Um knapp vier Prozent steigen die Gehälter der Metaller. Aber was ist mit den Branchen, deren Beschäftigte nicht so viel Druck machen können?
Am Ende haben ein paar wenige Warnstreiks und Betriebsversammlungen gereicht und in der Nacht auf Sonntag gab es dann die Einigung: die Gehälter der Beschäftigten in der Metallindustrie steigen um 3,55 Prozent, die Zulagen ebenfalls, sodass sich das Gesamtpaket auf ein Plus von fast vier Prozent summiert. Auch die Lehrlinge bekommen deutlich mehr Geld, im ersten Lehrjahr sind es sechs Prozent mehr. Das ist zumindest einmal ein recht ordentlicher Tarifabschluss. Je nachdem, wie man es rechnet, ist es rund ein Prozent über der Inflationsrate. Ein Reallohnzuwachs, zumindest ein bisschen.
Genau so soll, genau so muss es sein. Die ganz normalen Leute, die hart arbeiten, jeden Tag rackern, haben in den vergangenen Jahrzehnten kaum mehr Lohnzuwächse gesehen. Deswegen fühlt sich die Inflationsrate auch höher an als sie ist. Sie ist immer noch niedriger als in früheren Zeiten, als es für alle aufwärts ging – nur damals stiegen auch die Löhne stärker.
Nun ist das mit den Metallern und ihrer Gewerkschaft so eine Sache: traditionell geben sie einmal ein Maß vor, einen Richtwert. Andererseits können viele Branchen nicht so viel Druck machen wie die Metaller: bei den Arbeitern und Angestellten in der Metallindustrie gibt es immer noch eine starke gewerkschaftliche Vertretung, die Beschäftigten arbeiten gemeinsam in einer Fabrik, oft hunderte, oft sogar tausende. Man kennt sich da, hält zusammen, bringt Kampfkraft auf die Waagschale und es gibt auch noch einen Facharbeitermangel, der sich gewaschen hat.
Das ist schon bei den großen Supermarktketten und anderen Handelsbetrieben anders. Die Leute arbeiten da verstreut in ihren Filialen. Der gewerkschaftliche Organisationsgrad ist niedriger. Beim Bäcker oder in der Boutique ist das noch einmal schwieriger. Da stehen drei, vier Leute im Laden, mehr nicht.
Ist Ihnen freie Publizistik etwas wert? Robert Misik, IBAN AT 301200050386142129 / BIC= BKAUATWW
Oder nehmen wir die Pflege- und Sozialberufe. Auch hier gibt es in den vergangenen Jahren mehr Arbeitskämpfe als zuvor, aber die Hürde, in den Streik zu treten, ist eine höhere. Die Beschäftigten können ja die Kranken nicht unversorgt in den Betten liegen lassen, die Kinder in den Kindergruppen brauchen ihre Pädagoginnen und Pädagogen auch.
Und dann sollen wir ja nicht vergessen, dass wir längst arg gespaltene Arbeitsmärkte haben. Wer ohne ordentliche Angestelltenverträge malocht, sei das als Paketzusteller, sei das im Tourismus, als Landarbeiter in der Landwirtschaft – oft wird man hier mit Krümel abgespeist, ausgepresst, ja, noch um die letzten paar Euro betrogen. Selbst bei den Journalistinnen und Journalisten ist das oft so, sogar beim einstigen Luxusdampfer ORF. Und in der Gastro ist es nicht immer sehr viel besser, und dann heulen die Wirte herum, dass sie kein Personal bekommen.
Es ist Zeit für mehr Solidarität. Denn wenn jeder und jede für sich alleine ums Überleben rennt, dann bleiben am Ende alle über. Wer gute Arbeit leistet, soll ordentlich bezahlt werden. Wer rackert, muss davon zumindest einigermaßen über die Runden kommen. Der Abschluss bei den Metallern ist prima, aber eigentlich ist noch viel wichtiger, dass in anderen Branchen, in denen die Einkommen kaum mehr zum Leben reichen, die Gewerkschaften ordentliche Abschlüsse hinkriegen. Dafür brauchen sie Rückenwind und damit „uns“ – also die öffentliche Meinung, ein Meinungsklima in der Bevölkerung, das sagt: Legt mal bei denen ordentlich drauf, die es am meisten brauchen.