Wo ist das Geld?

Starökonom Robert J. Shiller und Aktionskünstler Georg Zoche untersuchen die Mechanik von Boom und Finanzkrach. Falter, Buchbeilage, Oktober 2009 

Wo kam all das Geld her? Und wo ist es jetzt hin? Hat mein Geld jetzt ein anderer? Drei ziemlich simple Fragen, aber doch auch ziemlich komplizierte Fragen in Hinblick auf die gegenwärtige Finanzkrise. Denn Geld ist etwas Mysteriöses. Zunächst kann Geld aus dem Nichts entstehen. Und zwar durch Kredit. Und das geht so: Sparer tragen Geld auf die Bank. Die Bank vergibt das Geld als Kredit. Aber für jeden Euro, den ein Sparer einzahlt, vergibt sie zehn, zwanzig Euro an Kredit. Aber damit ist das Spiel der Geldschöpfung nicht zu Ende. Der Kreditnehmer gibt das Geld aus, andere nehmen es ein. Einen Teil dieser Einnahmen tragen sie zur Bank, die vergibt sie wieder mehrfach als Kredit. Im Boom dehnt sich das Kreditvolumen aus, in der Hausse schrumpft es zusammen. So „entsteht“ und „verschwindet“ Geld. Das Geld, das ich verliere, muss also nicht notwendigerweise bei einem anderen landen.

 

Aber das ist nicht das Ende vom Lied, und darauf weist der deutsche Aktionskünstler, Philosoph und Aktivist Georg Zoche in seinem schmalen Büchlein „Welt Macht Geld“ hin: Zwar verlieren die Investoren Geld und auch diejenigen, denen sie ihr Geld anvertraut haben – die „Schuldner“ – können Bankrott gehen. Aber es gibt immer Leute, die davon profitieren: die Häuser, die in einer Immobilienblase gebaut werden, gibt es ja wirklich, und Baumeister, Installateure, Immobilienhändler und Banker haben gut verdient. Sie sind die Gewinner der Blase. „Blasen vernichten kein Geld, sie schichten es lediglich im großen Stil um“, behauptet Zoche. Das ist nicht ganz richtig, aber auch nicht ganz falsch.

 

Blasen können also ein lukratives Geschäft sein und in einer globalen Ökonomie können ganze Volkswirtschaften zu den „Gewinnern“ zählen. Und genau darauf weist Zoche hin. Die USA haben seit Jahren „über ihre Verhältnisse“ gelebt, das heißt: Sie haben auf Pump eingekauft. Dollars sind nach China, nach Europa, in den Nahen Osten geflossen, wurden dort aber natürlich nicht in Tresoren gestapelt. Sie wanderten in die USA zurück – als Investitionen in US-Schatzbriefe oder Immobilientitel. In den USA wurde mit dem Geld ein Immobilienboom aufgeblasen. Jetzt sind die Investitionen entwertet, aber die Häuser stehen immer noch. In den USA wuchs der Reichtum, aber das Risiko wurde exportiert, und es haben andere nun zu tragen. In die Konstruktion des Dollar als Weltleitwährung sind solche Missverhältnisse quasi eingeschrieben. Zoche ist kein Ökonom, aber er argumentiert sauber. Nur: Er insinuiert auch ein wenig. Aus der Sicht der US-Notenbank Fed, die diesen Kreislauf mit ihren niedrigen Zinsen anheizte, habe es keinen Anlass zur Sorge gegeben, schreibt er: „Der Nutzen des Immobilienbooms diente den USA, dessen Risiko trugen ‚andere Investoren'“. Letztendlich, so glaubt Zoche, habe die Fed genau gewusst, was sie tut, und auch genau gewusst, wie das endet, also naive Anleger aus aller Welt betrogen. Und damit schrammt er hart an einer Verschwörungstheorie vorbei. Ganz abgesehen davon, dass er nicht dazu sagt, dass auch die Anderen einen Nutzen hatten: Die Güter, die die USA auf Pump kauften, trieben ja in Europa, in China die Konjunktur an. Die Güter sind jetzt zwar in den USA, aber der Kapitalstock, den die Firmen aufbauten, die Maschinen, das Hightech, das Know How, die sind in Europa und China geblieben. Also, so simpel und einseitig ist „Gewinn“ und „Verlust“ nicht verteilt, wie Zoche unterstellt.  

 

Robert J. Shiller ist ein ganz andere Typus als Zoche. Schiller ist jener Ökonom an der Yale University, der das Platzen der Immobilienblase und deren Folgen ziemlich exakt prognostiziert hat und seither als Star der zeitgenössischen Wirtschaftswissenschaftler gilt. Sein Buch „Die Subprime-Lösung“ ist eine kluge, verständliche Einführung in die Mechanik von Boom und Zusammenbruch. Im ersten Teil des Buches beschreibt er die „soziale Ansteckung“ die von dem Glauben ausgeht, es würde immer weiter bergauf gehen, wenn es mal eine Zeitlang bergauf gegangen ist, „Rückkopplungsschleifen“ von Preisanstieg, Winner-Storys, hysterischem Optimismus befeuern die Blase. Plötzlich machten auch normale Leute mit bei der Jagd nach dem schnellen Geld. Man beginnt die Welt mit seltsamen Augen zu sehen: Preisanstieg von Immobilien wird als „Reichtumsgewinn“ angesehen, obwohl hohe Hauspreise und hohe Mieten die meisten Menschen ja eigentlich ärmer machen und man umgekehrt doch eher sagen müsste, wenn „die Immobilienpreise im Verhältnis zu unserem Einkommen sinken, werden wir wohlhabender.“ Shiller: „Langfristig gesehen ist es eindeutig eine gute Sache, wenn die Immobilienpreise absacken.“

