Senkt die Zinsen!

Wegen der Inflation drehen den Zentralbanken wild an der Zinsschraube. Damit verschärfen sie noch das Problem, kritisiert Maurice Höfgen.

Wir alle ächzen unter der Teuerung, beklagen die Inflation. Aber was ist das eigentlich – „Inflation“ – und was hilft dagegen? Diesen Fragen geht Maurice Höfgen in seinem neuen Buch nach. Höfgen, Ökonom, Betriebswirt, Autor, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Bundestags, ist ein bisschen so etwas wie das neue Wunderkind der progressiven Ökonomie. 27 Jahre ist er gerade alt geworden, „Deutschlands spannendster Nachwuchs-Ökonom“ nennt ihn die „Berliner Zeitung“.

Inflation kann viele Ursachen haben. Preisveränderungen gibt es auch in völlig normalen Zeiten. Dann gibt es die klassische Inflation: Wenn die Wirtschaft brummt, die Konsumnachfrage anzieht, wenn die Unternehmen an ihren Kapazitätsgrenzen produzieren, wenn Vollbeschäftigung herrscht und die Beschäftigten kräftige Lohnerhöhungen durchsetzen können. Gerne spricht man dann davon, dass die Wirtschaft „überhitzt“.

„In dieser Situation waren und sind wir nicht“, so Höfgen. Die gegenwärtige Inflation hat hauptsächlich zwei Ursachen: Die Lieferkettenengpässe in Folge der Pandemie. Und dann kam der externe Schock durch Putins Ukraine-Invasion dazu – die bizarr steigenden Energiepreise, die sich durch die gesamte Wirtschaft durchfraßen. Verschärft wurde das durch einige Preisbildungs-Regeln, die normalerweise kein Problem sind, aber in dieser Ausnahmesituation katastrophale Wirkungen hatten, wie etwa das Merit-Order-Prinzip, das dazu führte, dass die Strompreise den Gaspreisen folgten, oder auch die Regel, dass die Mieten einfach fixiert mit der Inflationsrate mitsteigen.

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Letztere Form der Inflation bekommt man am ehesten in den Griff, wenn man den Preisauftrieb selbst bremst, durch Preisdeckel, oder indem man die Regeln der Preisbildung selbst verändert. Doch sehr häufig ist zu hören, dass die Regierung nichts tun könne, Eingriffe in die Märkte ein Übel seien und dass der Kampf gegen die Inflation Sache der Zentralbanken sei. Auch Österreichs Finanzminister sagt das oft und gerne.

Aber gegen Preisschocks und „importierte Inflation“ hilft der berühmte „Zinshammer“ der Zentralbanken wenig. Bei klassischer Inflation bedeuten höhere Zinsen ein Abwürgen der Konjunktur, die Nachfrage sinkt, es wird weniger investiert, es steigt die Arbeitslosigkeit – und damit sinken dann auch die Preise.

Höfgen kritisiert die Zinspolitik der Zentralbanken scharf. Sie ist reine Symbolpolitik, die signalisieren solle, dass „irgendwas“ getan wird. Sie führt nur zu noch mehr Verarmung, ohne irgendwelche nützlichen Folgen zu zeitigen. Klar, schreibt Höfgen, eine Pleitewelle bei kleinen Läden würde vielleicht gewisse Effekte haben, weil dann dort „immerhin kein Wasser, kein Strom und keine sonstige Energie verbraucht wird“. Und weil die Arbeitslosen vielleicht noch weniger heizen würden. Aber der Nutzen wäre gering.

Die Zinserhöhungen haben sogar negative Wirkung: Sie verteuern Investitionen in Windkraft, Solarenergie, thermische Sanierung usw. Sie erschweren den Ausstieg aus teurer fossiler Energie und den Umstieg in billigere nachhaltige Energie. Höfgen: „Gegen den Energiepreisschock würde es sogar helfen, wenn der Staat mehr Geld ausgäbe“ – etwa, um wie verrückt in Energieeffizienz und neue Technologien zu investieren. Aber wenn Investitionen verteuert werden, wird von der Errichtung von Windparks bis zur thermischen Sanierung alles teurer, was es gerade jetzt bräuchte. Bei importierter Inflation haben Zinserhöhungen wenig Wirkung, das wissen auch die Zentralbanker, weshalb sie mit dem „psychologischen Effekt“ der Zinserhöhungen argumentieren. Soll heißen: Weil die Leute den Eindruck haben, dass die Zentralbanken handeln, haben sie die Erwartung einer sinkenden Inflation. Und das hätte auch eine Wirkung, so die Hoffnung. Ein bisschen ist das Voodoo.

Wenn die Regierungen jetzt auch noch Sparbudgets auflegen, wird es richtig düster. Schon ist Deutschland in einer Rezession. Das hat Auswirkungen auf die gesamte Eurozone. Die Bauwirtschaft erlebt einen Schock und leere Auftragsbücher. Wenn die Inflation mit den falschen Maßnahmen bekämpft wird, bekommt man zum Preisauftrieb auch noch eine ausgewachsene Wirtschaftskrise dazu.

Maurice Höfgen: Teuer. Die Wahrheit über Inflation, ihre Profiteure und das Versagen der Politik. DTV-Verlag, München 2023. 240 Seiten, 21,50.- Euro.

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