Der Skandal der Ungleichheit

Es braucht endlich einen entschlossenen Kampf gegen die neue soziale Schieflage.

Die wachsende Ungleichheit bewegt die Menschen, das zeigen immer wieder Umfragen. Dabei ist gar nicht so klar, was sie daran bewegt. Als Begriff ist „wachsende Ungleichheit“ so etwas wie ein anderer Ausdruck für „Ungerechtigkeit“, und die erleben viele Menschen einfach in ihrem Alltag. Dass die Reichen immer reicher werden, während die normalen Menschen oft nicht einmal mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen, das erleben wir aber in unserem Alltag nur beschränkt. Denn wie die Superreichen, Gewitzten und Glücksritter leben, wissen wir nur so ungefähr, und dass ihre Vermögen sehr viel schneller steigen als der allgemeine Wohlstand, das ist eine Tatsache, für die wir kein Erfahrungswissen haben. Wir erhaschen ja selten einen Blick in ihre Traumvillen, aber nie sehen wir die Entwicklung ihrer Kontostände, ihrer Aktien- und sonstigen Vermögensportfolios. Das ist jenseits unseres Wissens, sogar jenseits eines „Gefühlswissens“. Denn selbst wenn wir wüssten, der Herr Mustermann aus dem Kreis der Obersten Zehntausend hat seine Vermögensstände von 120 Millionen auf 140 Millionen Euro erhöht, dann ist das letztlich nur eine abstrakte Zahl. Wir haben keine Ahnung, wie es sich mit 120 Millionen lebt, und die Steigerung auf 140 Millionen lässt uns emotional relativ kalt, da es für uns schon keinen Unterschied mehr macht. Unvorstellbar ist einfach beides.

Für viele Menschen ist nicht einmal die Tatsache der „Ungleichheit“ als solche besonders empörend, da Menschen dann leiden, wenn sie selbst ein schlechtes Leben haben – und ein Leben mit harten Jobs, die schlecht bezahlt sind, und mit einem Haushaltseinkommen, mit dem sich die Rechnungen kaum mehr bezahlen lassen, das ist ein „schlechtes“ Leben. Natürlich kann man auch in einer solchen Lage häufig glücklich sein, aber man weiß, dass einem jedes Drama aus der Bahn wirft. Für Menschen ist es wichtig, dass sie selbst ein gutes Leben führen, nicht so sehr, wie dieses Leben im Vergleich zu anderen Leben aussieht – und schon gar nicht im Vergleich mit den Superreichen, denen man sowieso nie begegnet, wenn man nicht im Yachtklub oder in den Protzrestaurants oder in den Jet-Set-Urlaubsdestinationen verkehrt.

Nur wissen wir eines sehr genau: Seit 15 Jahren geht es für uns alle von Krise zu Krise, von der Finanzkrise über die Corona-Krise bis zu Russland- und Inflationskrise. Und in allen diesen Krisen wird es für die normalen Leute ein weiteres Stück schwieriger, während die Vermögenden ihre Vermögen erhöhen. Die einen verlieren immer, die anderen gewinnen immer.

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Die Folgen werden Schritt für Schritt dramatischer. Die Mieten steigen, selbst für Langzeit-Mieter. Deine Wohnung darfst du aber nie aufgeben, denn beim nächsten Mietvertrag zahlst du Mondpreise. Oft sind bezahlbare Wohnungen gar nicht mehr zu finden. Im manchen Städten können Geringverdiener kaum mehr leben, oder wenn, dann frisst die Miete die Hälfte vom gesamten Haushaltseinkommen auf. Was heißt: Im Doppelverdienerhaushalt arbeitet eine Person allein für die Wohnkosten. Und oft ist selbst das nicht mehr möglich. Man suche nur, beispielsweise, eine bezahlbare Wohnung in Innsbruck. Viel Spaß damit.

Das ist nicht nur ungerecht, sondern hat fatale Folgen für uns alle. In manchen Städten der Welt jammern jetzt schon die Reichen, weil sogar deren Versorgung leidet, wenn sich kein Krankenpfleger, keine Lehrerin, kein Kindergärtner, keine Verkäuferin, kein Lastwagenfahrer mehr eine Wohnung in Stadtnähe leisten kann. Die Ungleichheit ist also nicht nur moralisch empörend, sie zerstört auch Gesellschaften und ist am Ende wirtschaftlich verheerend.

Ein Gedanke zu „Der Skandal der Ungleichheit“

  1. „Für viele Menschen ist nicht einmal die Tatsache der „Ungleichheit“ als solche besonders empörend, da Menschen dann leiden, wenn sie selbst ein schlechtes Leben haben “
    Eigentlich ja ein gutes Zeichen, weil es nicht um Gleichmacherei geht, von der immer die Faschisten aus verschiedenen Richtungen profitieren, sondern um die Würde auch des Geringsten.
    Das Mißtrauen gegen zu viel am oberen Ende könnte tatsächlich was zu tun haben mit Evolution, selbige hat womöglich mehr Leute übrig gelassen, die da skeptisch sind als solche die es nicht sind. Zurecht, in der extremen Ungleichheit liegt auch die extreme Ungleichheit der Verteilung der Macht begründet, und die greift dann aus auf die gesamte Gesellschaft. Lobbyismus, Einflüsse auf die Gesetzgebung, Nebeneinkünfte der Abgeordneten, Geld für Kampagnen , eine Blase nach der anderen, alles Folgen der Akkumulation der Finanzen im oberen Segment.

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