Avantgarde, Kühnheit, Lebensappetit

Radikale Künste, radikale Politik und progressives Ideengestöber schufen über mehrere Jahrhunderte dieses seltsame Etwas, was man „Zeitgeist“ nennt, voller Optimismus, Kühnheit und Lebensappetit. Aber wie lässt sich diese Allianz erneuern?

Hohe Luft, Magazin, Mai 2022

Das Buch:
Robert Misik: Das große Beginnergefühl. Moderne, Zeitgeist, Revolution. Suhrkamp-Verlag, Berlin. 283 Seiten. 18 Euro.
Ein Geschichtsbuch der Moderne, das bis in die nächste Zukunft reicht, und die Wechselwirkungen von avancierten Künsten, radikaler Avantgarde, Ideenwelten und Utopien, historischem Fortschritt und dem „Zeitgeist“ beschreibt. Es ist eine ganz neue, eine „andere“ Geschichte der Moderne, die der Autor ausbreitet. Einzelne Kapitel widmen sich Balzac, Heine, Flaubert, den Intensitätsidealen und Vitalismus der Epoche, Baudelaire, George Sand und Lou Andreas-Salomé, Rimbaud, der Wiener Moderne, dem Kubismus, den Wegen in die Abstraktion, Duchamp, Brecht, Giacometti, dem Abstrakten Expressionismus, Susan Sontag, Sylvia Plath, Elfriede Jelinek, René Pollesch, Milo Rau und dem Ringen der „Gegenwartskunst“ um Relevanz.

„Die Moderne war immer noch eine lebenssprühende Idee“, schrieb Susan Sontag knapp vor der Jahrtausendwende im Rückblick auf die sechziger Jahre in einem leicht melancholischen, fast deprimierten Ton. „Wie sehr man sich wünschte, dass ein wenig von der Kühnheit, dem Optimismus, der Verachtung für den Kommerz überlebt hätte.“ Diese Sätze der großen amerikanischen Essayistin haben etwas von einem Abgesang. Gleichsam negativ rauscht im Hintergrund noch das Pathos, das wir mit dem Begriff der Moderne verbinden: Elan, Fortschrittsgeist, Lebensappetit.

Die permanenten Revolutionen und Stilrevolutionen in den Künsten eröffnen dem Sehen, dem Empfinden, dem Hören, dem Leben neue Kontinente. Die ambitionierten Künste sickern in die Alltagskultur. In der Politik verbreitet sich ein Geist der Revolution oder zumindest der ambitionierten Reformen. Neue Generationen räumen kühn den Schutt und die Trümmer der Altvorderen beiseite. „Es braucht die große tabula rasa, auf der man spielt, das beginnergefühl“, notiert Bertolt Brecht 1941 in sein Arbeitstagebuch. Natürlich ist all das keine Einbahnstraße, es gibt Gegenwind, etwa den Widerstand des Konventionellen in den Künsten, Reaktion, Gegenrevolution in der Politik, all dieses übliche „Weltkuddelmuddel“, wie Heinrich Heine das nannte.

Politik, Technik, die Künste, all das wirkte direkt oder indirekt aufeinander ein, und diese Wechselwirkungen und Rückkoppelungen produzierten dieses seltsame „Etwas“, das wir gemeinhin den „Zeitgeist“ nennen. Verdichteten Atmosphären.

Und heute? Im Politischen herrscht Regression, dass „der Fortschritt“ sowohl ein materieller als auch ein gesellschaftlicher und einer zu einer höheren zivilisatorischen Entwicklung wäre, wird von kaum jemanden so empfunden. Auch in den Künsten herrscht die große Klage. Die Themen sind eher dystopisch als utopisch, wenn nicht eskapistisch. Ganz generell wird bange die Frage nach der „Relevanz“ gestellt.

Die moderne Kunst war immer Schrittmacherin des Fortschritts, weil sie neue Wahrnehmungsformen durchsetzte. Formsprachen und Sprachformen setzten das Hergebrachte dem Säurebad der Subversion aus.

