Mit Murks durch die Krise

Österreichs Bundesregierung sollte sich ein Beispiel an Deutschland nehmen und endlich massiv gegen die Krise kämpfen.

„Österreich“, Juni 2020

Vergangene Woche hatte ich das große Vergnügen, mit dem deutschen Finanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz eine Stunde debattieren zu dürfen, der gerade ein 130-Milliarden-Euro-Paket zur Ankurbelung der Konjunktur geschnürt hat. Schon in den Monaten davor hat die deutsche Bundesregierung verschiedene Hilfstöpfe aus dem Boden gestampft, die Unternehmen und Beschäftigung retten sollen. Alles zusammen werden wohl bis zu einer Billion Euro bewegt. „Mit Wumms aus der Krise“, ist das Leitmotiv.

„Es war notwendig, schnell zu handeln und mit einem großen Paket gegen die Krise vorzugehen, denn sonst verlieren alle an Vertrauen“, sagte Scholz in unserer Diskussion. „In einer solchen Lage darf man sich nicht reintasten. Hätten wir ein bisschen was gemacht, und dann noch einmal ein bisschen was gemacht, hätte das vielleicht auch funktioniert, aber es hätte das notwendige Vertrauen nicht erzeugt.“

Ist Ihnen freie Publizistik etwas wert? Robert Misik, IBAN AT 301200050386142129 / BIC= BKAUATWW

Da hat wohl jeder Zuhörer an die österreichische Bundesregierung gedacht, die leider genau so vorgegangen ist. Nach der vollmundigen Ankündigung „Koste es was es wolle“ folgten nur frustrierende Hilfsprogramme, die auf bizarre Weise bürokratisch abgewickelt wurden, bei denen oft nur ein paar hundert oder tausend Euro flossen – und die sind bei manchen bis heute nicht angekommen.

Das führte nicht nur zur Wut bei den Unternehmen, sondern eben auch zu Angst und Pessimismus. Deswegen ist es wichtig, zu verstehen, dass das Handeln des Staates auch eine psychologische Komponente hat. Haben die Unternehmen die Angst, dass sie hängen gelassen werden, dann vertrauen sie auch dem Versprechen auf einen Wiederaufschwung nicht. Und das verschärft dann noch die Krise.

Die Folge: Wir doktern jetzt noch, drei Monate nach dem Shutdown, an den dilettantischen  Hilfsprogrammen herum – obwohl wir uns eigentlich schon mit dem nächsten Schritt beschäftigen müssten, nämlich mit der Frage, wie wir in den kommenden Monaten einen Konjunkturturbo zünden können.

Genügend Leute hatten ja schon vor der Krise das Gefühl, dass bei uns vieles falsch läuft: dass Solidarität verloren gegangen ist, dass es eigentlich nicht mehr gerecht zugeht, dass zu viel Konkurrenz in unserem Leben ist, aber auch, dass wir jetzt endlich aufhören müssen, auf Kosten künftiger Generationen den Planeten unbewohnbar zu machen. Das Gefühl, dass irgend etwas massiv falsch läuft, hat ja im Grunde jeder und jede seit Jahren.

Jetzt kommen manche schon wieder mit den Rezepten von vorgestern. Die ultrakonservative „Agenda Austria“ hat etwa vorgeschlagen, dass künftig das Arbeitslosengeld nicht mehr 55 Prozent des letzten Nettolohnes ausmachen soll, sondern in den ersten Wochen höher liegen, dafür nach nur vier Monaten sinken soll, dass man von dem Geld sehr bald nicht mehr leben kann. Die „Idee“ dahinter ist, Menschen dazu zu zwingen, auch die miesesten Jobs anzunehmen. Wenn man eine solche Gemeinheit wirklich „Idee“ nennen will…

Aber das ist nicht nur menschenverachtend, sondern in jeder Hinsicht fatal. Wirtschaftlich wäre das katastrophal, weil der Konsum noch mehr einbrechen würde. Wir brauchen nicht noch mehr Druck und Stress im Leben, sondern weniger. Wir brauchen einen Staat, der sich darum kümmert, dass niemand Angst haben muss, unter die Räder zu kommen. Die Ego-Ideologie, dass wir alle gegeneinander kämpfen sollen, hat uns schon vor der Krise nicht gutgetan.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.