Das wirkliche Problem der Roten

Pamela Rendi-Wagner kämpft wie eine Löwin und gewinnt von Tag zu Tag mehr an Profil. Ihr Hauptproblem hat sie geerbt: Wenn man die Menschen fragt, wofür die SPÖ steht, müssen sie lange nachdenken.

Viele Leute fragen: Warum kommt die SPÖ in den Umfragen nicht wirklich vom Fleck. Nun muss man dabei einschränkend sagen, dass Umfragen nur Umfragen sind, und die haben sich schon häufig als krass falsch herausgestellt. Auch heute weiß man nicht, wie die Dinge wirklich liegen: Liegt die SPÖ bei 20 oder 23 Prozent, vielleicht sogar bei 25?

Aber ein paar Dinge weiß man natürlich. Die ÖVP ist sicherlich im Augenblick deutlich voran auf Platz eins. Sebastian Kurz hat sich zu einer „Marke“ gemacht, und die „Marke ÖVP“ klar mit sich selbst verbunden – was übrigens ein Problem wird, wenn die Marke Kurz abstürzt. Die SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner musste unter eher ungünstigen Umständen in den Wahlkampf starten: Sie war erst ein paar Monate im Amt, ganz generell sahen die Bürger und Bürgerinnen sie nicht automatisch als eine „Kanzlerin“ an. Die Partei funktioniert auch nicht wie ein gut geöltes Räderwerk.

Dennoch ist Rendi-Wagner das Atout der SPÖ: Sie ist neu im Betrieb, gehört nicht seit ewig zur politischen Apparatschik-Klasse, kommt in der direkten Begegnung herzlich rüber und hat als Gesundheits- und Sozialpolitikerin ein klares Profil als eine mitfühlende Person.

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Das Grundproblem der SPÖ ist, dass die wenigsten Menschen heute wissen, wofür die Partei steht. Gewiss, sie ist eine 130 Jahre alte Partei, die immer die Partei der „einfachen Leute“ war. Dass sie damit so irgendwie für „soziale Werte“ steht wissen auch Leute, die sich nicht für Politik interessieren. Aber ein scharfes Profil ist das noch lange nicht. Parteien stehen dann gut da, wenn Wähler keine Sekunde zögern müssen, um zu sagen wofür eine Partei „steht“.

Es ist ein bisschen so wie bei der Beurteilung von Menschen, die wir gut kennen. Wenn wir sagen: „Der Heinzi ist ein grader Kerl mit dem Herz am rechten Fleck, bei dem kannst du dich darauf verlassen, dass der zur Stelle ist, wenn du Hilfe brauchst“, dann hat der Heinzi ein klares Persönlichkeitsprofil. Wir haben dann einfach ein Bild vor Augen, „wie der Heinzi so ist“. Für Parteien ist das auch wichtig.

ÖVP, Grüne und FPÖ haben auf ihre Weise ein sehr deutliches Profil. Die ÖVP steht für „Veränderung“, weil Kurz das schon seines Alters wegen verkörperte, für ein „die Österreicher zuerst“, aber mit freundlichem Augenaufschlag. Die FPÖ repräsentiert „gegen die Ausländer“ und für „die gute alte Zeit“ in der etwa die Rollen von Mann und Frau so sind, wie sie immer waren. Die Grünen repräsentieren Modernität, Weltoffenheit und Umwelt. Die Neos sind „ÖVP, nur moderner und städtischer“. Im Grunde kann man Wähler nachts um drei Uhr aus dem Tiefschlaf wecken und wenn man sie fragt, wofür die genannten Parteien stehen, können sie wie aus der Pistole geschossen antworten. Aber bei der SPÖ ist das schwieriger.

Alleine in den vergangenen zwanzig Jahren kultivierte sie sich mal als Schutzpatron der kleinen Leute, dann wieder als die Partei mit Wirtschaftskompetenz, dann wieder als linksliberale Partei der modernen arbeitenden Mittelklassen und oft schummelte sie sich irgendwie durch. Das führt zwangsläufig zu einem eher unklaren Image. Das ist natürlich nicht nur eine Schwäche: Sie kann in der Vorstadt oft noch 40 Prozent der „einfachen Leute“ für sich gewinnen und genauso in der Innenstadt die modernen Akademiker. Sie hat damit aber auch eine eher schwierige Wählerbasis, weil die sehr unterschiedlich und schwer unter einen Hut zu bringen ist. Von Doskozil bis Rendi-Wagner – ein ziemlicher Spagat.

Üblicherweise reagieren Parteien auf so ein Problem mit einem Bündel an Forderungen. Aber zehn Gesetzesvorschläge vom Mindestlohn über gerechte Renten bis „Mieten runter“ addieren sich nicht notwendigerweise zu einem klaren „Persönlichkeitsprofil“ wie dem vom fiktiven Heinzi. Du musst das, was du sein willst, verkörpern. Für die SPÖ würde das heißen: die Partei, der die einfachen Leute, die nicht auf die Butterseite des Lebens gefallen sind, vertrauen können. Weil sie sie gerne hat, auf ihrer Seite steht, und in ihren Vierteln präsent ist. Die die Leute, die es nicht leicht im Leben haben, aber nicht gegeneinander ausspielt. Deren Spitzenleute sich auch nicht als etwas Besseres vorkommen. Die einen Staat organisiert, der sich kümmert. Rendi-Wagner kämpft wie eine Löwin dafür, der Partei dieses Profil zu geben. Aber ein Wahlkampf allein ist dafür sehr kurz.

2 Gedanken zu „Das wirkliche Problem der Roten“

  1. Welche Bevölkerungsgruppen werden klimatische Veränderungen zuerst und am stärksten spüren? – Die traditionelle Klientel der SPÖ.
    Sollte in Anbetracht dessen eine SPÖ-Vorsitzende nicht konsequenter für den Schutz unserer Umwelt und den freien Zugang zu natürlichen Ressourcen eintreten?
    Das Schnitzel muss nicht für jeden leistbar sein – doch das Klima sollte für alle erträglich sein.
    Nicht jeder Kilometer muss per Automobil zurückgelegt werden – aber die Luft sollte für alle atembar sein.
    Uneingeschränkte Konsum bedeutet nicht hohe Lebensqualität – ein freier Zugang zu intakter Natur schon.
    Die SPÖ sollte die Mittel und langfristig wirklich entscheidenden Themen offensiv thematisieren und konsequent lösen.
    Das momentane Vorgehen scheint so, als ob jemand die Gunst eines Kindes gewinnen wollte, mit dem kurzsichtig Versprechen, nicht zum Zahnarzt gehen zu müssen, weil’s ja ein bisschen weh tun könnte.

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