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In der Geschichte der Moderne prägten die Künste auf vielfältige Weise die äußere Realität: Schonungslose Beschreibungen der Wirklichkeit lieferten das Rohmaterial für Gesellschaftskritik – selbst dann, wenn die betreffenden Künstler das gar nicht beabsichtigten. Literaten und Literatinnen fanden eine Sprache und Schreibweisen, die die politische Pamphletistik beeinflussten. Stilrevolutionen veränderten die Art, wie wir unsere Welt sehen, aber sie beeinflussten auch Menschenbilder. Die Introspektion, die Psyche und Gefühlswelten ergründete, brachte den modernen Individualismus hervor. Bildsprachen breiteten sich von der Avantgarde ausgehend aus, wurden vom Überraschenden zum Gewohnten. Wo progressive politische Bewegungen an die Schaltstellen kamen, wie etwa im Roten Wien, wirkten die Künste über Architektur, Design, neue Stilsprachen direkt auf den Alltag ein und hatten ganz unmittelbar lebensweltliche Folgen.

Früher waren auch die selbstbezüglichsten Stilrevolutionen noch „politisch“, da sie sofort mit Reaktionen des Konventionellen zu rechnen hatten. Der Konservativismus drängte die zeitgenössische Kunst nahezu automatisch ins Lager des Rebellisch-Revolutionären.

Brecht, die Futuristen, das Bauhaus, die Abstraktion, die Abkehr von der Gegenständlichkeit, Balzacs Beschreibung der Geldwelt, Flauberts Verhöhnung des Bourgeoisen – das war alles auf seine Weise politisch und gesellschaftsverändernd, nur eben auf jeweils sehr unterschiedliche Weise.

Die Kunst der Moderne ist radikal, wo (oder besser: weil) sie neue Fragen und neue Stile etabliert – das ist so ziemlich die Minimaldefinition, aber zugleich ein wichtiges, zentrales Kriterium. Die Künstler, sie sind sowohl Protokollführer des Zeitgeistes wie dessen Koautorinnen.

Der bürgerliche Roman und sein „Realismus“, wie er sich ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierte, steht ziemlich am Ausgang dieses großen epochalen Bogens (Terminisierungen haben natürlich immer etwas willkürliches). Honoré de Balzac hat mit seiner Comédie Humaine ein Panorama der modernen bürgerlichen Gesellschaft schon im Moment ihres Ursprungs gezeichnet. Balzac war das Gegenteil eines sozialistischen Revolutionärs, er war ein reaktionärer Monarchist. Aber er hat die zeitgenössische Gesellschaft beschrieben, deren charakteristische Typen, die verwitternde Prunksucht der Aristokraten, die kriecherische Posiererei der Reichen, der bürgerlichen Geldleute, die um Anerkennung und Karrieren rangen, den lächerlichen Konkurrenzkampf aller gegen alle, das Elend der Armen. Karl Marx pries den alten Reaktionär Balzac dafür, dass er „alle Schattierungen des Geizes so gründlich studiert“ habe, bewunderte seine „tiefe Auffassung der realen Verhältnisse“.

Oft grübelten Gesellschaftstheoretikerinnen und Kulturwissenschaftler, was denn das eine, charakteristische Merkmal der Moderne sei. Zentral und neu sei die Introspektion, meint etwa Peter Gay in seiner großen Geschichte der Moderne, also der Psychologismus. In der Ideengeschichte komme das Individuum auf mit seinem Streben nach äußerer und innerer Erfüllung. Selbst der Marxismus (gern mit Kollektivismus verbunden), betonte die Befreiung aller als Voraussetzung für die Befreiung und Emanzipation des Einzelnen, kanonisch geworden in der berühmten Wendung aus dem Manifest, dass „die freie Entwicklung eines Jeden die Bedingung für die freie Entwicklung Aller ist“. Mit Sigmund Freud wird die Psychologie nicht nur zur Wissenschaft, sondern ganz schnell sogar zu einer Mode.

