Symbolpolitik zählt

Soll Günter Wallraff in einer Moschee die „Satanischen Verse“ lesen? Es spricht mehr dafür als dagegen. taz, 17. Juli 07

 

 

Als Ali war er ganz unten. Weil er jetzt vor den Alis und Mustafas lesen will, ist er ganz oben in den Schlagzeilen. Günter Wallraffs Ankündigung, in einer Kölner Moschee aus Salman Rushdies „Satanischen Versen“ lesen zu wollen, spaltet das Feuilleton. Wallraff selbst hofft auf eine befreiende Wirkung, die von der Lesestunde ausgehen wird, die FAZ nennt sie „einen Lackmustest“ und die „Welt“ annonciert „Respekt“, weil sich der Linke Wallraff gegen den Mainstraim seiner Weggefährten stellt. Gustav Seibt wiederum rümpft in der „Süddeutschen Zeitung“ die Nase über die „nutzlose Symbolpolitik“ und die „moralische Ersatzhandlung“.

Nun, gewiss geht manches durcheinander, und es gibt ebenso gute Gründe, skeptisch zu sein, wie es Gründe gibt, der Initiative Wallraffs zu applaudieren. Die Aktion hat den leisen Hautgout des Moslemprovozieren, nach dem Motto: „Wir denken uns etwas aus, von dem wir annehmen, es bringt euch zur Weißglut – und dann sehen wir mal, wie ihr darauf reagiert.“ Und man kann auch fragen, was eine literarische Weihestunde zur Entspannung kultureller Konflikte beitragen soll.

Aber alles in Allem kann die Kritik an der nutzlosen Symbolpolitik nicht überzeugen. Sicher, Symbolpolitik ist nicht alles, aber ohne Symbolpolitik ist alles nichts. Schließlich war es Rushdies „ketzerisches“ Buch, das vor fast zwei Jahrzehnten vor allem die schiitische Welt aufbrachte und seinem Autor ein Leben unter dem Schutz der Sicherheitsapparate einbrachte. Es war das erste „symbolische“ Zerwürfnis zwischen radikalem Islam und dem Westen. Und die Fatwa Ajatollah Khomeinis war, in gewissem Sinn, auch „nur“ Symbolpolitik. Aber eine mit Folgen. Wenn sich ein Moscheeverein dazu durchringen könnte, eine Lesung aus diesem Buch zuzulassen, wäre das ein ebenso symbolischer Akt: Zuhören statt schießen. Man kann das Buch als frommer Moslem dann immer noch als „islamfeindlich“ kritisieren. Aber die Geste würde zählen.

Rushdie, der liebenswerte Dichter, der große Ironiker und Wanderer zwischen den Welten, ist dafür immer noch ein ganz passabler Stein des Anstoßes, auch wenn er seiner Glaubwürdigkeit in alle Richtungen keinen Gefallen getan hat, dass er in jüngster Zeit stark in Richtung Neokonservativismus tendierte.

Und ganz pragmatisch gesprochen, wären die Vertreter des Kölner Moscheevereins äußerst schlecht beraten, die Lesung nicht zuzulassen. Einmal angenommen, dies alles wäre eine Falle, gefinkelt ausgelegt von Islamophoben: Radau zu schlagen wäre genau das, was eben diese Islamophoben wünschten.

Also: Rushdies Verse in die Moschee. Es wäre ein schönes Symbol.

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