Rücktritt auf Raten

Der demontierte Ex-Kanzler sitzt als Klubchef im Parlament und sinnt auf Revanche. Wie soll da noch regiert werden können?

Mein Leitartikel in die tageszeitung, Berlin

Noch am Vortag hatten die Parteigranden und Minister der Volkspartei peinliche Treuebekundungen und Durchhaltepamphlete unterschrieben, doch am Samstag Abend war Sebastian Kurz dann nicht mehr zu halten. Der einstige Strahlemann trat als Bundeskanzler zurück, um seiner Partei die Regierungsführung und die Koalition mit den Grünen zu retten und will sich jetzt auf die Rolle des Fraktionsvorsitzenden im Parlament zurückziehen.

Es ist die Flucht aus dem Amt in ein anderes, um den völligen Untergang doch noch vermeiden zu können.

Sebastian Kurz sitzt jetzt im Fraktionsvorsitz um hier die Korruptionsermittlungen gegen ihn und seine sinistren Netzwerke auszusitzen und irgendwann als Kanzler wieder zu kommen. Heute liegt schon genug am Tisch, die Chats, die er mit seinen Günstlingen austauschte, offenbaren einen Abgrund an Niedertracht und Staatsfeindschaft und schierer krimineller Energie. Kurz ist Beschuldigter in verschiedenen Verfahren, bei denen es mittlerweile auch um Untreue und Bestechlichkeit geht.

Wie soll da eine Regierung arbeiten können, mit einem Strohmann, den der Pate nach Mafiaart im Kanzleramt installiert? Wie soll der Staat überhaupt noch funktionieren, wenn ein als Kanzler Demontierter im Fraktionsvorsitz verbleibt, und hier auf Rache und Revanche sinnt, nicht zuletzt gegenüber dem grünen Koalitionspartner? Kurz versucht, die Fäden in den Händen zu behalten.

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Die Korruptionsermittlungen gegen die mutmaßlich kriminellen Netzwerke, die die die Seilschaft um Kurz gesponnen hat, gehen ja weiter, es wird wöchentlich etwas Neues herauskommen, das die ÖVP unter Druck setzen und die Regierung lahmlegen wird. Es ist die Kernschmelze eines Systems.

Noch hängt die ÖVP an ihrem gefallenen Ex-Strahlemann, es fällt ihr sichtlich schwer, in der Realität anzukommen. Dabei droht ihr damit ein Skandal ohne Ende und im Extremfall der Untergang, wenn sie nicht schnell mit dem Kurz-System aufräumt.

Kurz spekuliert jetzt darauf, wie etwa sein großes Vorbild Benjamin Netanjahu jahrelange Korruptionsenthüllungen überstehen, das Land in Geiselhaft halten und mit „Unschuldiges-Opfer“-Kampagnen an die Macht zurück kommen zu können.

Der Schaden, den er damit anrichtet, ist ihm sichtbar egal. Er ist der böse Geist der österreichischen Politik. Und am Ende wird es doch nur ein Rücktritt auf Raten gewesen sein, denn längst ist Kurz der Haftanstalt mindestens ebenso nah wie dem Wiedereinzug ins Kanzleramt.

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