Lage ernst, Politiker unernst

In dieser Situation braucht es Fachkunde und Besonnenheit, keine Parteispielchen.

In der Schweiz vollzog sich vor rund zwei Wochen ein bemerkenswerter Vorgang. Der größte Energieversorger Axpo hatte Finanzprobleme und wandte sich vertraulich an die Regierung. Still und geräuschlos wurde über ein verlängertes Wochenende an einer Lösung gearbeitet, ein Rettungsschirm über etwas mehr als vier Milliarden Euro gespannt. Als die Arbeit erledigt war, haben Regierung und Firma das Paket der Öffentlichkeit präsentiert.

In diesen Tagen haben deutsche Energieversorger Stützungen beantragt, die Regierung in Schweden muss in einer dramatischen Lage ihre Strom- und Energiefirmen absichern. All das wird pragmatisch abgearbeitet, ohne großen politischen Hickhack.

Aber Österreich ist anders. Da wurden die Kalamitäten der Wien Energie sofort in den politischen Strudel hineingezogen. Die ÖVP-Regierung kostete mit Genuss aus, dass einmal ein Wiener Unternehmen in Probleme geriet, hoffte, von ihren Skandalen ablenken zu können. Statt, wie die Schweiz, nüchtern und hinter geschlossenen Türen erst einmal die Lösung auszuarbeiten, wurde noch aus den Sitzungen hinausposaunt, dass die Wien Energie womöglich zahlungsunfähig sei und sich – vielleicht, man weiß ja nicht – verspekuliert hätte.

Heute weiß man, dass sie ganz normalen Geschäfte gemacht haben und allenfalls nicht ganz geschickt mit den Risiken umgegangen sind (nicht einmal das ist sicher).

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Die Probleme der meisten der betroffenen Firmen haben die gleiche Ursache, die mit einer ziemlich irrsinnigen Regel auf den Strommärkten verbunden sind: Wenn du Strom im Voraus zu einem ausverhandelten Preis verkaufst – und auch wenn du diesen Strom ganz sicher liefern kannst – musst du an den Märkten den Wert dieser Lieferung mit den jeweiligen Tages(!)Preisen hinterlegen. Diese Milliarden sind für das Geschäft rein fiktiv, wenn du sie aber nicht hast, hast du dennoch ein riesiges Problem.

Diese ganze Affäre hat aber etwas extrem Beunruhigendes. In einer äußert gefährlichen Lage schrecken die ÖVP-Regierungsleute nicht vor kleinlichster Parteitaktik zurück, nicht einmal, wenn es um ein für das Land wichtiges Unternehmen geht. Gerüchtestreuerei und Halbwahrheiten inklusive. Wenn man der SPÖ eines auswischen kann, dann vergisst man jede Staatsräson. Umgekehrt ist das Vertrauen der SPÖ in die ÖVP auch gleich null. Wenn es blöd läuft, gerät man in eine Spirale hinein, wo jeder auf Revanche sinnt. Und das in einer Zeit, in der es absolut lebensnotwendig ist, dass fachkundig, besonnen und klug regiert wird. Bei uns regiert der Unernst, ziemlich beunruhigend angesichts des Ernstes der Stunde.

Österreich, man muss das so sagen, hat in dieser heikelsten Lage seit langem ein völlig dysfunktionales politisches System, das von mehreren Problemen geprägt ist: Erstens einer ÖVP im Skandalstrudel, mit dem Rücken zur Wand, die auf die Krisenerscheinungen nur mehr reagieren kann. Zweitens völlig verbrannte Erde zwischen ÖVP und SPÖ, was für das Land nicht gut ist, denn es verleitet zu Blödheiten. Drittens populistisch versaute, verdummte Debatten, bei denen es nur das Empörungsschüren geht und der, der komplizierte Lösungen für komplexe Probleme ausarbeitet, wegen irgendeinem irrelevanten Detail durch den Kakao gezogen wird. Viertens: Einen eklatanten Mangel an Sachverstand. Fünftens: Völlige Abwesenheit von Besonnenheit. Und das mit Schielen auf die Wähler – die sich aber natürlich das Gegenteil wünschen würden, nämlich Politiker, die die Lage einigermaßen im Griff haben.

So kommt man durch keine Krise.

Ein Gedanke zu „Lage ernst, Politiker unernst“

  1. DANKE für diese exzellente Analyse der gegenwärtigen innenpolitischen Situation !
    Mit Gehässigkeit und Schadenfreude gegenüber dem politischen Mitbewerber werden wir diese multiple Krise nur schwer bewältigen können.
    Beste Grüße
    Christoph Brenner

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