 

Im zweiten Teil seines knappen, klugen Buches stellt Shiller die Frage, ob die Finanzprodukte, die Banken und Versicherungen anbieten, simpler werden müssen. Dafür spricht ja einiges: Toxische „Wert“-Papiere wurden ja auch deshalb in hoher Zahl über die gesamte Welt verkauft, weil niemand mehr wusste, was sich in den raffinierten Verbriefungs-Papieren versteckte. Shiller ist gegen Simple-is-beautyful: Er will nicht zurück zum alten Sparen-Verleihen-Bankgeschäft. Raffinierte Finanzprodukte können komplizierte Risiken absichern und zu Wohlstandsmehrung beitragen. Sie müssen nur so konstruiert sein, dass sie nicht zu tickenden Zeitbomben werden. Das ist möglich, so Shiller. Durch besseres Risikomanagement, durch bessere Regulierung, oder, simpel gesagt: Indem man etwas lernt aus dem Desaster.

 

Georg Zoche: Welt Macht Geld. Blumenbar-Verlag, 2009. 77 Seiten, 16,40.- Euro

 

Robert J. Shiller: Die Subprime-Lösung. Wie wir in die Finanzkrise hineingeraten sind – und was wir jetzt tun sollten. Börsenbuch-Verlag, 2009, 177 Seiten, 20,50.- Euro

Ein Gedanke zu „Wo ist das Geld?“

  1. Vielen Dank für die Besprechung!
    Dass die Fed schon früh wusste, mit den niedrigen Zinsen eine Immobilienblase zu nähren ist jedoch nicht von mir nur vermutet oder gar im Sinne einer Verschwörungstheorie unterstellt, sondern in den Gesprächsprotokollen der Fed nachzulesen und in meinem Text entsprechend belegt.
    So warnt Alan Greenspan bereits im April 2002 vor einer Immobilienblase:

    The ongoing strength in the housing market has raised concerns about the possible emergence of a bubble in home prices.

    Derartige Hinweise finden sich in den Protokollen mehrfach. Bei der Besprechung des 6. November 2002 sagt Greenspan z.B.:

    In any event, it’s hard to escape the conclusion that at some point our extraordinary housing boom and its carryover into very large extractions of equity, financed by very large increases in mortgage debt, cannot continue indefinitely into the future.

    Ebenso hat die Fed gewusst, dass das Risiko auf andere Investoren übertragen werden konnte (29. Juni 2005):

    Meeting participants noted that the rise in house prices had been accompanied by a modest shift toward potentially riskier types of mortgages, including adjustable-rate and interest-only loans, which could pose challenges to both lenders and borrowers. Nonetheless, financial institutions generally remained in a comfortable capital position, such loans had performed well thus far, much of the associated risk had been transferred to other investors through securitization […]

    Aus den Protokollen der Fed geht also eindeutig hervor, dass man das Risiko einer Immobilienblase schon sehr früh erkannt hatte, aber die Zinsen aufgrund des Irakkriegs nicht anheben konnte oder wollte. Auf meiner Homepage findet sich eine grafische Darstellung ebenso wie die betreffenden Auszüge aus den Protokollen bzw. Anhörungen:
    GRAFIK: http://weltmachtgeld.com/Krieg_und_Krise.html
    PROTOKOLLE: http://weltmachtgeld.com/wiki/index.php5?title=FOMC-Protokolle
    Dass die US-Wirtschaft die Immobilienblase nutzte, um eine Rezession nach dem 11. September zu verhindern, hat Greenspan in seiner Autobiografie festgehalten:

    Nach dem 11. September war die Wirtschaft geschwächt; es waren die Ausgaben der Konsumenten, die der Wirtschaft aus dieser Schwächephase heraushalfen. Und diese Konsumausgaben wiederum wurden von der Entwicklung am Immobilienmarkt getrieben: die stürzenden Hypothekenzinsen hatten den privaten Immobilienmarkt in vielen Teilen der USA belebt, wodurch die Werte der Häuser gewaltig stiegen. Die Häuserpreise stiegen in den Jahren 2000, 2001 und 2002 um jeweils 7,5 Prozent pro Jahr und damit doppelt so schnell wie nur wenige Jahre zuvor. Dabei wurden nicht nur historisch viele Häuser neu gebaut, sonder auch historisch viele bereits gebaute Häuser weiterverkauft. Dieser Boom führte zu einem großartigen Stimmungsschub: selbst wenn man sein Haus nicht verkaufte, konnte man sehen, wie die Häuser in der Nachbarschaft erstaunliche Preise erzielten – was bedeutete, dass auch das eigene Haus im Wert gestiegen war.

    Natürlich hat der Immobilienboom in den USA auch Arbeitsplätze in Europa und China geschaffen und dort entsprechend zum Wirtschaftswachstum beigetragen. Allerdings hätten Europa oder China mit den in dieser Blase verlorenen Milliarden diese Arbeitsplätze auch schaffen können, ohne hierfür Autos und T-Shirts in die USA zu liefern. Unter dem Strich bleibt, dass die USA aus aller Welt Waren bezogen haben für die sie keine entsprechende Warenmenge in entgegengesetzter Richtung geliefert haben.
    Mit besten Grüßen,
    Georg Zoche
    P.S.: das Buch erscheint am 9. November, 352 Seiten, gebunden, Euro 19,90. Wiki und Neuigkeiten rund ums Buch unter http://www.weltmachtgeld.de

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