Selbstverständlich, dass der Roman nicht mehr von fantastischen Geschichten lebt, sondern von der möglichst realistischen Beschreibung der psychischen Vorgänge, der inneren Konflikte der Subjekte. Aber das Innere ist nicht reines Inneres. Gustave Flauberts Emma Bovary sehnt sich nach einem interessanten, intensiven Leben und zerbricht an den Hohlköpfen, von denen sie umgeben, und dem niedrigen Leben, in das sie gezwungen ist. Diese Sehnsucht kommt aus ihr selbst, aber zugleich auch nicht nur aus ihr allein, sondern aus der Gesellschaft.

Die „antibourgeoise Ästhetik“ (Dolf Oehler) ist ein wesentliches Charakteristikum der Moderne, der „Bürgerschreck“ eine zur Gewohnheit werdende Figur, die verstörende Irritation ein gängiges Stilelement. „Die Künstler, die Schriftsteller sind Seismographen gesellschaftlicher Veränderungen und Erschütterungen“, sollte später der große österreichische Kommunist Ernst Fischer schreiben, viele Werke „tragen dazu bei, die kapitalistische Welt zu unterminieren.“

Impressionistisches „Flimmern“, Hass auf die Bourgeoisie, neue Begriffe wie „Nerven“, „Décadence“, „Tempo“, „Intensität“, werden prägend – und, natürlich, „Modernité“. Nonkonformismus kommt auf. Vom „Heroismus des modernen Lebens“ schreibt Baudelaire, der erste Dichter, der vom großstädtischen Leben etwas zu sagen hat. „Das Neue“ ist nicht bloß ein Attribut, sondern ein regelrechter Kampfruf. All das versteht sich fast von selbst. Die Eisenbahnen brachten Tempo in die Welt, in den Fabriken griffen Zahnräder und Maschinen ineinander, Städte schwollen an. „Jedes Zeitalter bekommt neue Augen“, bekundete Heinrich Heine.

Die Lyrik lieferte die radikalen Sprachrevolutionen mit Mallarmé, Verlaine und Rimbaud, eine Poesie, die von der Anspielung und Suggestion lebt, von einer neuen Musikalität und Rhythmik der Sprache auch, von Klangzauber, Wortkonstellationen, Vergeistigung. Mit der Fotografie entsteht eine neue Technologie der naturalistischen Darstellung des „Realen“, und sogleich bewegt sich die Malerei vom Figuralen und ihren gewohnten Gegenständen weg.

Man sieht nicht die „Wirklichkeit“, sondern das Bild, das der Maler gesehen hat, als er gemalt hat – was ein kleiner, aber entscheidender Unterschied ist. Nicht der Gegenstand wird gemalt, sondern die Wirkung, die er hervorruft. Langsam entsteht eine Multiplizität der Stile, bis zum großen „Moment des Kubismus“, wie das der legendäre linke Kritiker und Essayist John Berger nannte, die vielleicht schnellste und radikalste Kunstrevolution der bisherigen Geschichte. In gerade einmal sechs Jahren entwickeln Pablo Picasso, Georges Braque und Künstlerfreunde eine neue Sehweise, die radikal mit der perspektivischen, dreidimensionalen Illusion bricht. Der junge Marcel Duchamp führt mit seinem „futuristisch-kubistischen“ Gemälde „Akt, eine Treppe herabsteigend II“ auch noch die Dimension der Zeit und Bewegung ein, für die herrschende Sehweise ein heute kaum mehr nachvollziehbarer Skandal.

