Wilder Richtungsstreit in der FPÖ

Das faschistische Vorfeld treibt mittlerweile die FPÖ-Führung vor sich her.

Zackzack, August 2023

Antifaschismus ist keine „Meinung“ unter mehreren Möglichen, sondern der Gründungskonsens dieser Republik nach 1945. Alle, die sich nicht als Antifaschisten verstehen, sind insofern Staatsfeinde. Wer kein Antifaschist ist, will einen anderen Staat, nämlich den Bruch mit der demokratischen Identität der Zweiten Republik.

Vergangenes Wochenende fand in Wien wieder einmal eine Demonstration der rechtsextremen Identitären statt. An sich muss einem das mickrige Häufchen nicht sonderlich interessieren. Dass der Aufmarsch ausgerechnet bei Alfred Hrdlickas Denkmal gegen Krieg und Faschismus seinen Ausgang nehmen durfte, war ein kleiner Skandal am Rande.

Forderung nach ethnischen Säuberungen

Es wurde ganz offen für ethnische Säuberungen demonstriert („Remigration“), denn nichts anderes ist die ersehnte Ausweisung weiter Bevölkerungsteile, und gleich wurde davon phantasiert, dass es dann für die ethnisch „Einheimischen“ größere Wohnungen gäbe.

Früher hieß das „Arisierungen“.

All das fand unter der Terrorideologie vom „Großen Austausch“ statt. Diese Wahnidee, dass „wir“, die Einheimischen, gezielt durch Zuwanderer ausgetauscht, dezimiert und quasi demographisch ausgerottet werden sollen, hat ja praktisch alle rechtsextremen Massenmorde des vergangenen Jahrzehnts motiviert, vom Killer Breivik, über die Massenmorde in Hanau und Halle, vom Blutrausch des Münchner Amokläufers David Sonboly bis zum Christchurch-Attentäter. Letzterer war von den Identitären so angefixt, dass er für sie sogar Geld spendete. Der Massenmörder von El Paso – in der texanischen Stadt wurden in einem Einkaufszentrum 20 Menschen erschossen – berief sich ebenfalls auf die Wahnideen vom „Bevölkerungsaustausch“. Und jener Ex-FPÖ-Funktionär, der einen Anschlag auf das Volksstimmefest geplant hatte, war Berichten zufolge auch Identitären-Bewunderer.

Die Paranoia vom „Großen Austausch“ – dass wir Weiße quasi ausgerottet werden sollen – ist wie geschaffen für gewaltsame, terroristische Irre. Denn es mordet sich leichter, wenn man es in seinem Gehirn als Selbstverteidigung rechtfertigen kann. Selbst Gewaltverbrecher müssen ihre zivilisatorischen Schranken erst einmal soweit absenken, dass sie andere umbringen können. In der Geschichte wurden die meisten Genozide angerichtet, weil jemand glaubte, er müsse sich wehren. Propaganda redet den Menschen selten ein, dass sie so stark seien, und deshalb das Recht haben, andere umzubringen. Viel effektiver ist es, ihnen einzureden, sie seien bedroht, und wenn sie sich nicht gewalttätig wehren, dann würde es für sie übel ausgehen.

Deswegen sind auch Verschwörungstheorien in diesen Kreisen so beliebt. Man imaginiert, dass jeder Zuwanderer, der hinter der Supermarktkassa sitzt, mit irgendwelchen globalen Mächtigen unter einer Decke steckt und Teil einer großen Bedrohung ist.

Heftiger Führungsstreit in der FPÖ

Bei der Demonstration für ethnische Säuberungen waren nicht nur Rechtsextremisten aus ganz Europa dabei, sondern auch Spitzenfunktionäre der FPÖ. Der stellvertretende Chef der Parteijugend und Obmann der FP-Jugend in Oberösterreich hat sogar eine Rede gehalten. Aber nicht nur die personellen Überschneidungen von FPÖ und Identitären werden immer augenfälliger.

Gerade gibt es einen wilden Führungsstreit in der FPÖ, weil sich die ultrarechte Führungsgruppe um Herbert Kickl, Christian Hafenecker, Michael Schnedlitz und Co. nicht mehr von den Identitären distanzieren möchte. Zugleich setzt es vom radikalen Fußvolk immer wildere Angriffe auf die oberösterreichische Landesgruppe, weil die in den Augen der Radikalen quasi zu „antifaschistisch“ sei. Gewissermaßen eine Antifa in der FPÖ.

