dass Schwulenfeindlichkeit, Frauenbenachteiligung und mieser Umgang mit Flüchtlingen keine „wirklichen Probleme“ sind. Weil Frauen, Homosexuelle und Ausländer ja nicht zur Allgemeinheit gehören.
Sehr schöner Artikel, endlich mal ein Einblick in den inneren Zirkel der neuen Regierung. Ich drücke Tsipras und seinen Mitarbeitern alle verfügbaren Daumen, dass sie das Beste aus dieser politisch verfahrenen Situation erreichen können.
Paypal wär schön, aber ich gehe jetzt runter in mein Büro und überweise auf traditionelle Art 😉
Robert, dein Artikel „Mein Griechenland – eine Reise ins Innere von Syriza“ gefällt mir sehr, und ich werde gerne noch mehr von dir lesen!
Und vor der Montagsmahnwache zur b a n k gehen (wie lange noch?!) Viele Grüße aus Hamburg, Inga
Sehr guter Artikel. Vielen Dank dafür und auch für die vielen guten Beiträge von Ihnen zuvor zu dem Thema. Die 5 € sind unterwegs
Beste Grüße aus Köln
Lieber Robert Misik,
seit etwa vier Jahren verfolge ich in unregelmäßigen Abständen Ihre Artikel und Videobeiträge. Vielen Dank für Ihre Beiträge, die mich mal zum Nachdenken, mal zum Schmunzeln anregen und Ihren Zorn und Ihre Fassungslosigkeit über das augenblickliche politische Geschehen transportieren. Das Gefühl, das etwas faul ist im Staatenbund Europa habe ich seit langem und bin dankbar, dass Sie so unermüdlich aufklärerische Arbeit leisten. Sie haben mich klüger gemacht.
Damit Sie weiter arbeiten können, von mir 10 € auch ohne PayPal ; -)
Herzliche Grüße
Ihr Marc Wolf
Lieber Herr Misik,
Dank für den guten Artikel,
immer wieder gerne auf TAZ!
Geld ist unterwegs.
Eine Reportage über Podemos, dass wäre auch toll.
viele Grüße aus Köln
Wirklich eine ganz fabelhafte, sehr lesenswerte Reportage! Ich moechte ebenfalls gerne dafuer spenden, doch geht nach nicht auch ueber paypal?
Herzliche Gruesse,
Lady Montagu
Lieber Robert,
5 € sind für manche von uns gar nicht so wenig. Wenn du sagst 1-5 €, können dich diese Manchen vielleicht auch bei mehr Geschichten unterstützen. Leser solltest du genug haben, dass sich das auch ausgeht. Und natürlich zahl-technologische Spendenerleichterung hilft auch manchen (u.U. Anderen).
Herzliche Grüße aus Wien, T.M.W.
Lieber Robert,
danke für diese Einschau. Das macht Mut. Lieber Leser! Überweist mal ein paar Hunderter auf sein Konto. Misik macht ganze Arbeit.
Noch was! Es war für mich der schönste Moment zu erkennen, dass das Regierungsmandat der Syriza-Bewegung Wirkung zeigt. Endlich werden wir das neoliberale Dogma (der Vatikanstaat EU lässt grüßen) aufbrechen. Denn das griechische Mandat bricht mit dem neoliberalen Paradigma und will den Menschen in den Städten und Kommunen wieder in den Mittelpunkt der Politik stellen. Die griechische Zivilgesellschaft wird sozusagen zum Subjekt der eigenen Geschichte.
Aus der Mischung oppositioneller und von ganz Oben und experimenteller Arbeit an der Basis ((Mao ist mit diesem Prinzip zur Zeit der Kulturrevolution gescheitert!) kommen hoffentlich neue Ideen zum Vorschein. Hoch politisierte Bürger in ihren Kommunen, die ihr Schicksal ab nun selbst in die Hand nehmen? Gelingt das Experiment, können wir endlich die korrupte politisch-ökonomischen Elite hinter uns lassen und neue Wege beschreiten.
Hoch an der Zeit dass wieder mehr Recht und Gerechtigkeit herrscht. Dass wir unser Gesundheits-, Bildungs-, Sozial- und Bankensysteme nicht den Investoren zum Fraß in den Rachen werfen. Raus aus der ökonomischen und politischen Zwangsjacke!
Wir leben nun mal in der einen und selben Welt. Und es darf in dieser Welt ruhig Vielheit herrschen. Deswegen müssen wir uns bewegen und uns die Chance geben uns neu zu begegnen.
Liebe Grüße aus dem von der Völkerwanderung durchdrungenen Salzburg sendet dir
Richard Mayr
Literaturtipp: „Die kommende Gesellschaft“ von Giorgio Agamben. Think about it.
