Sieg im Bilderkrieg

Die G-8-Kolumne aus der taz, 8. Juni 2007

Da am Zaun von Heiligendamm weder die Weltrevolution gewonnen noch der Neoliberalismus final besiegt, ja noch nicht einmal die Tobinsteuer herbeidemonstriert werden kann, geht es darum, wer im Kampf der Bilder gewinnt.

 

 

Der Bilderkrieg mitsamt dem dazugehörigen Spindoctorship ist das, worum sich heute zwar nicht alles, aber sehr viel dreht im Hegemoniekampf der Ideen.

Dieser Bilderkrieg ist, wenn es sich nicht mehr dramatisch wendet, seit Mittwoch Nachmittag entschieden. So schnell können Stimmungen kippen: Tagelang war vom autonomen Gewaltexzess die Rede, mit dem fulminanten Erfolg der Block-8-Aktionen ist alles anders geworden. Welch wunderbare Bilder produzierte die Bewegung! Junge, fröhliche, trickreiche Leute in Kornfeld und Heidelandschaft, die sich nicht verscheuchen ließen, aber ebenso entschlossen waren, die Grenzen zu wahren. Und dazu der  symbolische Triumph: Der Landweg zum Gipfel abgeschnitten; der Gipfeltross, der von der Marine am Seeweg in die Heiligendammer Hochsicherheitszone gebracht werden muss. Zuletzt hat das in Seattle so gut geklappt. Ein Chapeau denen, die das orchestriert haben.

Da kann man sich auch wegzerren lassen, zumal wenn die Wegzerrer Bilder produzieren, wie die groben, roh zupackenden Einsatzpolizisten in ihren Kampfmaschinenoutfits. Man fragt sich, warum die eigentlich so dumm sind. Ein bisschen Medienbewusstsein kann man doch heute bei jedem Kleingärtner voraussetzen, aber offenbar nicht bei Polizeieinsatzleitern, die sichtlich keinen Gedanken daran verschwenden, welche Figur ihre Leute in den Abendnachrichten machen. Na, meine Sorge soll es nicht sein.

Dazu als Krönung: 1000 Verletzte, rund 500 verletzte Polizisten, davon 20 Schwerverletzte, hieß es nach Rostock. Jetzt wissen wir: Die zählen jede Bänderdehnung als schwere Verletzung. Wer sich da fragt, was eine leichte Verletzung ist: Augenreizung. Das fällt dann aber eher unter Selbstverstümmelung beim Tränengasverschießen.

Nach diesem überzogenen Spindoctorship von „hunderten Verletzten“ glaubt denen künftig keiner mehr etwas. Nicht einmal gutgläubige Leute wie ich, die eigentlich vorausgesetzt haben, dass man die Regeln moderner Kommunikationsstrategien mittlerweile auch auf Behördenseite kennt.

2 Gedanken zu „Sieg im Bilderkrieg“

  1. Symbolischer Sieg des Bürgerjournalismus, oder „Ein bisschen Medienbewusstsein kann man doch heute bei jedem Kleingärtner voraussetzen.“
    Ja Hr. Misik, sie haben Recht! Allerdings bleibt offen, ob sie es auch so gesehen haben, wie wir/ich:
    Denn der angesprochene „symbolische Sieg“ gehört in Wirklichkeit dem partizipativen Journalismus – also dem zitierten Kleingärtner. Auch seien wir froh darüber, dass wir den Gärtner nicht vermissen. Gott sei Dank für unsere etwas morsch gewordenen Demokratien: Der Bürgerjournalismus lebt! Und somit wird das Old-Boys-Network zwischen Journalisten und Politikern empfindlich unterwandert. In Zeiten des Web2Null in Form von Bürger-Blogs. So hat spreeblick aus Berlin eine mobile Echtzeitberichterstattung angeboten. Auch wurden mittels SMS laufend News in die Online-Community geleitet. Dadurch wurde tatsächlich der, besonders in der 1986er Generation gehypte, Bürgerjournalismus gefördert. Diese alternative Berichterstattung ist tatsächlich eine gegen den Mainstream. Auch wenn viele Journalisten behaupten, sie agierten gegen den Mainstream, kann man das oft nicht glauben. Warum? Nun beispielsweise bekommen sie Gehälter! Die Leute des Grassrootjournalismus bekommen Peanuts und sind daher zwar vielleicht etwas aggressiver im Berichtstil (weil sie eben mit Herzblut über eine Sache berichten) – aber desto weniger von Fremdinteressen geleitet, denn sie brauchen keine Interviews mit Politikern, oder Journalismusförderungen, oder Aufträge als Freelancer, wenn „alles vorbei ist“!! Private Blogs haben die Möglichkeiten individueller Berichterstattung massiv verändert.
    Für mich zum Positiven. Es wird auch für die so genannten „Qualitätsjournalisten“ schwerer platten Mainstream zu verbreiten.
    Beste Grüße

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