Ja, lachen Sie nicht!

Skurril ist das natürlich, da die Schwarz-Blaue-Koalition in Oberösterreich unter Thomas Stelzer und Manfred Haimbuchner das Bundesland zu einem Paradies für Schwurbler, Radikale, Identitäre und Neonazis gemacht hat, die das Gefühl haben, sie können ungehindert tun, was sie wollen. Das Städtchen Steyr wird gewohnheitsmäßig durch Aufmärsche von Rechten terrorisiert, die von überallher anreisen. Erst unlängst ist ein Corona-Wirrkopf aufgeflogen, der seit einem Jahr nicht bei seinem Prozess auftauchte. Bei einer Autokontrolle hatte er seine tote Ehefrau im Kofferraum, drei Kinder saßen auf der Rückbank. Besonders viel Engagement, ihn zu finden, hat man im vergangenen Jahr offenbar nicht gezeigt. Auch die, die die Ärztin Lisa-Maria Kellermayr in den Tod hetzten, laufen noch immer frei herum. Dass ihr die örtliche Polizei zu Lebzeiten nicht beistand, ist vielleicht auch kein Zufall, sondern hat mit der Atmosphäre eines Landes mit ultrarechter Regierung zu tun. In den letzten Wochen sind aber zu viele Rechtsextreme hochgegangen, zuletzt eine rechte Rockergang, die ein Waffenarsenal angelegt hat, das für eine Privatarmee reichen würde. Dadurch sah sich sogar Landeshauptmann Stelzer gezwungen, zumindest so zu tun, als würde er etwas unternehmen. Es wurde ein Aktionsplan gegen Extremismus verkündet. Die Haimbuchner-FPÖ hat das nicht verhindert.

Mehr hat sie in ihrer Partei nicht gebraucht.

Die Chefin der FP-Studentenorganisation, eine Landtagsabgeordnete in Tirol, wettert über diesen Verrat am „patriotischen Vorfeld“, dieser sei „ein Fehler“, den es „nun gilt, wieder gutzumachen“. Generalsekretär Hafenecker fordert eine „riesengroße Entschuldigung“. Haimbuchner ist bei der ultrarechten Extremfraktion unten durch, der wiederum schießt zurück: Dass die „Irregeleiteten“ wenig Freude mit ihm haben, „ist für mich durchaus beruhigend“, erklärte er in der „Kronen Zeitung“.

Stellt sich die Frage, warum die Schlagzeilen nicht längst vom wilden Streit in der FPÖ beherrscht werden. Wir erinnern uns noch gut, wie jede Kleinigkeit in der SPÖ zum innerparteilichen Hauen und Stechen aufgeblasen wurde.

Immer radikaler

Aber was man auch sieht: Die Spitzenfunktionäre der FPÖ stehen mittlerweile völlig ungeniert auf Seiten der faschistischen Subkultur, und mobben sogar ihre eigenen Vize-Landeshauptleute, wenn die in ihren Augen nicht extrem genug sind.

Früher haben sich FPÖ-Anführer noch gezwungen gesehen, sich von den ärgsten Irren gelegentlich zu distanzieren. Mittlerweile haben die Radikalinskis die Partei völlig übernommen. Das extremistische Vorfeld, dass sich die FPÖ durch stetige Aufganselei geschaffen, gehätschelt und hochgezüchtet hat, treibt jetzt die Partei vor sich her. Generalsekretär Hafenecker machte sich zuletzt öffentlich völlig ungehemmt zum Fürsprecher der „patriotischen Demo für Remigration und gegen den fortgesetzten Bevölkerungsaustausch“, benützt also selbst die Rhetorik, die bei Rechtsterroristen so beliebt ist.

Offensichtlich haben Kickl und Co. vor den Durchgeknallten auf Telegram so viel Angst, dass sie vor ihnen auf die Knie fallen.

Bei jeder Regierungsbeteiligung der FPÖ sitzen die Identitären quasi mit am Regierungstisch.

Und, übrigens, nur damit wir das nicht vergessen: Es ist die ÖVP, die in diesem Frühjahr in Niederösterreich und Salzburg die FPÖ in Regierungsämter gehievt hat.

Johanna Mikl-Leitner hält das für „normal“.

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