Ayatollah Herbert und sein Comical Michi

Früher war es Politikern  peinlich, wenn sie beim Flunkern erwischt werden. Die rechten Radaubrüder haben noch Spaß daran.

„Dass es Streitigkeiten oder Zerwürfnisse innerhalb der FPÖ gibt, ist nicht der Fall“, sagte FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz vergangene Woche. Er erinnerte damit an den Sprecher von Saddam Hussein, der es vor zwanzig Jahren zu globalem Starruhm brachte, indem er wortreich das exakte Gegenteil der Realität behauptet hat, selbst wenn die Realität für alle schon erkennbar war. Dass es keine amerikanischen Soldaten in Bagdad gäbe, behauptete er noch, als die ihn schon mit einem lockeren Steinwurf ausschalten hätten können. Der Mann wurde als „Comical Ali“ – „der komische Ali“ – weltberühmt. Der „komische Michi“ behauptet nun, es gäbe in der FPÖ keine Streitigkeiten, obwohl in den Tagen davor herausgekommen ist, dass sich die Streithanseln erstens: mit allen Mitteln versucht haben, fies das Bein zu stellen, zweitens: in direktem Zusammenhang damit einer der engsten Vertrauten von Herbert Kickl wie eine heiße Kartoffel fallen gelassen wurde und aus der FPÖ Hals über Kopf „austrat“, sowie, drittens: dann auch noch einen Suizid-Versuch unternommen hatte. Zumindest eines ist sonnenklar: Üblicherweise wird jemand nicht zum überstürzten Austritt aus seiner langjährigen Partei-Heimat gedrängt, wenn es keine „Streitigkeiten oder Zerwürfnisse“ gäbe.

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Für den durchschnittlichen Politikbeobachter mag dabei gar nicht so leicht erkennbar sein, was die Protagonisten trennt: die einen sind extreme Ultrarechte, die anderen auch. Am ehesten kann man die Unterschiede noch so beschreiben: die einen wollen das ultrarechte Parolenschleudern und die Aufganselei im Rahmen des noch irgendwie scheinbar „Vernünftigen“, um nicht die Chance auf Regierungsposten und den Zugang zu prallen Geldtöpfen zu verspielen. Für die anderen gibt es solche Grenzen nicht. Und: Die einen sind in unpolitischer, menschlicher Hinsicht einigermaßen umgängliche Kumpel, die den Unsinn, den sie von sich geben, selbst nicht glauben – während Kickl das alles selbst glaubt und auch sonst eine eher eigentümliche Person zu sein scheint, die sich leicht paranoid von Feinden verfolgt sieht und in einer Bunkermentalität ist.

Ulkig ist, wie das Offenkundige abgestritten wird und alle anderen – die Konkurrenz, die Medien – angeblich schuld seien. Das ist ja die offenkundige Unwahrheit, die noch dazu eben den Nachteil hat, dass sie als Unwahrheit für jeden – aber wirklich jeden! – erkennbar ist. Es wird einfach Unfug geredet. Weniger wegen der Annahme, dass irgendjemand den Unfug glaubt, sondern in der Annahme, dass das Unfugreden das Publikum so verwirrt, dass sich dann niemand mehr auskennt. Das ist insofern faszinierend, als es sicherlich in allen Zeiten üblich war, dass strebsüchtige Machtpolitiker lügen, wenn sie sich davon einen Vorteil bei ihrem Aufstieg erhofften, sie aber doch darauf achteten, dabei möglichst nicht erwischt zu werden, weil es für sie noch peinlich war, wenn sie beim Flunkern aufgeflogen sind. Rechten Radaupolitikern ist aber selbst das egal, wie man am besten bei Donald Trump und seinen Helfershelfern sieht, für die Dinge wie „Ernst“ oder „Wahrhaftigkeit“ einfach gar keine Kategorien mehr sind. Motto: Umso mehr Quatsch du daherredest, und umso unverfrorener du das tust, umso mehr Spaß macht die Sache. Es ist schon eine Eigentümlichkeit unserer Zeit, dass es flunkernden Politikern nicht einmal mehr peinlich ist, erwischt zu werden, ja, dass schon der Ausgangspunkt der Wortmeldung ist: Natürlich ist es Unfug was wir reden, wir wissen auch, dass ihr wisst, dass es Unfug ist, den wir reden, aber wir sagen es trotzdem, denn Wahrhaftigkeit ist für uns nicht einmal mehr im Entferntesten eine Leitplanke.

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