Hallo,
tatsächlich ein hervorragender Artikel, den ich natürlich über alle meine sozialen Medien gejagt habe.
Ich würde auch gerne was dafür geben, muss da allerdings auch fragen, warum es nicht einfach über einen kleinen „Donate“ Button geht…das wäre viel einfacher. Oder Sie teilen uns mal Ihre Mailadresse mit, auf die wir über Paypal was überweisen können.
Meine Empfehlung, wie auch schon von den Vorgängern empfohlen, Paypal würde vieles einfacher machen. Ansonsten, kann ich nur Chapeau sagen zu diesen sehr differenzierten Beitrag, welcher sich einmal, was sehr selten in Deutschland vorkommt, wohltuend von den üblichen abhebt.
Wie wäre es mit einem Flattr-Button auf der Seite? Ich bin mir sicher, dass dann mehr Menschen etwas spenden würden.
Unter einem so systemkritischen Artikel aus purer Bequemlichkeit die Einbindung des Datenschutz ignorierenden Finanz-Multis PayPal zu fordern ist schon fast zynisch.
Danke für den Artikel Hr. Misik. Habe die 3 Klicks mehr im Online-Banking System gut überstanden, Geld ist auf dem Weg.
ich glaube, das folgende ist sehr erhellend, wenn wir die insiderische clubrolle der unantastbaren, und die rolle der „heiler“ und prediger ins heute übersetzen:
http://www.bohol.ph/indolence/indo_009.html — http://www.bohol.ph/indolence/indo_009.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Noli_me_tangere_%28Roman%29
http://www.gutenberg.org/ebooks/6737
Hallo Herr Misik,
Ich habe in den letzten Jahren, so unendlich viele, vor allem systemkritische Artikel gelesen, natürlich gehörte die Zeitung mit den vier Buchstaben des Springer Verlag NICHT dazu.
Wie soll ich das sagen: Sie haben es mit chirurgischer Präzision auf den Punkt gebracht. Dieser Artikel ist weit weit mehr Wert als nur lausige fünf Euro.
Ich mache mir sehr sehr große Sorgen um das Europa, in dem unsere Kinder leben werden, und ich hoffe das ich mich in 15 Jahren ihnen gegenüber nicht rechtfertigen muß , über das was nicht getan und das was wir nicht wenigstens versucht haben….nämlich der Versuch ein „echte u. direkte“ Demokratie im wahrsten Sinne der griechischen Übersetzung zu schaffen. Hellas hat die Demokratie erschaffen und die neoliberalen Feinde der Demokratie versuchen diese am Geburtsort zu filetieren. Deshalb: Der Tag vor OXI oder NAI: Geht demonstrieren, überall in Europa sind Demos. https://blockupy.org/
Vielen Dank! Eine eher nebensächliche Anmerkung. „Mehr Gerechtigkeit und mehr Demokratie“ – das erinnert natürlich an Willy Brandt. Und es paßt nun nicht die Spur zu dem, was die Berliner taz seit über 10 Jahren mehrheitlich schreibt. Wir haben sehr wenig hier, aber ich spende jetzt, denn so nebensächlich das für einen jahrelangen Leser von Varoufakis‘ blog auch sein mag – wenn sie etwas ändern könnte, können die sehr sehr einflußreichen Medien auch nicht die gleichen bleiben. Max Uthoffs „Ex-Presse“ aus der Anstalt vom 26.5. ist keine Übertreibung, auch kein Witz.
Wenn Sie also unabhängig berichten könnten, statt auf taz, Zeit, Spon (falls Sie da veröffentlichen, ich lese da seit einem Geiferartikel Jurek Skrobalas gegen Varoufakis und dieser Fleischhauerei im Spiegel wirklich nicht mehr) – wäre das wichtig. Man vergesse nicht, wie unsäglich uns 95% der Medien, inclusive der genannten Blätter, jahrelang falsch, indifferent-cool, beißend-geifernd oder wie immer über Griechenland informiert haben. Jeder und jedem von uns fallen auf Anhieb hunderte Beispiele ein.
Syriza kann Griechenland nicht retten
http://crimethinc.blogsport.de/2015/03/11/syriza-kann-griechenland-nicht-retten/
das beste was ich bis jetzt zu diesem Thema gelesen habe.
vg, kv
Als jemand, der politische Entwicklungen interessiert verfolgt, finde ich es spannend, einen Blick hinter die Kulissen von Syriza zu werfen. „Mein Griechenland“ bietet eine faszinierende Einblicke in die Innenwelt dieser politischen Bewegung. Es ist wichtig, die Perspektiven und Ansichten verschiedener politischer Akteure zu verstehen, um die Komplexität politischer Prozesse besser zu erfassen. Diese Reise ins Innere von Syriza verspricht interessante Einblicke in die Ideen, Motivationen und Herausforderungen dieser Partei.