All das geschieht in einer Beschleunigungszeit, in der revolutionäre, sozialistische Ideen Massenbewegungen hinter sich sammeln, in der sich die Elektrizität durchsetzt, die Soziologie zu einer Disziplin wird, die Medizin dramatische Fortschritte macht, die Massenmedien entstehen, das Auto, das Flugzeug …

Die bildende Kunst wird zu einer zunehmend „konzeptionellen“ Tätigkeit, in deren Zentrum nicht ein Objekt steht, sondern eine Idee. Kubismus, Suprematismus, Konstruktivismus, Futurismus, an allen Ecken der Welt brechen sich, unabhängig voneinander und zugleich miteinander verbunden, Neuerungen Bahn, die schnell auch die Alltagsästhetik prägen. Die Kunst geometrischer Formen inspiriert eine Ästhetik klarer und nüchterner Linien und zieht über Bauhaus, Frankfurter Küche und Wiener Gemeindebauten in die Lebensreformkonzepte und -praktiken der Sozialisten ein, in die neue Baukultur, ins Design, in den Alltag. Die ästhetischen Innovationen von Architekten wie Peter Behrens, Walter Gropius, Ludwig Mies van der Rohe, Le Corbusier, Frank Lloyd Wright, Margarete Schütte-Lihotzky sind praktischer Ausdruck einer Kunsttradition, die nach und nach sogar Stadtbilder prägt.

Wie überhaupt alles wechselseitig aufeinander einwirkt: In Wien steht Gustav Mahler noch als Hofoperndirektor im Dienste des Kaisers, als er die Musik revolutioniert und für den Sozialistenführer Victor Adler Wahlkampf macht (ein kleiner Skandal damals noch, aber nur mehr ein kleiner). Unter demselben Adler wiederum wird die Sozialdemokratie zur Massenbewegung, er legt den Grundstein zum „revolutionär-reformistischen“ Gedankengebäude des Roten Wien und sitzt dabei buchstäblich unter einem gemeinsamen Ideendach mit Leuten wie Freud, Hofmannsthal, Bahr und Schnitzler.

Die Motive der Kunst sind: Nicht das „falsche Leben“ führen, sondern das „Eigentliche“, was immer das ist. Nicht in Konventionen und nicht im Konventionellen verharren, sondern neue Bildsprachen, Sprachformen, Schreibweisen entwickeln. „Leben“ ist überhaupt ein großes Schlagwort. Der Erste Weltkrieg und die Jahre, die vorangingen und ihm folgten, radikalisieren den Traditionsbruch. Die bildenden Künste wenden sich völlig vom Figuralen ab, Kandinsky, Malewitsch, El Lissitzky treiben auf die Spitze, was die Kubisten begonnen haben. Allesamt Spezialisten des Von-vorn-Anfangens.

James Joyce erzählt Geschichten aus zehn Perspektiven in zehn verschiedenen Sprachen und multiplem Duktus, jeder Satz hat eine zweite Bedeutung, und so wichtig wie das Gesagte sind Rhythmik, Sound, Musikalität. André Gide erzählt aus wechselnden Positionen und erfindet die literarische Figur des rebel without a cause. Egon Schiele entwickelt einen bildnerischen „Existenzialismus“ avant la lettre, voller Figuren in verletzlicher Schönheit, zeittypischer Kränklichkeit und androgyner Erotik.

Kunst kommt plötzlich nicht mehr ohne Interpretation aus, da der „Rätselcharakter“ (Adorno) des Kunstwerks zunimmt.

Marcel Duchamp gibt das Malen auf, weil es ihn langweilt, und macht sich einen Spaß daraus, ein Pissoir um neunzig Grad zu kippen, es Fontaine – also „Springbrunnen“ – zu nennen und mit dem Namen „R. Mutt“ zu signieren. Es ist ein kleiner Kunstskandal, aber Duchamps Pissoir wird doch eines der paradigmatischen Werke der „Interventionskunst“. Denn es stellt sich auf provozierende Weise der Frage, was eigentlich Kunst sei, wenn Regeln und der Kanon des „Könnens“ umgeworfen werden. Ist dann nicht alles Kunst? Duchamp richtet unsere Konzentration „auf die Instabilität unserer Definitionen und Maßstäbe“ (Jasper Johns).
Hat die künstlerische Avantgarde bis dahin die Kunst revolutioniert, indem sie mit neuen Stilen alte Konventionen herausforderte, so wird ab jetzt nicht mehr nur Kritik an den vorangegangenen Kunstrichtungen geübt, „sondern an der Institution Kunst“ selbst, wie das Peter Bürger in seiner Theorie der Avantgarde nennt. Mit Duchamp und später mit Dada wird die radikale Provokation eingeführt. Der Akt brilliert durch Konzept und Intellekt, er verstört vielleicht auch, wie Jahrzehnte später die Happenings der Wiener Aktionisten, handwerkliche Fertigkeit ist nicht unbedingt ein Schaden, aber nicht wesentlich, denn zentral ist die „Idee“. Was sofort mit der Gefahr einhergeht, verkopft zu werden, weil man das Werk begreifen, also diskutieren und erklären und interpretieren muss und im Extremfall davorsteht und sich wie ein Trottel vorkommt, weil man denkt, da müsse doch irgendeine Bedeutung sein, die jeder erkennt, nur man selbst nicht.

