Ein mutmaßliches russisches Agentennetz, ein Milliardenpleitier, gesteuerte Angriffe gegen Österreichs Sicherheit – und mittendrin mal wieder die FPÖ.
Österreich hat ja eher Pech mit seinen großen Wirtschaftstycoons. René Benko kommt nach seiner Jahrhundertpleite nicht mehr so richtig gut als „Mover und Shaker“ rüber, und der Glanz der Wirecard-Konzernchefs Markus Braun und Jan Marsalek ist auch gehörig verblasst. Ersterer sitzt im Gefängnis und muss sich seit Monaten vor Gericht verantworten, letzterer hat sich aus dem Staub gemacht und versteckt sich wahrscheinlich irgendwo in Wladimir Putins Machtbereich, in Moskau oder sonstwo.
Recherchen einer internationalen Medienkooperation haben jetzt ergeben, dass Marsalek wohl schon seit ungefähr 2014 ein russischer Agent war. Für die Welt der Geheimdienste hat er sich immer schon interessiert, sich auch ein wenig wie ein James Bond gesehen. Das Interesse der russischen Geheimdienstler hat ihm sicherlich geschmeichelt, für die Russen wiederum war ein Vorstandsmitglied in einem internationalen Zahlungsdienstleistungskonzern natürlich mehrfach interessant. Nach seiner Flucht wurde Marsalek offenbar sehr schnell mit neuen russischen Papieren versorgt. Es gibt sogar den Verdacht, dass er heute eine Agentenzelle führt, die auch Anschläge gegen Regimegegner plant. Es ist eine ziemlich atemberaubende Agentengeschichte.
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Viel spricht dafür, dass Marsalek schon in den Jahren seines Doppellebens als Agent eine prorussische Zelle aufgebaut hat oder aufbauen wollte. Er hatte gute Kontakte in Teile des BVT, des einstigen Verfassungsschutzes. Interessant dabei ist, dass hier immer zwei Namen von (Ex-)Verfassungsschützern fallen, die auch für jene Konvolute verantwortlich sein sollen, die FPÖ-Chef Herbert Kickl, damals als Innenminister, für die legendäre Razzia beim BVT genutzt hat. Der seinerzeitige BVT-Chef Peter Gridling hat darüber mittlerweile ein Buch geschrieben mit dem Titel „Angriff“, in dem er die Attacke auf den Verfassungsschutz „einen Überfall“ nennt. Fakt ist, dass die beiden mit Marsalek kungelten. Dass er aber ein russischer Agent gewesen sei, davon hätten sie keine Ahnung gehabt, sagt jetzt einer der beiden. Der andere sagt nichts – er sitzt in Dubai und kommt auch zu keinen Gerichtsterminen nach Österreich zurück. Ein ehemaliger FPÖ-Abgeordneter hat Marsalek sogar den Privatjet für dessen Flucht nach Minsk organisiert. Er saß einige Tage in Untersuchungshaft. Da es zum Flucht-Zeitpunkt aber noch keinen Haftbefehl für Marsalek gab, habe er nicht gewusst, dass er faktisch als Fluchthelfer agiere, beteuerte der ehemalige Abgeordnete. Vergessen soll auch nicht werden, dass die FPÖ selbst engste Kontakte nach Moskau pflegte. Die Partei hatte schließlich sogar einen Freundschaftsvertrag mit der Putin-Partei geschlossen. Und täglich kommen neue Enthüllungen heraus.
Sagen wir so: Es sind schon verdammt viele Zufälle. Haben Marsalek und die russischen Geheimdienste die FPÖ infiltriert, sodass die zum Werkzeug der Russen wurde, ohne etwas selbst davon zu bemerken? Auch das ist keineswegs unmöglich. Es ist nicht einmal unmöglich, dass die beiden BVT-Leute, die mit Marsalek dauernd die Köpfe zusammen steckten, die sogar Computerabfragen über den Aufenthaltsort russischer Dissidenten machten, nicht bewusst den Job der Russen machten. Vielleicht hofften sie ja nur auf gute Geschäftsbeziehungen mit dem scheinbar so gut vernetzten Milliardenjongleur Marsalek. Wer würde nicht mit der Aussicht von ein paar Krümel vom Tisch eines Superreichen angezogen?
Aber wie gesagt: Das sind alles ein paar „Zufälle“ zuviel, als dass man das einfach mit einem Achselzucken abtun könnte.