Affekte im Büro, Partnersuche im Internet, Liebeskonsum: Die israelische Soziologin Eva Illouz erforscht die Gefühlswelt des Kapitalismus.
Er macht, schreibt die israelische Soziologin Eva Illouz, „die Emotionen instrumenteller“, aber eben auch „das Ökonomische selbst emotionaler“.
„Gefühle in Zeiten des Kapitalismus“, heißt der Suhrkamp-Band, der auf Illouz’ Adorno-Vorlesungen aus dem Jahr 2004 beruht. Qualifiziert, wenn man das so nennen darf, hat sich Illouz für die reputierliche Frankfurter Vortragsreihe durch ihre vielgerühmte Studie „Der Konsum der Romantik“, mit der die Jerusalemer Dozentin vor drei Jahren einen veritablen Hit gelandet hat.
Darin hat sie material- und bildreich gezeigt, dass die modernen Ideen von Liebe, Hingabe, Romantik keineswegs „das Andere“ einer Ökonomie sind, die man in der Regel als berechnend, auf den Vorteil orientiert heißt – sie sind selbst vielmehr ein Produkt dieser Ökonomie. Kaum ein Werbefilm, der nicht mit Vorstellungen von Romantik kokettierte, kein romantischer Moment, der nicht nach Werbung riecht. Keine Romanze, die nicht auch eine Konsumtion wäre: beim Rendezvous im schönen Restaurant, beim Kinobesuch, bei der Reise zu zweit, beim Knutschen zur rechten musikalischen Untermalung. „Der Kapitalismus ist unerbittlich in die privatesten Nischen unseres zwischenmenschlichen und emotionalen Lebens eingedrungen“, formuliert Illouz – es sind Waren, die unsere Erfahrungen produzieren. Im Konsumkapitalismus bekommt die berühmte Wendung La Rochefoucaulds, wonach viele Menschen sich niemals verlieben würden, wenn sie nicht davon gehört hätten, eine eigentümliche Wahrheit.
Aber wenngleich die romantischen Praktiken von einer konsumorientierten Mentalität durchdrungen seien, so analysierte Illouz die Chose doch nicht im kulturkritischen Moll. Im Gegenteil: Bei aller kritischen Durchsicht der „politischen Ökonomie der Liebesbeziehung“ sind die Romantikwaren doch nützlich. Die Waren, so Illouz überraschende Pointe, stehen der „wahren Liebe“ nicht im Wege, sie ermöglichen sie erst.
In ihren Frankfurter Vorlesungen spinnt Illouz den Faden in mehrere Richtungen weiter. So fragt sie, welche Folgen die Machtübernahme des Kommunikativen am Feld des Ökonomischen für den „emotionalen Stil“ unseres Zeitalters hat; weiters widmet sie sich dem therapeutischen Jargon; zudem der grassierenden Partnersuche im Internet.
Der kommunikative Turn in der Unternehmensführung hat die Wirschafts- wie die Gefühlwelt revolutioniert. Es zog die Psychologie ins Unternehmen ein. Dass Affekte wesentlich über ökonomischen Erfolg entscheiden, wurde allgemein anerkannt. Dies kann leicht sektenhafte Züge annehmen, etwa, wenn eine Firma ein „Gemeinschaftsgefühl“ herstellen will – in aller Regel aber hat die Emotionalisierung der Unternehmenskulturen für die Arbeitnehmer mehr Vorteile als Nachteile. Ein Geist der Kooperation zieht ein. Managementratgeber lesen sich, so Illouz, „wie Handbücher der Semiotik“, damit die Manager „Zeichen und Signale“ ihrer Vis-a-Vis zu deuten vermögen. „Um ein guter Kommunikator zu sein, muss man das Verhalten und die Emotionen der anderen interpretieren können.“ Man hält die Kommunikation hoch, um strategische Ziele zu erreichen, aber sie lassen sich nur realisieren, wenn man den Anderen anerkennt. Es zieht ein geradezu therapeutischer Ton in die Firmen ein, meint Illouz, die „kulturellen Diskurse der Therapie“ und „der ökonomischen Produktivität“ haben sich „vermischt“.
Und wenn die Warenproduktion das Therapeutische adoptiert, dann führt das natürlich unweigerlich dazu, dass das Therapeutische selbst zur Ware wird, die die Menschen zugleich als Konsumenten wie auch als Kranke konstituiert. Denn irgendeine Macke hat jeder, und von der leben Berufstherapeuten, Fernsehtalkshows, Verlagsindustrie, Berater, „ganze Berufskohorten“.
Jeder bringt heute die Bereitschaft mit, auf sich den therapeutischen Blick zu werfen. Bewusste Selbstbearbeitung und Selbstdarstellung gehört heute in vielen Milieus zum guten Ton. Und in den Partnerbörsen des Internet erreichen sie eine neue Qualität. Der „Konsum der Romantik“ wird hier buchstäblich. Der Erlebnishunger wächst. Man kann zwischen Tausenden potentiellen Partnern für ein Treffen wählen. Um die Aufmerksamkeitsschwelle zu überschreiten, muss ich mich anpreisen. Illouz: „Der Prozess der Selbstbeschreibung bedient sich kultureller Skripte der wünschenswerten Persönlichkeit“ – wer eine Chance haben will, nennt sich „lebenslustig“, „aufgeschlossen“, „unbekümmert“, „humorvoll“.
Spätestens damit freilich ist die Konsumwelt des Romantischen vom Shopping nur mehr schwer zu unterscheiden.
Eva Illouz: Gefühle in Zeiten des Kapitalismus. Frankfurt/M. 2006, 170 Seiten, 14,80.- €