Die abstrakte Malerei, die vom Figuralen völlig weggeht, bewegt sich in Richtung „reiner“, „absoluter“ Malerei, in der geometrische Formen und nur mehr Farben miteinander kommunizieren. Kasimir Malewitschs Schwarzes Quadrat (1915) ist eines der definitiven Werke dieser „Kunst und Anti-Kunst“ (Susan Sontag), denn immerhin „das erste gegenstandslose Bild überhaupt“.

Wie immer in der wirklichen Welt diffundieren die „reinen“ Formen in die Alltagsanwendung, die weniger kompromisslos ist, dafür undogmatisch zusammenmixt. Marcel Duchamp sitzt schon in New York. Hier entsteht ein neues Zentrum der Moderne, langsam in den zwanziger Jahren, rasant beschleunigt dann durch Nazi-Diktatur, Krieg, Verheerung in Europa, durch die Vertreibung der Juden und der kritischen Intelligenz. Das ist vor allem eine gegenseitige Befruchtung: Avancierte (Exil-)Künstler aus Europa bringen ihre Stilrevolutionen mit, die in den USA neu zusammengesetzt werden. Greenwich-Village. Der „Abstrakte Expressionismus“, Jackson Pollock, Marc Rothko und wie sie alle hießen, Pop, neue Poesie, Rockmusik, Happenings, Performances, Fluxus, dann der Punk, die multiplen Formensprachen der zeitgenössischen Künste, all das wird ausgebrütet in breeding places, in denen radikale Theorien, subkulturelle Bewegungen und die Künste aufeinander einwirken, und sie bilden gemeinsame Atmosphären, zu denen Hippies, Stadt- und Landkommunen, die sexuelle Revolution, die Frauenbewegung, die antiautoritäre Erziehung, nonkonformistische Lebensstile und vieles mehr beitragen.

Diese enge Verbindung von radikaler Politik und radikaler Politik ist seither nicht gänzlich verschwunden, aber doch lose geworden. Die Politik selbst hat den utopischen Überschuss verloren. Die politische Kunst wiederum hat sich darauf verlegt, die herrschenden Diskurse allenfalls zu stören. Nun sind es selten Parteien die einen Zeitgeist prägen, und er ist auch nicht voluntaristisch veränderbar. Aber zugleich sind Künste und Politik nicht nur dem Zeitgeist ausgesetzt, sie wirken auch auf ihn zurück, wie Atmosphären, die auf Atmosphären einwirken oder Echos, die Echos erzeugen.

Die Geschichte der Moderne zeigt, dass mit den Mitteln der Kunst die gesellschaftlichen Zustände couragiert kritisiert werden, die Kunst dabei aber auch Untersuchungen anstellt, da etwa das literarische Werk manchmal mehr „über die soziale Welt aussagen kann als so manche vorgeblich wissenschaftliche Schrift“ (Pierre Bourdieu). Die Kunst „stört“ und dekonstruiert konventionelle Vorstellungen, Ideologien und die Sprechweisen, in denen diese Ideologien fest drinstecken. Sie entwickelt zweitens Sprach- und Schreibweisen für die Veränderung der Welt. „Permanenter ästhetischer Umsturz – das ist die Aufgabe der Kunst“, postulierte Herbert Marcuse.

 

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