Risikogesellschaft

Viele Menschen haben den Ernst der Lage noch nicht begriffen

Wenn mir noch einmal jemand sagt, die Corona-Epidemie wäre nicht gefährlicher als eine normale Grippe, dann huste ich dieser Person ins Gesicht. Klar, so halb informiert konnte man vor einem Monat noch diese Meinung haben. Aber wer sie heute immer noch äußert, der ist einfach ignorant, liest keine Zeitungen und hört bei den Ausführungen der Mediziner nicht hin.

Nein, diese Epidemie ist eben nicht vergleichbar mit der normalen Grippe. Sie ist ansteckender, da es keine Grundimmunität in der Bevölkerung gibt. Und das ist einfach deshalb der Fall, weil die gegenwärtige Infektion neu ist. Und es spricht auch sehr viel dafür, dass die Sterberate deutlich höher ist als bei der Grippe. Vor allem: Fehlen Krankenhausbetten und Beatmungsgeräte, sterben einfach mehr Menschen. Kurzum: Während an der Grippe 1000 bis 2000 Menschen jährlich sterben, können es im gegebenen Fall 20.000 oder 40.000 sein.

Schlaumeier sagen, es werde Panik geschürt. Nun ist das ja bei vielen Themen der Fall. Aber diesmal habe ich eher den Eindruck, dass viel zu viele Leute noch nicht den Ernst der Lage begriffen haben und dass auch viel zu oft abgewiegelt wird.

Überspitzt gesagt: Bisschen mehr Panik wäre angesagt.

Wobei wir natürlich mit dem Begriff „Panik“ Kopflosigkeit verbinden, dass wir irrational das Weite suchen. Panik in diesem Sinne ist natürlich unnötig, einfach deshalb, weil sie nichts bringt.

Vor rund dreißig Jahren hat der kluge Soziologe Ulrich Beck ein Buch mit dem Titel „Risikogesellschaft“ geschrieben. Damals war damit eine Global-Gesellschaft gemeint, in der wir global verbunden sind, in der weniger zentral geregelt ist und in der wir mit fortgeschrittenen Technologien umgehen müssen, die alleine deshalb fehleranfällig sind, weil sie so komplex sind. Erst in den vergangenen zehn Jahren haben wir eine echte Ahnung bekommen, was das heißt. In der Finanzkrise sahen wir, wie kollapsgefährdet die globale Wirtschaft ist. Jetzt also das Virus. Was wir aber auch sehen: Eine Epidemie – also ein Gesundheitsrisiko – kann sofort die Wirtschaft anstecken und zu einem ökonomischen Risiko werden. Viele Menschen spüren, dass es niemanden gibt, auch die mächtigsten Politiker nicht, die die Risiken im Griff haben.

„Insider“, 13. März, 2020

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